Die Gefahr ist einigen Politikern in Sachsen durchaus bewusst: In den letzten Jahren ist Agrarfläche zunehmend auch zum Investitionsobjekt für große Finanzgesellschaften geworden. Sie können höhere Preise bieten. Dass Ackerboden zum Interessenobjekt der Spekulanten wurde, hat auch mit der teilweise desaströsen Energiepolitik zu tun.
Der Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften benennt die Problemlage so: “Die Kaufwerte für landwirtschaftliche Grundstücke sind in Deutschland seit 2007 im Durchschnitt um über 25 Prozent gestiegen. In den ostdeutschen Ländern belaufen sich die Preissteigerungen in diesem Zeitraum auf über 85 Prozent, in den westlichen Bundesländern auf rund 13 Prozent. Die in einer Bestandsaufnahme identifizierten Ursachen liegen zum einen in veränderten globalen Rahmenbedingungen, wie einer steigenden Nachfrage nach Nahrungsmitteln, steigenden Energiepreisen, sowie der Suche nach nachhaltigen und vor allem sicheren Kapitalanlagemöglichkeiten infolge der Finanzmarktkrise. Zum anderen tragen insbesondere deutsche Besonderheiten bzw. Sondereinflüsse zu den kräftigen Boden- und Pachtpreissteigerungen bei, so die Anreizwirkungen des Erneuerbare-Energien-Gesetz, die aktuelle Flächenprivatisierungsstrategie des Bundes in den Ostdeutschen Bundesländern und auch der nahezu ungebrochene außerlandwirtschaftliche Flächenbedarf.”
Letzteres das große Thema Flächenverlust, der in Sachsen noch lange nicht beendet ist. Agrarflächen werden nach wie vor zu Bauland umgewidmet, verschwinden unter Straßenneubauprojekten – gerade die so gern diskutierten Ortsumgehungen fressen jedes Mal wertvollen Ackerboden. Manchmal werden die Flächen auch als Ersatzfläche für Waldanpflanzungen genutzt, weil anderswo Wald für Straßen- oder Tagebau weichen muss. Versuche, mit einem Flächenmanagement gegenzusteuern, sind eher zaghaft und hilflos. Was wirklich fehlt, ist überhaupt ein Verständnis für nachhaltigen Erhalt wertvoller Ackerflächen.
Die Linksfraktion hat nun versucht, ein “Agrarstrukturverbesserungsgesetz” im Sächsischen Landtag bis zur Abstimmungsreife zu bringen. Doch es ist – wie so oft – ein solitärer Vorschlag. Am Freitag, 22. März, gab es dazu die Sachverständigenanhörung im Landtagsausschusses für Umwelt und Landwirtschaft.
“Bei der heutigen Anhörung wurde deutlich, dass eine Aktualisierung und Anpassung des Grundstückverkehrsrechtes an aktuelle Entwicklungen erforderlich ist. Boden ist ein öffentliches Gut mit besonderer Sozialrelevanz und wichtige, nicht beliebig vermehrbare Produktionsgrundlage für die heimische Landwirtschaft. Deshalb muss Politik auf zunehmende marktliberale Tendenzen und einen Anstieg der Bodenpreise auf dem Grundstücksmarkt reagieren, indem die Rechtslage an aktuelle Herausforderungen angepasst wird. Um hier eine Verbesserung zu erreichen, haben wir einen Gesetzentwurf für ein Agrarstrukturverbesserungsgesetz vorgelegt”, erläutert Kathrin Kagelmann, agrarpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, den Vorstoß.Aber was sofort sichtbar wurde, war: Noch weniger als bei der Energiepolitik sprechen die Bundesländer bei der Agrarwirtschaft eine Sprache. Jeder wurstelt für sich hin, vielerorts scheint man den Wert einer funktionierenden Landwirtschaft nicht einmal politisch wahrzunehmen. Und da es vor allem ostdeutsche Bundesländer sind, die derzeit von Landaufkäufern bedrängt werden, ist der Wille der westlichen Bundesländer, hier aktiv zu werden, denkbar gering ausgeprägt.
