Es war schon erstaunlich genug, was der linke Landtagsabgeordnete André Schollbach über die spendable Finanzierung der Biedenkopf-Tagebücher durch die sächsische Staatsregierung herausbekommen hat. Aber nicht nur die Entstehung der drei Tagebuch-Bände hat die Staatregierung üppig unterstützt.
Und auch nicht nur die beiden opulenten Buchpremieren in Berlin und Prag hat sie bezahlt, obwohl beide augenscheinlich wenig dazu beigetragen haben, den Verkauf der Bücher anzukurbeln. Denn erst mit jedem verkauften Exemplar bekommt der Freistaat ein bisschen von seinem eingesetzten Steuergeld wieder zurück.
Umso skurriler wirkt, was André Schollbach jetzt mit einer neuen Anfrage zu den Tagebüchern herausbekommen hat. Denn augenscheinlich hat sich die Staatsregierung, obwohl sie das Tagebuchprojekt mit einigen hunderttausend Euro erst ermöglicht hat, nicht einmal entsprechende Belegexemplare ausbedungen, um sie der Sächsischen Landesbibliothek und der Landeszentrale für politische Bildung zur Verfügung zu stellen. Stattdessen hat sie von allen drei Bänden entsprechende Exemplare selbst gekauft.
Eigentlich hätte man erwarten können, dass die Konrad-Adenauer-Stiftung, über die die Gelder geflossen sind, selbst auf den Gedanken käme, dem Zahlmeister genügend Exemplare zukommen zu lassen. Aber auf die Idee scheint man da nicht einmal gekommen zu sein.
Der ganze Vorgang sieht mittlerweile dermaßen vertrackt aus, dass man nicht einmal mehr weiß, ob das ein Vorgang unter Parteifreunden sein kann. Eher sieht es nach einer peinsamen Affäre für den guten Neffen Staat aus, der dem lieben Onkel erst mit einer sechsstelligen Finanzspritze ermöglicht, seine langweiligen Aufzeichnungen aus der trüben Frühzeit des Freistaates zu veröffentlichen und anschließend auch noch die Party bezahlt, mit der der gute Onkel Werbung machen soll für seine Bücher. Um schlussendlich seufzend in den Buchladen zu gehen und sich selbst ein paar Exemplare zu kaufen, weil der Onkel keine spendieren mag.
Und dabei gibt sich doch der gehorsame Neffe so eine Mühe, dem guten Onkel noch einen Alterserfolg zu organisieren. In Prag zum Beispiel, wo sich augenscheinlich niemand von allein für die umwerfenden Bände interessiert hat: „Das Verbindungsbüro der Sächsischen Staatskanzlei in Prag erwarb am 4. Februar 2016 fünf Exemplare.“
Der 4. Februar war der Tag, an dem Kurt Biedenkopf seine Lesung in Prag hatte. Die hat wohl doch nicht so gezündet, so dass die Mitarbeiter des Verbindungsbüros selbst ein bisschen dafür sorgen wollten, dass jemand die alten Schriften liest. „Der Erwerb der fünf Exemplare der unter Ziffer 2 genannten Publikation durch das Verbindungsbüro der Staatskanzlei in Prag verfolgte den Zweck, die Publikation im Nachbarland Tschechien bekannt zu machen“, teilt Dr. Fritz Jaeckel, Chef der Sächsischen Staatskanzlei, auf die jüngste Nachfrage von André Schollbach mit.
Dass auf der Veranstaltung insgesamt fünf Bücher verkauft worden waren, hatte Schollbach schon mit seiner Anfrage zur Prager Party herausbekommen. Jetzt weiß er sogar, wer so tapfer war, die fünf Exemplare zu kaufen. Das Interesse an Biedenkopfs Nachdenklichkeiten aus den frühen 1990er Jahren scheint in Prag nicht allzu euphorisch zu sein.
Die jüngste Nachfrage von André Schollbach zu den Biedenkopf-Tagebüchern. Drs. 6250
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Man weiß nicht mehr, ob man sich amüsiert fühlen soll. Herrn Schollbach ist für seine Hartnäckigkeit als Mitglied des sächsischen Landtags wirklich zu danken, und Dresden kann man darüber hinaus zu einem solchen Stadtrat nur beglückwünschen. Allerdings gibt es derartiges auch im Kleinen. Der Verlag Poetenladen bringt, im wesentlichen finanziert aus Steuermitteln, gemeinsam mit der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen eine Lyrikreihe heraus. Das ist sehr begrüßenswert und ein Stück weit mit der Verlagsförderung in Österreich vergleichbar. Aber das nicht ein Freiexemplar der ehrenamtlich geführten und im Osten Deutschlands einzigartigen LEIPZIGER LYRIKBIBLIOTHEK zukommt, ist schwer zu begreifen, zumal diese Sammlung über kein Ankaufbudget verfügt und auf Buchspenden angewiesen ist. Wer sie noch nicht kennt, die Lyrikbibliothek wurde 1998 eröffnet, zählt derzeit ca. 5500 Bände (darunter viele Unikate und Künstlerbücher) und ist als Präsenzbibliothek in der Leipziger Stadtbibliothek (Erdgeschoss) nutzbar.