Angst steckt an. Anders kann man die รuรerungen des Bundesvorsitzenden der SPD und Vizekanzlers Sigmar Gabriel und des sรคchsischen SPD-Vorsitzenden Martin Dulig in den letzten Tagen nicht mehr bewerten. "Wir nรคhern uns den Grenzen unserer Mรถglichkeiten", sagte Gabriel im "Spiegel"-Interview. Und Dulig forderte, die Flรผchtlingswelle mรผsse eingedรคmmt werden.
Wobei die Gabrielschen รuรerungen deutlich differenzierter sind. Und die Forderungen nach einer Verschรคrfung des Asylrechts bezeichnete er als โWahlkampfparolenโ.
Aber Duligs Worte klangen am Samstag, 3. Oktober, beim Festakt zu 25 Jahre Deutsche Einheit im Sรคchsischen Landtag dann schon sehr seltsam. โZugleich stehe das Land vor schweren Entscheidungen โ gerade was die Sicherung der Grenzen betreffeโ, zitiert ihn der MDR. โEs sei hart, das auszusprechen, aber die Flรผchtlingswelle mรผsse eingedรคmmt und zeitweise gestoppt werden. Anderenfalls stรผnden die Leistungsfรคhigkeit des Staates, die Zukunft Europas und die Stabilitรคt der Demokratie auf dem Spiel.โ
Und das klingt nun schon genauso, wie man es von den konservativen Kraftmeiern aus CDU und CSU kennt, die sich nun seit Wochen darin รผbertrumpfen, immer hรคrteres Vorgehen gegen die Flรผchtlinge zu fordern und die Grenzen zu sichern.
Aber diese Kraftmeierei, die so vรถllig an den Realitรคten vorbeigeht, kommt beim Nachwuchs der sรคchsischen SPD ganz schlecht an.
โDie รuรerungen Duligs sind absolut unhaltbar. Das Reden von โFlรผchtlingswellenโ, die gestoppt werden mรผssten, schรผrt รngste und ist Wasser auf die Mรผhlen der Rassistinnen und Rassisten in Sachsenโ, reagierte noch am Samstag Katharina Schenk, Landesvorsitzende der Jusos Sachsen. โDen Menschen, die flรผchten mussten und nichts mehr haben, hilft man nicht indem man ihre ohnehin unsichere und gefรคhrliche Situation verschรคrft. Das fรคllt in seiner Betrachtung vรถllig hinten runter. Es ist mehr als zynisch, gerade in einer Festtagsrede am Tag der Deutschen Einheit รผber Flรผchtlingswellen und Grenzsicherung zu sprechen.โ
Oder es zeugt davon, wie sehr die sรคchsische CDU-Spitze ihre Panik mittlerweile auch den Koalitionspartner spรผren lรคsst, der es in den Koalitionsverhandlungen 2014 schlicht versรคumt hat, die wichtige Schlรผsselposition des Innenministers fรผr sich zu fordern und all das zu korrigieren, was in der sรคchsischen Asyl- und Wohnungspolitik seit Jahren falsch lรคuft.
Dass die fรผr das organisatorische Debakel Verantwortlichen jetzt auf einmal ins Barmen geraten und eine Rรผckschickung der Flรผchtlinge an die EU-Auรengrenze fordern, ist peinlich genug. Aber unรผbersehbar ist das Fordern und Sichรผberbieten geradezu Wasser auf die Mรผhlen der Rassisten und Chauvinisten im Land. Bei der AfD reibt man sich seit der letzten Meinungsumfrage die Hรคnde, denn mit ihrer Hardliner-Politik, der jegliche belastbare Basis fehlt, bestรคtigt Sachsens CDU die schlimmsten Ressentiments der ganz Rechten.
Und Duligs รuรerungen verรคrgern die Jusos gewaltig, die von ihrer Parteispitze eine vรถllig andere Politik erwarten.
Und es ist ja nicht so, dass die sรคchsische SPD dazu keine Beschlรผsse und Haltungen hรคtte. Just am 3. Oktober รคuรerte sich auch Dirk Panter, der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Sรคchsischen Landtag, zum Thema.
โDie vergangenen 25 Jahre haben gezeigt, welches Potenzial und wie viel Tatkraft in uns Deutschen stecktโ, erklรคrte er aus Anlass des Tages der Deutschen Einheit. โOstdeutschland hat seit der friedlichen Revolution eine enorme Entwicklung genommen. Und es hat dabei auch sehr viel Solidaritรคt erfahren. Ohne diese Solidaritรคt wรคre die groรe Aufbauleistung in den neuen Lรคndern โ auch bei uns in Sachsen โ kaum mรถglich gewesen. Darauf sollten wir uns besinnen, wenn jetzt Anstand und Mitgefรผhl gefragt sind.โ
Und das darf man wohl eigentlich fรผr die Fraktionsmeinung nehmen. Und das unterscheidet sich schon sehr von der Festtagsrede Duligs.
โDer Umgang mit den wachsenden Flรผchtlingszahlen ist unsere grรถรte Herausforderung seit der Wiedervereinigung. Trotz aller Probleme, die dabei noch zu lรถsen sind: Ich wรผnsche mir, dass wir uns auf unsere Potenziale, aber auch unsere Menschlichkeit besinnen und den vor uns liegenden Kraftakt gemeinsam bewรคltigenโ, sagte Panter. โDie schnelle Versorgung und anschlieรende Integration der Menschen, die sich aus Krisengebieten zu uns flรผchten, ist eine groรe und langfristige Aufgabe.โ
Das ist die Arbeitsaufgabe, nicht das hilflose Geschrei nach Sicherung der Grenzen.
Und so sieht es auch Katharina Schenk: โDie Aussagen spiegeln nicht das wider, was wir Jusos als groรer Teil der Partei als Konsens empfinden. Hier sollen durch Reden ganz neue Fakten geschaffen werden, die kontrรคr zu unseren Beschlรผssen und vor allem unserem Menschenbild stehen. Das ist ganz schlechter Stil.โ
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Es gibt 3 Kommentare
So ist es.
Angst ist nur dann ein Thema, wenn diese krankhaft ist. Also beispielsweise Flugangst, Hรถhenangst, generalisierte Angst u.sw. In der Zwischenzeit meist erfolgreich behandelbar.
@ Klaus
Die Angst vor der Angst war schon immer ein beliebtes Mittel der Wahl. Ob die Angst vor den Komunisten, den Juden, den Negern, den Ossis, den Auslรคndern โ immer wieder und รผberall diese Angst vor der Angst.
Angst steckt an.
Weshalb auch hier wieder das Wort Angst? Ich kann das nicht nachvollziehen.
Darf denn hier keiner mehr denken, sprechen und handeln? Es gibt nun einmal nicht die Wahrheit! Jede Privatperson, jedes Unternehmen, jeder/jede/jedesโฆ.mรผssen sich auf die jeweilige Situation einstellen und entsprechende Schlussfolgerungen ziehen. Das ist oftmals schmerzlich โ sehr schmerzlich. Bei der gegenwรคrtigen Asylpolitik ist das doch nicht anders!