Manchmal staunt man nur. Da ist seit Jahren klar, dass Sachsens Polizei unterbesetzt ist, dass Sachsen eigentlich einige hundert Polizisten mehr braucht und nicht jedes Jahr 100 weniger. Und dann braucht es trotzdem erst eine Kommission, die genau das feststellt: Der Freistaat braucht 1.000 Polizisten mehr. Mindestens.
Sachsens Innenminister Markus Ulbig hat am Montag, 14. Dezember, endlich den Bericht der Fachkommission zur Evaluierung der sächsischen Polizei an den Sächsischen Landtag weitergeleitet. Damit kommt die eingesetzte Fachkommission einer wesentlichen Forderung der Koalitionsfraktionen von CDU und SPD nach. Ziel der Einrichtung einer Fachkommission war es, die Personal- und Sachausstattung der sächsischen Polizei ergebnisoffen an ihren Aufgaben zu evaluieren.
Die Ergebnisse sind eigentlich eindeutig. Aber man wäre nicht in Sachsen, wenn man sich bei derlei Kurskorrekturen nicht richtig Zeit lassen würde. Der vorliegende Bericht soll erst einmal umfassend ausgewertet und in den kommenden Monaten als Grundlage für die parlamentarische Arbeit genutzt werden, sagte Christian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, am Montag. Vor allem mit Blick auf die Beratungen zum Doppelhaushalt 2017/2018 im kommenden Jahr sei der Bericht eine gute Grundlage für die anstehenden politischen Entscheidungen.
Denn im Doppelhaushalt 2015/2016 hat man ja weitere Kürzungen beim Personal beschlossen. Vor 2017 wird es wohl keine Änderung geben.
“Mit Blick auf den aktuellen Personalbestand, die gestiegene Aufgabenbelastung der sächsischen Polizei sowie die Überstundenbelastung war klar, dass es einen Aufwuchs bei den gegenwärtig 13.000 Mitarbeitern der sächsischen Polizei bedarf“, erklärt Hartmann zum evaluierten Kräfteansatz. Der Mehrbedarf von etwa 1.000 Beamten scheint ihm realistisch.
“Nachdem Markus Ulbig den Stellenabbau schon im Herbst ausgesetzt hatte, muss nunmehr schnellstmöglich die personelle Stärkung der Polizei folgen. Ich kann mir daher vorstellen, den Einstellungskorridor von derzeit 400 Polizeianwärtern schon im kommenden Jahr anzuheben. Der von der Kommission festgestellte Einstellungskorridor von mindestens 550 Anwärtern pro Jahr muss als Grundlage für die Haushaltsplanung dienen“, so der CDU-Innenpolitiker. So könne bereits kurzfristig auf den Bedarf reagiert werden. “Aus Sicht der Fraktion begrüßen wir den Vorschlag, die Bereitschaftspolizei von bisher zwei auf drei vollständige Abteilungen zu verstärken.“ Ebenso sprechen sich die Innenpolitiker dafür aus, die Verkehrs- und Kriminalpolizeiinspektionen in allen Polizeidirektionen auszubauen.
Und: “Hinsichtlich der Personalstruktur bei der sächsischen Polizei wird deutlich, dass wir in Zukunft noch mehr auf eine aktive Nachwuchsgewinnung setzen müssen, um nicht nur entsprechende Bewerberzahlen zu generieren, sondern auch geeignete Bewerber für den Polizeiberuf zu finden“, so Hartmann. Die befristete Wiedereinführung der Wachpolizei sei dabei eine gute Ergänzung, da sich geeignete Mitarbeiter auch für den Mittleren Polizeivollzugsdienst bewähren können.
Die SPD sieht einen Mehrbedarf bei 2.000 Stellen
“Damit ist klar: Der Stellenabbau bei der Polizei ist damit endgültig Geschichte. Ein derzeitiger Mehrbedarf von derzeit 1.000 Stellen spricht eine eindeutige Sprache“, erklärt der Innenexperte der SPD-Landtagsfraktion, Albrecht Pallas, zum vorgestellten Bericht der Fachkommission. Im Vergleich zu den bisherigen Abbauzielen beträgt der Mehrbedarf sogar ca. 2.000 Stellen. Denn “gestoppt”, wie Hartmann erklärte, hat Markus Ulbig den Abbau von Polizeistellen ja nicht. Nur für die Zukunft ausgesetzt. Die Abbaujahre 2015 und 2016 waren davon nicht einmal berührt.
“Der zusätzliche Stellenbedarf wird nun einer der Schwerpunkte für den nächsten Doppelhaushalt 2017/18. Falls bereits für den aktuellen Haushalt Konsequenzen notwendig sind, ist die SPD bereit dazu. Die SPD sichert Innenminister Ulbig jede Unterstützung bei der Umsetzung der Kommissionsempfehlung zu”, umreißt Pallas die anstehenden Herausforderungen. Die SPD-Fraktion wird nun die Empfehlungen detailliert prüfen, um weitere Konsequenzen abzuleiten. Auch eine weitere Tätigkeit der Kommission, um auch zukünftige polizeiliche Aufgaben evaluieren und die Dynamik im Blick behalten zu können, ist aus Sicht der SPD-Fraktion denkbar.
Ein zentraler Punkt der Empfehlung stellt einen Bedarf von 14.040 Stellen dar – bei einem derzeitigen Stellenbestand von 13.042 und einem bisher geplanten Stand von 12.022 (im Jahr 2022). Außerdem empfohlen wurde ein jährlicher Einstellungskorridor in Höhe von mindestens 550 Stellen.