Kagelmann: “Die Sachverständigenanhörung zeigt zudem, dass ein einheitliches Vorgehen der Länder aufgrund unterschiedlicher Interessen nicht absehbar ist. Die bundeseinheitlichen Regelungen reichen jedoch bislang nicht aus, um den befürchteten oder tatsächlichen Auswüchsen etwas entgegenhalten zu können. Die Linke hat in ihrem Gesetzentwurf die Anregungen des Bundesverbandes der Landgesellschaften aufgegriffen und sächsische Regelungen weitergeführt. – Zudem wurde darauf hingewiesen, dass die Stellung der Sächsischen Landsiedlung als Siedlungsunternehmen deutlich aufgewertet werden muss und ihr eine aktivere Rolle zukommen sollte – hier schlägt Die Linke einen Bodenfonds vor, wie ihn andere Bundesländer haben.”
Die Linksfraktion hatte im Haushaltsaufstellungsverfahren gefordert, zunächst eine Summe von jährlich 5 Millionen Euro für einen Bodenfonds einzustellen und diese Zuweisungen an den Fonds zukünftig zu erhöhen und zu verstetigen.
Das aber, so kritisiert Johannes Lichdi, naturschutzpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, sei viel zu wenig.
“Was als Papiertiger beginnt, endet allenfalls als Bettvorleger. Der Vorschlag der Linksfraktion, zur wirksameren Einflussnahme des Freistaates Sachsen auf den land- und forstwirtschaftlichen Grundstücksverkehr einen Bodenfonds einzurichten, ist gut gemeint, wird aber mit einer Ausstattung von gerade einmal fünf Millionen Euro ad absurdum geführt. Bei einem Hektarpreis von bis zu 12.000 Euro könnten damit 417 Hektar gekauft werden. Das wäre nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein und mit Sicherheit kein Beitrag zur Bodenpolitik in Sachsen”, benennt er das Grunddilemma. Mit einer so geringen Summe hat der Freistaat genauso schwache Einflussmöglichkeiten wie die Bauern selbst, wenn sie unter den aktuellen Bedingungen Land kaufen wollen.
Lichdi: “Die Grüne-Landtagsfraktion hat bereits in den Verhandlungen zum Doppelhaushalt 2013/14 gefordert, BVVG-Flächen zu kaufen – und zwar für 35 Millionen Euro pro Jahr. Unser Ziel ist, diese Flächen zur Förderung regional angepasster und ökologisch wirtschaftender Landwirtschaftsbetriebe zu verwenden. Die derzeit gute Haushaltslage würde diese einmalige Investition ermöglichen. Sie könnte sich durch künftige Pachteinnahmen mittelfristig amortisieren. Darüber hinaus würde der Freistaat vom Wertzuwachs der Flächen in den nächsten Jahren profitieren und seinen landwirtschaftspolitischen Gestaltungsspielraum verbessern.”
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Die BVVG ist die bundeseigene Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH, die derzeit massiv versucht, landwirtschaftliche Flächen aus einstigem (DDR-)Staatsbesitz zu verkaufen. Zahlreiche Pachtverträge aus ihrer Anfangszeit laufen derzeit aus. Man ist sich bei der BVVG zumindest bewusst, um welches Problemfeld es geht. In den Grundsätzen der BVVG heißt es im Kapitel “Privatisierungen”: “Sie berücksichtigt zudem die Interessen derjenigen Betriebe, denen eine Sicherung der Produktionsgrundlage durch Kauf noch nicht möglich ist, weil sie nicht über ausreichend liquide Mittel verfügen. Dies gilt insbesondere für Unternehmen, die in Wertschöpfung und damit Arbeitsplätze im ländlichen Raum investieren. Um auf mittlere Sicht ein hinreichendes Maß an Planungssicherheit zu haben, sind sie stärker auf weitere längerfristige Pacht angewiesen. Deshalb und im Interesse einer geordneten Privatisierung wird ein gewichtiger Teil der voraussichtlich noch für die Privatisierung verfügbaren rd. 354.000 ha landwirtschaftlicher Flächen zunächst auch weiter verpachtet. Insofern wird die BVVG Flächen, deren langfristige Pachtverträge ab 01.01.2010 auslaufen, nur zum Teil bei Auslaufen der Pachtverträge zur Neuvergabe ausschreiben.”
Was trotzdem Spielräume eröffnen könnte, auf Landesebene die Chance zu nutzen, die Fläche ökologisch bearbeiteter Böden konsequent auszubauen. Aber das muss – wie Lichdi meint – wesentlich mutiger passieren als in der Gesetzes-Variante der Linken.
Die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH: www.bvvg.de
Das Gutachten der Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften (Kurzform): www.blg-berlin.de/Kurzfassung_gutachten.pdf
Die Sächsische Landsiedlung GmbH: www.sls-net.de
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