Er hat sich weit vorgewagt. Jetzt steht Sachsens Finanzminister Georg Unland (CDU) selbst im Kreuzfeuer für die Personalpolitik in Sachsen. Am 24. Dezember wagte er sich via LVZ und DNN in die Offensive und erklärte, dass er mit dem Personalabbau im Land weitermachen will. 15.000 Landesbedienstete will er bis 2020 loswerden, obwohl es schon im ganzen Staatsapparat knirscht.
Die Argumente, die er in der LVZ bot, waren so dünn, wie alle Begründungen, die seit 2010 zu immer neuen Kürzungsplänen in Sachsen vorgebracht wurden.
“Ich kann nur immer wieder darauf aufmerksam machen, dass unsere Personalausstattung deutlich über dem liegt, was man sich in anderen Teilen Deutschlands leistet“, sagte Unland. Und blieb wieder konkrete Zahlen schuldig. Die LVZ fragte auch nicht nach. Und so blieben seine markigen Behauptungen in der Luft hängen.
Womit vergleicht er eigentlich die sächsische Personalausstattung? Wie kommt er zu der Aussage “Wir werden uns überlegen müssen, was wir uns noch leisten können und welche Prioritäten wir setzen. Wenn ich mir unsere Ausgaben anschaue, dann finde ich nur wenige Bereiche, in denen wir weniger ausgeben als andere. Wir liegen in der Regel an der Spitze.”
“Das fange bei der Kultur an und reiche von der Wissenschaft bis hin zu den Schulen und Polizisten”, zitiert die LVZ.
Die Aussage via LVZ kam nicht von ungefähr. In der sächsischen Regierung wird mittlerweile mit harten Bandagen um das Personal gekämpft. Nicht nur die Kultusministerin muss um jeden einzelnen selbst nur befristet eingestellten Lehrer kämpfen. Auch der Innenminister sagt seit ein paar Wochen endlich laut, was seine Polizisten schon seit Jahren vom Motorrad pfeifen: Er hat längst zu wenige Polizeibeamte.
Und dass das sächsische Landespersonal zu teuer sei, stimmt schlichtweg nicht. Auch nicht im Vergleich mit anderen Bundesländern. Dazu kommen wir gleich.
Zumindest bei den Grünen herrscht mittlerweile gelindes Entsetzen über die desolate Kürzungstour des Finanzministers.
“Der Finanzminister schlägt mit seinen Aussagen der eigenen Personalkommission der Staatsregierung den Knüppel zwischen die Beine. Angeblich soll diese ergebnisoffen evaluieren, wie viel Personal in Sachsens Verwaltung notwendig ist. Mit der Ergebnisoffenheit ist es offensichtlich vorbei. Der Finanzminister agiert nun nach dem Prinzip ‘weil nicht sein kann, was nicht sein darf’ und weiß jetzt schon, wie das Ergebnis nicht aussehen darf. Damit konterkariert er zum wiederholten Mal eine aufgabenorientierte Personalplanung in Sachsen. Dieses Agieren war so vorhersehbar wie das Amen in der Kirche”, erklärt Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag. “Dabei geht es schon lange nicht mehr darum, ob wir im Jahr 2020 noch ausreichend Mittel haben, um das Personal zu bezahlen, sondern darum, ob Sachsen überhaupt noch ausreichend Personal hat, um seine Aufgaben ordentlich zu erfüllen. Es sollte dem Finanzminister endlich darum gehen, die massiven Altersabgänge ab 2020 aufzufangen.”
Natürlich richtet sich Unlands Vorstoß auch gegen den kleinen Koalitionspartner SPD, der nicht nur bei Polizisten und Lehrern mit der klaren Forderung in die Koalitionsverhandlungen gegangen war, die alten Kürzungspläne zu evaluieren und endlich wieder genug Personal einzustellen. Es ist schon jetzt absehbar, dass auch die eingesetzte Personalkommission zu dem Schluss kommen wird, zu dem auch schon die Fachkommission zur Polizei kam: Viele Landesbereiche sind personell mittlerweile so unterbesetzt, dass sich Bearbeitungszeiten drastisch verlängert haben und viele Aufgaben gar nicht mehr zeitnah bewältigt werden können.
“Ich fordere vor diesem Hintergrund den Finanzminister und die gesamte Staatsregierung auf, endlich den Zwischenbericht der Personalkommission offenzulegen, der seit September vorliegt. Ich vermute, dass dieser Bericht – ebenso wie der Fachbericht bei der Polizei – einen erhöhten Personalbedarf auch in anderen Bereichen der Landesverwaltung benennt”, nennt Lippmann den mutmaßlichen Grund für Unlands Vorstoß zu diesem Zeitpunkt. “Genau weil die Äußerungen von Finanzminister Unland absehbar waren, haben wir Grüne im Landtag die Veröffentlichung des Berichtes per Antrag gefordert. Die Deutungshoheit über den Personalbedarf in Sachsen darf nicht allein beim Finanzminister liegen. Es ist nun zu befürchten, dass der Abschlussbericht der Kommission bereits die propagierten Kürzungen des Finanzministers enthalten wird.”
Und wie steht es wirklich im Ländervergleich?
Da schauen wir mal nach, was eine Institution dazu gesagt hat, die nun wahrlich nicht als arbeitnehmerfreundlich und sozial bekannt ist, auch wenn sie das Wörtchen sozial im Namen trägt: die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Die Daten sind zwar schon etwas älter, stammen aus dem Jahr 2011. Aber das war just der Zeitraum, in dem CDU und FDP ihr neues Personalkürzungsprogramm in Sachsen auf den Weg brachten.