Für Grüne zeigt der Bericht, dass die “Polizeireform” völlig sinnlos war
“Die Fakten liegen auf dem Tisch. Die sächsische Polizei ist in den vergangenen Jahren systematisch kaputt gespart worden. Schon jetzt liegt die Stellenausstattung mit über 1.000 Stellen weit unter dem von der Kommission festgestellten Bedarf von 14.040”, stellt Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, fest. “Das Gebot der Stunde heißt Handeln. Innenminister Markus Ulbig muss dem Landtag schnellstmöglich ein Konzept vorlegen, wie er die Empfehlungen umsetzen will. Wegen der im letzten Haushalt von CDU und SPD beschlossenen Stellenstreichungen bedarf es sowohl für die Streichung der kw-Vermerke als auch für die Aufstockung des Einstellungskorridors eines Gesetzes. Die im nächsten Jahr anstehenden Haushaltsverhandlungen sind in Anbetracht der Dringlichkeit zu spät, um solche Änderungen vorzunehmen.”
In der aktuellen Haushaltsphase hatte sich die Regierung darauf verständigt, den Einstellungskorridor wenigstes von 300 auf 400 anzuheben. Linke und Grünen hatten kritisiert, dass das viel zu wenig sei, dass mindestens 500 bis 600 neue Polizisten jedes Jahr ausgebildet werden müssen.
“Wir Grünen haben in den letzten Haushaltsverhandlungen einen Einstellungskorridor von 600 Polizeianwärtern gefordert”, so Lippmann. “Daran werden wir vor dem Hintergrund der Empfehlungen der Kommission mindestens festhalten. Wahrscheinlich reicht aber selbst dieser Einstellungskorridor nicht mehr aus, um zügig die Situation bei der Polizei spürbar zu verbessern.”
Linke fordert baldmöglichst 15.000 Beschäftigte für Landespolizei
“Auch wenn wir als Sächsischer Landtag den Bericht noch nicht kennen, hat die Fachkommission offenbar eine deutliche Erhöhung des Personalbestandes der sächsischen Landespolizei empfohlen. Auch wenn die derzeitigen Demonstrationsgeschehnisse, Fußballspiele und Einsätze rund um Asylunterkünfte die Polizistinnen und Polizisten besonders beanspruchen, sind diese Aufgaben nicht die Ursache für den Personalnotstand bei der sächsischen Polizei. Die Ursache liegt Jahre zurück und heißt Polizeireform sowie Personalabbau-Beschluss von CDU und SPD von knapp 2.600 Stellen im Polizeidienst”, kommentiert Enrico Stange, innenpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, die jetzt bekannt gewordenen Eckdaten aus dem Bericht. “Derzeit sind 10.790 Beamte im Vollzugsdienst und 2.190 Verwaltungsbeamte und Tarifbeschäftigte als Bedienstete der Landespolizei beschäftigt, insgesamt weniger als 13.000. Der Stellenabbau, den die vorangegangene CDU/SPD-Koalition beschlossen hatte, ist noch nicht in Gänze umgesetzt, aber weder gesetzlich noch tatsächlich gestoppt. In Doppelhaushalt und mittelfristiger Finanzplanung sind weitere knapp 1.000 Stellen ‘KW’-gestellt, also auf Abbau getrimmt.”
Folgende Schritte listet Stange auf, die jetzt aus dem Evaluationsbericht erfolgen:
1. Der medial von Innenminister Ulbig Mitte Oktober angekündigte Stellenabbaustopp muss endlich umgesetzt und die im Haushalt ausgebrachten KW-Stellen gestrichen werden.
2. Der empfohlene Stellen- und Personalaufwuchs kann sich nur auf den jetzigen Personal-Ist-Stand beziehen und muss den Gesamtpersonalbestand aus Beamten im Polizeivollzugsdienst, Verwaltungsbeamten und Tarifbeschäftigten deutlich über 15.000 Bedienstete heben. Ebenso muss für die gewünschten IT-Spezialisten die Verbeamtung vorgesehen werden.
3. Dafür muss umgehend, also schon für 2016 insgesamt, der Einstellungskorridor auf mindestens 600 Anwärterinnen und Anwärter unter Berücksichtigung der erforderlichen Ausbildungskapazitäten ausgeweitet werden. Dieser Einstellungskorridor muss schrittweise, um eine schnelle und spürbare Personalaufstockung zu sichern, auf 800 bis 850 Anwärterinnen und Anwärter für 2017ff. ausgeweitet werden.
4. Die Ausbildungskapazitäten müssen, 2016 beginnend, schrittweise auf die erforderlichen Jahrgangsstärken ausgeweitet werden.
5. Durch Nachtragshaushalt müssen die haushalterischen Grundlagen für die sofortige Streichung aller KW-Stellen und die Ausweitung des Einstellungskorridors auf 600 Anwärterinnen und Anwärter bereits für 2016 geschaffen werden.
Tatsächlich setzt der Bericht den Innenminister, der sich mit seiner “Polizeireform” nun wirklich nicht mit Ruhm bekleckert hat, unter Handlungsdruck.
“Wir werden sehr genau den Bericht studieren und die nötigen Konsequenzen dem Landtag zur Änderung anempfehlen und alle weiteren Schritte der Staatsregierung daraufhin prüfen, ob sie das Personalziel schnellstmöglich erreichen”, sagt Stange. Da Ulbig selbst jetzt mehrfach betont hat, er brauche mehr Polizisten, ist es auch an ihm, jetzt die Vorlagen für den Landtag schnellstmöglich zu erarbeiten.
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