Die sächsische Landesregierung plant mit ihrem Entwurf zum sogenannten Wiederaufbaubegleitgesetz den Flächennaturschutz - vom Naturschutzgebiet bis zum gesetzlich geschützten Biotop - bei der Unterhaltung und dem Bau von Hochwasserschutzanlagen abzuschaffen. Ziel sei einzig und allein die Beschleunigung der Planungsverfahren.
Dieser Plan stößt bei den Naturschutzverwaltungen, Bürgern und den staatlich anerkannten Naturschutzverbänden auf Unverständnis und Ablehnung. Der Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e.V. setzt sich als staatlich anerkannter Naturschutzverein seit Jahren für einen ökologischen und sinnvollen Hochwasserschutz ein.
Holger Seidemann, Vorstandsmitglied des Ökolöwen, analysiert den vorgelegten Entwurf der Landesregierung so: “Zukünftig soll nach dem Willen der Staatsregierung bei Deichbaumaßnahmen der Naturschutz keine Rolle mehr spielen. Baumlose und zubetonierte Flussauen werden damit in Sachsen die Regel sein. Selbst Ausgleichsmaßnahmen müssen durch die Landestalsperrenverwaltungen nur noch eingeschränkt erbracht werden.”
Und das in einer Situation, in der der Großteil der 1,5 Milliarden Euro, die Sachsen seit 2002 für den Hochwasserschutz ausgegeben hatte, sowieso schon in die reine Ertüchtigung und den Neubau von technischen Anlagen geflossen ist. Teilweise mit sehr rudimentärer Beteiligung der Umweltverbände, teilweise auch mit völlig falschen Schuldzuweisungen, wie beim “Jahrhunderthochwasser” 2013 in Leipzig geschehen. Umweltverbände werden von den Planern und Steuergeldausgebern gern als Störenfriede behandelt. Mit den Änderungen im Wiederaufbaubegleitgesetz soll die fachliche Anfrage an die Umweltverbände praktisch völlig ausgehebelt werden.”Das geplante Gesetz ist schlicht unnötig und gefährlich für den Naturschutz”, sagt Seidemann. “Schon heute könnten von allen Naturschutzauflagen und für gesetzlich geschützte Biotope Ausnahmen erlangt werden, wenn die Notwendigkeit der geplanten Hochwasserschutzmaßnahme tatsächlich gegeben ist.” Aber meist ist sie das nicht. Meist stünden echte Abwägungsprozesse auf der Tagesordnung – zwischen technischen Schutzsystemen, nachhaltigen Präventionsmaßnahmen, Naturschutz und Landes- und kommunalen Gewässerentwicklungsplänen. Das gehört in der Regel in eine öffentliche Diskussion.
Aber mit dem neuen Gesetz bekommen Behörden erst recht freie Hand – auch in der Informationspolitik. Ihr Ämterwissen steht dann unhinterfragt im Raum.
“Wer die Genehmigungsverfahren zum Hochwasserschutz beschleunigen will, muss die Naturschutzverwaltungen personell und materiell besser ausstatten”, fordert Seidemann. “Die wenigen Mitarbeiter in den Naturschutzbehörden sehen sich einem in den letzten Jahren extrem angewachsenen Mitarbeiterstab in der Hochwasserverwaltung und damit einem gigantischen Papierberg gegenüber.”
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So auch in Leipzig. Das Ergebnis ist ein verschämtes Einknicken bei jeder Anfrage aus der Landestalsperrenverwaltung. Und eine völlig blockierte Diskussion der Leipziger Hochwasserpolitik. Und – auch das nicht zu vergessen – ein Umlenken der so dringend für den integrierten Hochwasserschutz in Leipzig benötigten Gelder in völlig überflüssige, aber Millionen Euro teure technische Bauten.
Als Politikwissenschaftler beschäftigt sich Ökolöwe-Vorstandsmitglied Holger Seidemann seit Längerem auch mit der sächsischen Verwaltungsstruktur und dem Landeshaushalt. Zudem führte er informelle Gespräche mit Behördenmitarbeitern. Er fasst das Dilemma in Sachsen folgendermaßen zusammen: “Hinter vorgehaltener Hand wird in den Behörden von einem dreistelligen Millionenbetrag gemunkelt, der als Ausgaberest im sächsischen Landeshaushalt für technischen Hochwasserschutz reserviert ist und durch die Unausgewogenheit der sächsischen Verwaltungsstruktur nicht schnell genug ausgegeben werden kann. Die inoffizielle Formel der Staatsregierung heißt also: Wir opfern die Natur für den selbstverschuldeten Fördermittelstau und schieben dem Naturschutz kurz vor den Wahlen die Schuld in die Schuhe.”
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