Am Donnerstag, 25. Juni, machten sie ernst. Die antifaschistische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Kerstin Köditz, und der Rechtsanwalt André Schollbach, der selbst Landtagsabgeordneter ist, luden zum Pressegespräch. Jetzt wird der auskunftsunfreudige sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) Thema für den Verfassungsgerichtshof. Ein Minister kann nicht wirklich entscheiden, was er Abgeordneten nun an Informationen gibt und was nicht.

Doch ein Parlament ist eben nicht nur dazu da, die Entscheidungen der Regierung zu beklatschen und abzunicken – oder auch dagegen zu stimmen, wenn man Opposition ist.

Die Opposition ist genauso Teil der gewählten Legislative wie die Regierungsparteien. Das scheint selbst vielen Wählern nicht klar zu sein. Zu deutsch heißt Legislative schlicht “gesetzgebende Gewalt”. Das sind die vom Volk gewählten Vertreter, die berechtigt sind, Gesetze zu verfassen, zu erlassen, zu kassieren oder zu korrigieren – und die Opposition hat dabei dieselben Rechte wie die Regierungstruppe. Einziger Unterschied: Die Parteien in der Opposition haben nicht die Mehrheit und damit auch keinen Direktzugriff auf die Macht.

Ihr wichtigstes Mittel, die Macht zu kontrollieren, sind Anhörungen und Anfragen. Und die Anfragen müssen von der Regierung vollumfänglich und den Tatsachen und Vorgängen entsprechend beantwortet werden. Und wenn die Regierung bestimmte Fragen nicht beantworten kann oder darf, dann muss sie das begründen können. Hier geht es nicht um “will” oder “keine Lust”. Das gilt auch für den Innenminister, der zu Beginn des Jahres keine gute Figur abgab, als er unbedingt Hintergrundgespräche mit den Dresdner Pegida-Organisatoren abhalten musste. Zu denen die Linksfraktion natürlich auch einige Fragen hatte.

Dass Markus Ulbigs Auskünfte dazu dann mehr als mager waren, regte besonders Kerstin Köditz, antifaschistische Sprecherin ihrer Fraktion, auf. Die Pegida-Auskünfte waren ja nicht der einzige Vorgang, bei dem sich der Innenminister schmallippig gab. Kerstin Köditz hatte zu Beginn des Jahres 2015 je eine Kleine Anfrage zu den Themen „Rechte Konzerte in Sachsen im Jahr 2014“ sowie „Strukturen der extremen Rechten in Sachsen 2014“ gestellt. Von Innenminister Markus Ulbig (CDU) erhielt sie indes keine ordnungsgemäße Antwort auf diese Kleinen Anfragen. Vielmehr teilte der Innenminister lapidar mit, der später erscheinende Verfassungsschutzbericht 2014 werde „die in der Kleinen Anfrage aufgeführten Themen und Sachverhalte umfassen“

Immer wieder verletze die Sächsische Staatsregierung Oppositionsabgeordnete in ihren verfassungsmäßigen Rechten und behindere diese in der Ausübung ihrer parlamentarischen Kontrollfunktion, kommentiert die Linksfraktion den Vorgang.

Durch den Verfassungsgerichtshof (VGH) soll nun festgestellt werden, dass Kerstin Köditz von der Sächsischen Staatsregierung durch die unvollständige Beantwortung bzw. die Antwortverweigerung auf zwei Kleine Anfragen in ihren verfassungsmäßigen Rechten aus Art. 51 Abs. 1 Satz 1 der sächsischen Verfassung verletzt worden ist.

Kerstin Köditz hat den Dresdner Rechtsanwalt und Fraktionskollegen André Schollbach mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt. Der Jurist hat im Namen von Köditz beim Verfassungsgerichtshof (VGH) in Leipzig zwei Organstreitanträge gegen die Sächsische Staatsregierung eingereicht.

Mit seinen mageren Auskünften zu “Rechte Konzerte in Sachsen im Jahr 2014“ sowie „Strukturen der extremen Rechten in Sachsen 2014“ missachte Markus Ulbig den Artikel 51 Abs.1 der Sächsischen Verfassung, so die Ausgangslage. Danach sind Fragen einzelner Abgeordneter oder parlamentarische Anfragen durch die Staatsregierung oder ihre Mitglieder im Landtag und in seinen Ausschüssen nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten.

Der VGH betont in ständiger Rechtsprechung die Pflicht der Sächsischen Staatsregierung, Kleine Anfragen von Mitgliedern des Landtags nach bestem Wissen unverzüglich und vollständig zu beantworten. Das Fragerecht des Abgeordneten diene dazu, den Mitgliedern des Parlaments jene Informationen zu verschaffen, die sie zu ihrer Arbeit, insbesondere zu einer wirksamen Kontrolle der Regierung und Verwaltung, benötigen.

“Ich werde es nicht hinnehmen, dass die Staatsregierung meine Auskunftsrechte als Abgeordnete beschneidet”, erklärt Kerstin Köditz. “Die Fragen, die nicht beantwortet worden sind, zielen auf Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen. Nach allem, was wir mit dieser Behörde schon erlebt haben, ist die Auskunftsverweigerung einfach nur skandalös. Besonders unverschämt ist es, mich auf den Verfassungsschutzbericht zu vertrösten – denn da steht, wie jeder weiß, längst nicht alles Wichtige drin.“

Und André Schollbach: „Es obliegt nicht dem Gutdünken der Staatsregierung, zu welchem Zeitpunkt sie dem eine Kleine Anfrage stellenden Abgeordneten bestimmte Informationen zur Verfügung stellen will. Denn der Abgeordnete hat einen sich aus der Sächsischen Verfassung ergebenden Rechtsanspruch darauf, dass seine Anfragen unverzüglich und vollständig beantwortet werden. Die Achtung vor den Rechten der Opposition ist eine elementare Voraussetzung für das Funktionieren der Demokratie. Nur wenn die Rechte der Opposition gewahrt werden, kann sie die Regierung effektiv kontrollieren.“

Antwort von Innenminister Ulbig auf die Kleine Anfrage von Kerstin Köditz zum Thema „Rechte Konzerte in Sachsen im Jahr 2014“.

Antwort von Innenminister Ulbig auf die Kleine Anfrage von Kerstin Köditz zum Thema „Strukturen der extremen Rechten in Sachsen 2014“.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar