Im Sächsischen Landtag wurde am Mittwoch, 9. Juli, der Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses zu Neonazistische Terrornetzwerke in Sachsen debattiert. Dessen Aufgabe war, mögliche Versäumnisse und etwaiges Fehlverhalten staatlicher und kommunaler Behörden des Freistaates Sachsen beim Umgang mit der als "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) bezeichneten neonazistischen Terrorgruppe zu untersuchen.

Dabei sollten zudem die mit der Terrorgruppe möglicherweise verbundenen Netzwerke sowie deren mögliche zurechenbare Straftaten untersucht werden. Aber dass es überhaupt etwas zu untersuchen gäbe, das bezweifelte die CDU schon 2012, als der Ausschuss nach langem Hin und Her eingesetzt wurde. Und zwei Jahre drauf kann Christian Hartmann, Obmann der CDU-Landtagsfraktion, noch immer nichts entdecken, was rügenswert wäre.

“Wir sind der Ansicht, dass an der Sicherheitsstruktur im Freistaat Sachsen keine grundsätzlichen Änderungen erforderlich sind. Es gibt genaue Aufgabenzuteilungen und Aufgabenabgrenzungen innerhalb der sächsischen Behörden. Sicherlich sind die Kommunikationsstrukturen in und zwischen den Behörden zu verbessern”, sagt er und erwähnt so nebenbei eines der Grundprobleme in sächsischen Behörden, die nur ungern miteinander reden, noch viel weniger gern reden sie mit Behörden benachbarter Bundesländer. Ein Kommunikationsloch, in dem Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe geradezu verschwunden sind 13 Jahre lang.

“Es steht aus der Sicht des Untersuchungsausschusses zweifellos fest, dass von Seiten der sächsischen Behörden keine Unterstützungsleistungen zugunsten des NSU-Trios erfolgt sind”, meint Hartmann. “Wir haben uns ein umfängliches Bild von der Zusammenarbeit zwischen dem Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen und dem Landeskriminalamt Sachsen gemacht.” Wer jetzt denkt: Da hat er wohl nichts bemerkt, der sieht sich getäuscht. Hartmann hat sehr wohl etwas bemerkt, findet es nur nicht so schlimm: “Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass alle Beteiligten nicht immer mit der notwendigen Gewissenhaftigkeit dem gegenseitigen Informationsaustausch nachgekommen sind. Es ist Aufgabe der beteiligten Behörden, die aufgetretenen Schwachstellen abzustellen. Die Zeugenaussagen vor dem dritten Untersuchungsausschuss des Sächsischen Landtages haben allerdings auch ergeben, dass eine größere Eigeninitiative bei der Beschaffung von Informationen durch Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Sachsen durchaus im Bereich des Möglichen gewesen wäre.”

Aus CDU-Sicht ein sehr deutliches Urteil über das Versagen der beteiligten Behörden. Nur geht es in der Verbrechensbekämpfung eben nicht um Fleiß-Bienchen, sondern um klare, funktionierende Strukturen. Aber da verlässt sich die sächsische CDU ganz gern auf die Eigeninitiative der Behörden. Christian Hartmann: “Die vom Sächsischen Innenministerium angekündigten umfassenden Maßnahmen zur Verbesserung der Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz und der Polizeibehörden sind zum großen Teil bereits umgesetzt. Diese 14 Maßnahmen erscheinen geeignet, die Gefahren extremistischer, besonders rechtsextremistischer Taten zukünftig zu minimieren.”

Und selbst den größten Bock, den die sächsische Regierung geschossen hat, erwähnt Hartmann: “Ich möchte darauf hinweisen, dass bereits frühzeitig im Freistaat Sachsen eine Sonderkommission ‘Rechtsextremismus’ eingerichtet wurde. Dem Kampf gegen Rechts wurde zu Recht von Seiten der Staatsregierung eine wichtige Rolle eingeräumt. Die Aufgabe der Soko ?Rex? und deren Bewältigung wurden zu keiner Zeit aus den Augen verloren und deren Lösung mit der erforderlichen Sorgfalt vorangetrieben.”
Dumm nur, dass die “Soko Rex” gerade in dem Moment aufgelöst wurde, als die drei Thüringer Terroristen des “NSU” in Sachsen untertauchten. Erst 2012 wurde eine vergleichbare Einrichtung mit dem “Operativen Abwehrzentrum” neu geschaffen. Also alles wieder gut, findet die CDU.

“Die Regierungsfraktionen werden sich nicht dem möglichen Begehren der Opposition verschließen, uns in der kommenden Legislaturperiode erneut mit dem Fallkomplex ?NSU? zu beschäftigen”, erklärt Hartmann. “Dieses Vorgehen stellt unsererseits kein Misstrauen gegenüber der staatlichen Verwaltung dar, sondern es ist der Respekt gegenüber den Rechten der Opposition, mit Hilfe eines weiteren Untersuchungsausschusses, die aus ihrer Sicht noch offenen Fragen zu klären.”

Mit ihrem Minderheitenvotum hatten SPD, Linke und Grüne schon klar gemacht, dass sie die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses anders sehen und dass sie die Einsetzung eines neuen Ausschusses nach der Landtagswahl wollen.

“Die demokratischen Oppositionsfraktionen Linke, SPD und Grüne streben eine Fortsetzung des Untersuchungsausschusses in der kommenden Legislaturperiode an”, stellt denn auch Kerstin Köditz, Obfrau der Linksfraktion im Untersuchungsausschuss, fest. “Wir stimmen in der Ansicht überein, dass der Einsetzungsauftrag noch längst nicht erfüllt ist. Wir stellen mit Bedauern fest, dass die Bereitschaft der Vertreter der Regierungsfraktionen zu einer aktiven Mitarbeit an der Aufklärung von Versäumnissen von Behörden im Freistaat Sachsen am NSU-Komplex nicht sonderlich ausgeprägt war. Wir gehen dagegen davon aus, dass wir es den Opfern und ihren Hinterbliebenen schuldig sind, alles uns mögliche zur Aufklärung zu unternehmen.”

“Die Ergebnisse der Ausschussarbeit können unter diesem Gesichtspunkt natürlich nicht befriedigen”, sagt Köditz. “Gleichwohl lässt sich bereits heute feststellen, dass sächsische Behörden ein gerüttelt Maß an Verantwortung daran trifft, dass der NSU zwölf Jahre in Sachsen unbehelligt leben und von hier aus seine Terrorserie starten konnte. Ein wesentliches Ergebnis besteht für uns in der Erkenntnis, dass der Hauptteil der Verantwortung beim Landesamt für Verfassungsschutz liegt. Es war und ist ein Fremdkörper in der Demokratie. Wir fordern deshalb seine Auflösung.”

Und dass die Behörden lernfähig seien und den Strukturwandel aus eigener Kraft vornehmen würden, hält sie für ein Märchen. Köditz: “Für uns ist es nicht hinnehmbar, dass CDU und FDP erklären, alle notwendigen Konsequenzen seien bereits getroffen worden und man könne einfach wieder zur Tagesordnung übergehen. Das Problem hinter dem NSU heißt Rassismus. Von wirklichen Konsequenzen aus dem NSU-Debakel kann man erst dann sprechen, wenn wirksame Programme gegen Rassismus in Gesellschaft und Staat aufgelegt und umgesetzt werden.”

Entschließungsantrag von Linken, SPD und Grünen zum Abschlussbericht sowie zu abweichenden Berichten: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=14798&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=201

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