Damals veröffentlichte die INSM ihren letzten Schulden-Check – und man darf sich wirklich fragen, warum sie es seither nicht mehr getan hat. Kann es sein, dass dieser Check alles konterkariert, was Kürzungsminister wie Georg Unland seitdem angestellt haben?
Denn die INSM hat nicht nur den Schuldenstand der Bundesländer untersucht (Sachsen war auch damals schon mit Bayern in der Spitzengruppe), sondern auch die Staatsausgaben für die Landesbediensteten. Unland deutete ja im LVZ-Beitrag an, dass Sachsen (wie die anderen Neuen Bundesländer) über seine Verhältnisse lebe und mehr Geld für seine Bediensteten ausgebe als die ach so sparsamen westlichen Vorbilder.
Ist das wirklich so?
Das Gegenteil ist der Fall.
Nur ein einziges Land gab 2011 weniger Geld für seine Landesbediensteten pro Kopf der Bevölkerung aus als Sachsen. Und das war Brandenburg. 852 Euro kamen in Brandenburg zusammen, in Sachsen waren es 866. Und auch die anderen drei ostdeutschen Flächenländer lagen noch deutlich unter den westdeutschen Werten: Mecklenburg-Vorpommern mit 1.006 Euro, Sachsen-Anhalt mit 1.021 Euro und Thüringen mit 1.039 Euro.
Das sparsamste Westland war Nordrhein-Westfalen mit 1.146 Euro, das mit dem höchsten Betrag für die Landesbediensteten war das Vorzeigeland Bayern mit 1.366 Euro.
Nur die drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen fielen wieder aus dem Rahmen – hier wirkt sich einfach die Überlappung kommunaler Pflichtausgaben mit Landesaufgaben aus.
Aber die INSM machte damals auch deutlich, was die Brüder der nicht ganz so sozialen Sozialwirtschaft eigentlich bezwecken mit ihrem Dauerfeuer in Sachen Schulden, Konsolidierung und “Investitionsquote”: einen weiter forcierten Abbau staatlicher Dienstleistungen. Nur so kamen sie auch 2011 für Sachsen zu einem “Konsolidierungspotenzial” von 24 Prozent. Die Botschaft hat wohl auch Sachsens Finanzminister Georg Unland genau so verstanden: Er könne oder müsse jetzt noch einmal ans Personal ran.
Damals hatte Sachsen noch 87.000 Landesbedienstete. Mittlerweile sind es noch 85.000. Der Abbau von 17.000 Bediensteten sind zwar noch keine 24 Prozent, sondern erst mal “nur” 19. Aber schon das, was in den letzten vier Jahren passiert ist, hat viele Bereiche der Landesaufgaben sichtlich zermürbt.
Was die INSM (nicht ganz allein, aber immer vornewg) aber geschafft hat, ist das Ingangsetzen eines bundesweiten Unterbietungswettbewerbs. Denn wenn alle Bundesländer (und viele machen es genau so), ihre Personalbetrachtung mit dem Blick auf jene Länder betreiben, die jeweils noch weniger Geld für Lehrer, Richter, Polizisten usw. ausgeben, dann geht es bald nirgendwo mehr um die Absicherung der Aufgaben, sondern nur noch um einen Abbau staatlicher Leistungen. Und damit natürlich im Endeffekt – Geld ist ja, wenn es gnadenlos agieren kann, geradezu anarchistisch – um eine Demolierung der Demokratie, die ohne stabile staatliche Rahmensetzung nicht zu halten ist.
Vielleicht hat man das auch bei der INSM mittlerweile begriffen. Im sächsischen Finanzministerium fehlt diese Einsicht.
Und auch die Linksfraktion meldet sich zum Thema jetzt zu Wort.
Die erneute Forderung des Finanzministers Georg Unland (CDU), am Ziel des Personalabbaus bei den Landesbediensteten festzuhalten, kommentiert auch der finanzpolitische Sprecher der Linksfraktion, Sebastian Scheel: “Die alte Debatte, die der Finanzminister erneut beginnen will, liegt fernab der Realität. Derzeit wird der Bedarf bei den großen Personalkörpern ermittelt. Wenn Unland diesen Prüfprozess ernst nimmt, muss er wenigstens dessen Ergebnis abwarten, bevor er erneut sein Klagelied anstimmt. Bei der Polizei geht die von der Staatsregierung eingesetzte Kommission davon aus, dass Stellen zu schaffen und nicht abzubauen sind. Das Lehrerpersonalentwicklungskonzept, das laut Koalitionsvertrag im vergangenen Jahr vorliegen sollte, steht aus – wir fordern per Antrag dessen unverzügliche Vorlage.”
Auch unabhängig von jeder Evaluierung helfe es niemandem, beim Personalbestand von fiktiven und starren Zielzahlen auszugehen.
“Die Sozialdemokratie sollte solche Spielereien nicht widerspruchslos hinnehmen”, sagt Scheel. “Die staatlichen Aufgaben wandeln sich, die Defizite etwa im Bereich Schule und bei der Polizei sind längst sichtbar, die Entwicklung der Bevölkerungszahl ist offen. Wer verantwortungsvolle Finanzpolitik betreiben will, darf nicht ausschließlich von der eigenen subjektiven Einschätzung der Notwendigkeiten ausgehen oder sich auf grob verallgemeinernde Kennzahlen zurückziehen. Er muss auch die zu erfüllenden Aufgaben betrachten – und zur Kenntnis nehmen, dass der Staatshaushalt nicht nur über eine Ausgabenseite, sondern auch über eine Einnahmeseite verfügt. Öffentliche Haushalte lassen sich weder sanieren noch dauerhaft führen, ohne über Möglichkeiten der Einnahmensteigerung – etwa durch eine gerechte Besteuerung hoher Einkommen und großer Vermögen – nachzudenken.”
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