Seit 2014 hat man in Sachsen nicht mehr viel gehört über den sogenannten „Sachsensumpf“. Ein Thema, das von 2006 an die Öffentlichkeit in Atem hielt, den damaligen Innenminister Albrecht Buttolo geradezu panisch werden ließ, dann aber mit einem mehrheitlichen „Plopp“ im Untersuchungsausschuss des Landtages endete. Doch ausgerechnet gegen zwei Bauernopfer ermittelt die sächsische Justiz noch immer.
Seit 2010 gärt die Anklage gegen den Leipziger Polizeikommissar Georg. W. Ihm wurde von der Dresdener Generalstaatsanwaltschaft „Verfolgung Unschuldiger in Tateinheit mit übler Nachrede in vier tateinheitlichen Fällen“ vorgeworfen. Im Grunde dasselbe wurde der vormaligen Staatsanwältin Simone H. vorgeworfen, die bis 2006 das beim Sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz eingerichtete Referat für Organisierte Kriminalität (OK) geleitet hatte. Über 15.600 Seiten Akten in über 100 Ordnern hatte das Referat zu verschiedenen Fallkomplexen der Organisierten Kriminalität in Sachsen angelegt. Doch 2006, nachdem der Landtag dem Verfassungsschutz das Recht zur Beobachtung der Organisierten Kriminalität entzogen hatte, war unklar, was mit diesen Akten passieren sollte.
Der sächsische Datenschutzbeauftragte Schurig hatte die Löschung der Akten gefordert, doch ein Aufschrei ging durchs Land, als klar wurde, was für ein brisantes Material in den Akten schlummerte. Brisant auch deshalb, weil der Verfassungsschutz das Material vorher in keinem Fall der Polizei übergeben hatte zu weiteren Ermittlungen.
Besonderen Aufruhr verursachte ein Fallkomplex zum Leipziger „Kinderbordell Jasmin“, ein Fall, in den auch hochrangige sächsische Staatsbedienstete verwickelt sein sollten. Kurzzeitig sah es so aus, als würden die Ermittlungen und entsprechende Strafverfolgungen dazu in Gang kommen. Doch nicht gegen die möglichen Involvierten wurde ermittelt, sondern die Ermittler selbst gerieten auf einmal ins Fadenkreuz. Auf einmal wurde Simone H. vorgeworfen, sie soll die Akten manipuliert haben, das belastende Material stamme allein von Georg W. Und ruckzuck distanzierte sich der Innenminister von seiner „Mafiarede“ ein Jahr zuvor.
Gegen die jungen Frauen, die sich nach der Aufdeckung wieder getraut hatten, über ihre Erlebnisse im „Kinderbordell“ zu berichten, wurden auf einmal Verleumdungsprozesse angestrengt. Der Prozess, der 2012 eröffnet wurde, ist bis heute nicht beendet, da die Beklagten in Folge unter erhöhten gesundheitlichen Problemen zu leiden hatten.
Und bis heute weiß niemand, was wirklich in den Akten stand. Auch den beiden vom Landtag eingesetzten Untersuchungsausschüssen wurde die Einsicht in die Akten verweigert. Verleumdungsklagen bekamen auch der Buchautor Jürgen Roth und die Journalisen Thomas Datt und Arndt Ginzel an den Hals.
So endete das Ganze 2014 eher mit einem Schulterzucken im Untersuchungsausschuss (zumindest was die damals regierenden Parteien betrifft) und mit einem schriftlich notierten Kritikpaket der Opposition. Geklärt ist bis heute nichts. Wirklich eingehende Untersuchungen der Verdachtsfälle wurden nicht angestrengt. Und mit Simone H. und Georg W. stehen irgendwann in nächster Zeit wieder zwei Personen vor Gericht, die sich jetzt im Grunde dafür verantworten sollen, dass sie ihre Arbeit gemacht haben.
Die Hauptverhandlung gegen beide wurde am 15. März 2016 zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet, teilt nun Justizminister Sebastian Gemkow auf Anfrage des linken Landtagsabgeordneten Klaus Bartl mit. Dabei wurden die Tatvorwürfe gegen die beiden Angeklagten schon deutlich reduziert. Gemkow: „Hinsichtlich der Anklage vom 10. November 2010 wurde das Hauptverfahren mit der Maßgabe eröffnet, dass ein hinreichender Tatverdacht insoweit bezüglich der Angeklagten Simone S. nur wegen Verfolgung Unschuldiger und bezüglich des Angeschuldigten Georg W. nur wegen Beihilfe zur Verfolgung Unschuldiger bestehe.“
Was ihnen also nur noch zur Last legt, dass der Leipziger Kommissar überhaupt im „Sachsensumpf“ ermittelte und entsprechende Informationen ans Landesamt für Verfassungsschutz weitergab – und diese dort in den Akten auftauchten. Wobei die Thesen von der „Teebeutelthese“ (alle Informationen stammen von G. und wurden einfach noch mal aufgebrüht) bis zur Feststellung reichen, dass die OK-Akten tatsächlich Informationen verschiedener unabhängiger Quellen beinhalten. Was ja niemand nachprüfen kann, weil die Akten unter Verschluss sind.
Auch die Disziplinarverfahren gegen beide Beklagte hält die sächsische Landesregierung bis heute aufrecht.
Der „Sachsensumpf“ ist also gerade dabei, die nächste schlammige Kurve zu nehmen, ohne dass bei den ach so überlasteten Dresdener Gerichten überhaupt klar ist, wann der Verhandlungstermin angesetzt wird.
Die Kleine Anfrage von Klaus Bartl zum Stand im „Sachsensumpf“. Drs. 4593
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