Ein fehlender Lagefilm verunsicherte am 14. November 2015 den Grünen-Landtagsabgeordneten Valentin Lippmann, der für seine Fraktion auch im zweiten NSU-Untersuchungsausschuss sitzt. Da wurde an diesem Tag der Zeuge Kay-Uwe M. gehört. Aber dem fehlte eine wichtige Erinnerungsstütze: der Lagefilm der Zwickauer Polizei vom 4. und 5. November 2011.

Hätte der nicht unter das Aktenvernichtungs-Moratorium von 2012 fallen müssen, fragte sich Lippmann. Und weil er Antworten haben wollte, stellte er seine Fragen auch noch der Staatsregierung. Logisch, da war dann Innenminister Markus Ulbig (CDU) wieder dran. Er ist nicht ausgewichen und hat auch noch einmal alle Beschlüsse aufgezählt, mit denen 2012 die Aktenvernichtung in sächsischen Behörden gestoppt werden sollte.

Sachsens Regierung hatte damals spät reagiert, viel zu spät im Fall des Landesamtes für Verfassungsschutz, erst am 19. Juli, respektive 10. August 2012. Vom 4. November 2011 bis zum 19. Juni 2012 waren rund 5.000 Aktenstücke im LfV vernichtet worden, die nach Aussage von Markus Ulbig elektronisch auf keinen Fall mehr recherchiert werden konnten, da auch die Registerdaten vernichtet wurden.

Auch zu Polizeiakten zum Bereich „NSU“ und Rechtsextremismus gibt es seit dem 18. Juli 2012 ein Löschmoratorium.

In gewisser Weise kann das auch auf die Lagefilme der Polizei zutreffen, bestätigt nun Innenminister Markus Ulbig. Aber nur dann, wenn die Lagefilme schon entsprechend zur Beweissicherung herangezogen wurden. Markus Ulbig: „Lagefilme der sächsischen Polizei sind von dem bestehenden Löschmoratorium grundsätzlich nicht umfasst. Verfahrensrelevante Informationen werden in Vermerken abgebildet und fließen als solche in die polizeiliche Ermittlungsakte ein. Insoweit ist ein darüber hinausgehendes Vorhalten der polizeilichen Lagefilme entbehrlich. Soweit ein Lagefilm der sächsischen Polizei im Einzelfall ausgedruckt und zur polizeilichen Ermittlungsakte genommen wurde, die eine Straftat oder einen Straftäter der politisch motivierten Kriminalität -rechts- zum Gegenstand hat und im Polizeilichen Auskunftssystem Sachsen (PASS) hinterlegt ist, ist dieser Lagefilm auch vom Löschmoratorium umfasst.“

Da sich der Zwickauer Lagefilm aber auch auf die Vorgänge am 4. November 2011 in der Frühlingsstraße 26 in Zwickau-Weißenborn beziehen muss, denn die Polizei kam ja zwangsläufig zum Einsatz, als der von Beate Zschäpe gelegte Brand bekannt wurde, wäre es eigentlich nur logisch, dass auch dieser Lagefilm aufbewahrt wurde.

Aber halt nicht in Zwickau. Vielleicht, so äußert Markus Ulbig, hat ihn ja das BKA noch.

„Lagefilme werden in den Polizeidirektionen und Polizeirevieren gemäß der ‚Errichtungsanordnung für den Betrieb von Einsatzleittechnik bei den Leitstellen der Polizei Sachsen‘ zwei Jahre im Einsatzleitsystem elektronisch aufbewahrt und nach Ablauf dieser Frist automatisch gelöscht, so auch der in der Vorbemerkung genannte Lagefilm des Polizeireviers Zwickau. Soweit es aus Sicht der anschließenden Sachbearbeitung für erforderlich erachtet wird, werden Lagefilme im Einzelfall auch ausgedruckt und zur polizeilichen Ermittlungsakte genommen, um beispielsweise Anhaltspunkte auf Zeugen, Geschädigte oder zu befragende Beamte zu erhalten“, gab er jetzt Auskunft.

Und ein wenig Hoffnung, den Lagefilm zu finden, bestehe ja noch, so Ulbig: „Da die Ermittlungen im Fallkomplex ‚NSU‘ und damit auch die polizeilichen Ermittlungsakten im Zusammenhang mit der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion im Wohnhaus Frühlingsstraße 26 in Zwickau am 4. November 2011 vom Bundeskriminalamt am 11. November 2011 übernommen wurden, kann es möglich sein, dass ein Ausdruck des fragegegenständlichen Lagefilms in den dortigen Akten enthalten ist. Das Operative Abwehrzentrum der sächsischen Polizei wird sich daher mit dem Bundeskriminalamt in Verbindung setzen und um eine entsprechende Prüfung bitten.“

Der Fall bleibt spannend. Aber ob die gesuchten Antworten noch irgendwo gefunden werden können, ist weiterhin offen.

Die Auskunft von Innenminister Markus Ulbig zum fehlenden Lagefilm und den Aktenvernichtungsmoratorien.

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