Bei der parlamentarischen Aufarbeitung des NSU-Komplexes bahnt sich der nächste Skandal an. Zwei Berliner LKA-Beamten sollen versucht haben, einen wichtigen Zeugen einzuschüchtern. Der Thüringer Nick G., der nach eigenen Angaben nicht mehr der rechten Szene angehört, hielt sich nicht nur im NSU-Umfeld auf. Der Mann war zum Zeitpunkt des Abtauchen des Trios als angeworbener V-Mann für die Hauptstadt-Ermittler aktiv.

Gegenüber dem sächsischen NSU-Untersuchungsausschuss äußerte ein beteiligter Polizist dagegen wohl wahrheitswidrig, nicht mit G. befasst gewesen zu sein.

Man stelle sich vor, man wäre demokratisch in den Sächsischen Landtag gewählt worden. Die eigene Fraktion hat einen in den NSU-Untersuchungsausschuss entsandt. Dort sollte man mithelfen die Verstrickungen von Behörden ins Umfeld des rechtsterroristischen “Nationalsozialistischen Untergrunds” aufzuklären. Führende Behördenvertreter, allen voran diverse Minister, ja sogar die Bundeskanzlerin, haben im Vorfeld allen Wählern bedingungslose Aufklärung zugesagt. Der Ausschuss lädt also Zeugen aus den beteiligten Behörden in den Landtag. Diese sind von Gesetzes wegen zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet – und flunkern die Ausschussmitglieder dennoch ständig an.

Vor diesem Hintergrund ist der Zorn der Linken-Abgeordneten Kerstin Köditz nur allzu verständlich. Die Politikerin erregt sich in einer am Dienstag, 28. Januar verbreiteten Pressemitteilung über das Aussageverhalten des Berliner LKA-Beamten Michael T.. Stein des Anstoßes sind Enthüllungen über dessen V-Mann Nick G.. Der einst militante Neonazi aus Thüringen soll im Auftrag des Berliner Landeskriminalamts gespitzelt haben. Dabei kam er den Rechtsterroristen offenbar weit näher, als bisher angenommen.

Der aktuelle Verdacht: Die Hauptstädter hätten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe möglicherweise schon kurze Zeit nach deren Abtauchen festnehmen können. Wenn Strafverfolgungsbehörden Kriminelle sehendes Augen laufen lassen, ist das naturgemäß imageschädigend. G., der 2003 angeblich aus der rechten Szene ausstieg und seine Erfahrungen in Büchern verarbeitete, gab nun dem für allerlei Verschwörungstheorien offenen “Compact”-Magazin von Jürgen Elsässer ein Video-Interview.

In dem Film behauptet G., er sei am 31. Oktober von zwei Berliner LKA-Beamten in Thüringen besucht worden. In dem Gespräch sei ihm nahe gelegt worden, nicht in einem Untersuchungsausschuss zu dem umtriebigen V-Mann Carsten S. alias “Piatto” auszusagen.

Die beiden Besucher hätten ihm zugesichert, die Akten mit Verweisen zu “Piatto” oder zu ihm selbst “so gut es ging” geschwärzt zu haben. “Die Botschaft war: Es liegt ein Bedrohungsszenario vor in Verbindung mit meinen Aussagen, die ich damals über Piatto gemacht habe. Und ich soll meine Schnauze halten, denn sonst könnt’s schon sein, dass jemand um mein Haus schleicht oder an meinem Gefährt was manipuliert” ,so G. nun im Rahmen des Films.

Das fragliche Treffen von Beamten des LKA und Nick G. soll am 31. Oktober 2013 stattgefunden haben. Genau eine Woche zuvor waren im sächsischen Untersuchungsausschuss zwei Berliner LKA-Beamte vernommen worden. Sie hatten dort angegeben, nicht über den NSU-Unterstützer Thomas S. und seine Rolle als Spitzel ihrer Behörde informiert zu sein”, berichtet Köditz. “Immerhin wurde in der Vernehmung deutlich, dass das LKA Berlin damals weitere V-Personen in der sächsischen Neonazi-Szene führte.”

Die Abgeordnete teilt nun mit, ihr würden aktuell Informationen vorliegen, aus denen hervorgehe, dass Michael T. im Jahr 2000 trotz gegenteiliger Aussagen nicht nur mit Thomas S. befasst war, sondern auch mit dem fraglichen Nick G.. “Der Vorgang ist brisant, denn beide V-Leute standen in enger Verbindung zu Carsten S., der als V-Mann ‘Piatto’ dem NSU Waffen besorgen sollte”, findet Köditz. “Ich begrüße es daher, dass Ende März neben weiteren Berliner LKA-Mitarbeitern erneut der Beamte Michael T. vor dem sächsischen NSU-Ausschuss aussagen muss. Ich möchte dann auch wissen, ob es solche ‘Besuche’ womöglich auch bei Thomas S. und den weiteren sächsischen Nazi-Spitzeln gab, die einst vom LKA Berlin geführt wurden.”

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