Eine Woche hat sich das sächsische Finanzministerium noch Zeit gelassen, nachdem die bundesweite Steuerschätzung bekannt gegeben wurde. Am Dienstag, 15. Mai, gab Staatsminister Prof. Dr. Georg Unland in Dresden die für Sachsen regionalisierten Ergebnisse der Mai-Steuerschätzung dem Kabinett und der Öffentlichkeit bekannt. Und es kam wie erwartet: Die Prognosen, die dem Doppelhaushalt 2011/2012 zu Grunde lagen, waren Käse.
So sagt es Unland nicht. Er hat sich ja schon im Herbst korrigiert. Ganz so, als hätte er nie geahnt, dass es so kommen würde. “Für 2012 kann ich die Prognose aus dem Herbst des vergangenen Jahres bestätigen”, sagt er nun. “Der Freistaat wird das Niveau der Steuereinnahmen von 2008 voraussichtlich zum ersten Mal wieder übertreffen.” Klartext: Im laufenden Jahr werden derzeit Einnahmen von 11.186 Millionen Euro erwartet.
Das ganze Horrorszenario, das Unland vor den Beratungen zum Doppelhaushalt an die Wand gemalt hatte, ist hinfällig. Auch für die nächsten Jahre haben sich die Vorhersagen für das Steueraufkommen im Vergleich zur November-Steuerschätzung 2011 deutlich verbessert: Zwischen 2013 und 2016 sollen für den Staatshaushalt Steuermehreinnahmen in Höhe von 450 bis 500 Millionen Euro jährlich zur Verfügung stehen.
“Die absehbare Entwicklung ist nach den schwachen Jahren 2009 und 2010 natürlich erfreulich für den Freistaat Sachsen. Allerdings muss ich auch umgehend auf die Euphoriebremse treten”, fügte der Finanzminister hinzu. “Ein Grund sind die derzeit bestehenden Herausforderungen für alle öffentlichen Haushalte – ein anderer, dass wir die erwarteten Einnahmen natürlich noch längst nicht in der Kasse haben. Hingegen steht der starke Rückgang der Transferleistungen bereits fest. Allein die Mittel aus dem Solidarpakt sinken um rund 200 Millionen Euro pro Jahr.”
Gekürzt wurden die Jahreshaushalte aber um 1,2 bis 1,3 Milliarden Euro. Und das, obwohl die Rücklagen für den “Generationenfonds” und die Bürgschaft für die Ausfälle der Sachsen-LB-Derivate eingepreist waren. Die überzogenen Kürzungen zeigen längst negative Folgen im Schul- und im Hochschulbereich.
Aber irgendwie will Unland auch in den nächsten Jahren Geld erwirtschaften, das er auf die hohe Kante legen kann. Also gibt er auch keine Entwarnung für die anderen Ressorts, obwohl das längst an der Zeit wäre.
Für die Aufstellung des Doppelhaushalts 2013/14 gelte es, die Finanzierung der Pflichtaufgaben trotz rückläufiger Mittel aus dem Solidarpakt und von der EU ohne neue strukturelle Dauerbelastungen zu sichern. “Wir wollen auch weiterhin in die Zukunft des Landes investieren und streben deshalb eine hohe Investitionsquote an. Um dies tatsächlich erreichen zu können, benötigen wir die vorhergesagten Steuereinnahmen unbedingt. Trotzdem bleibt die Aufgabe bestehen, unsere Strukturen laufend zu überprüfen und anzupassen”, so Prof. Unland.
Auch die Kommunen werden an den aktuellen Mehreinnahmen ein bisschen Freude haben.
Das Steueraufkommen der sächsischen Städte und Gemeinden dürfte 2012 bei 2,574 Milliarden Euro und damit rund 34 Millionen Euro höher als noch im November 2011 erwartet, liegen. Auch für die Folgejahre bis 2016 werden demgegenüber Mehreinnahmen für die Kommunen zwischen 77 und 88 Millionen Euro pro Jahr prognostiziert.
“Die Kommunen hatten bereits 2011 das Niveau der Einnahmen von 2008 wieder überschritten und damit deutlich früher als der Freistaat”, meint Unland. “Auch für die Folgejahre ab 2013 werden die jährlichen Zuwachsraten der kommunalen Steuereinnahmen jeweils höher als auf der Landesebene liegen. Zudem profitiert die gesamte kommunale Ebene von den voraussichtlich höheren Steuereinnahmen im Staatshaushalt: Im sächsischen Finanzausgleich bewirkt der Gleichmäßigkeitsgrundsatz zusätzlich höhere Zuweisungen des Freistaates an unsere Landkreise, Städte und Gemeinden. So wird die Haushaltssituation der Kommunen doppelt gestärkt.”Für Marion Junge, kommunalpolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Sächsischen Landtag, bedeuten diese Zahlen eigentlich nur eins: “Die guten Nachrichten geben uns doppelt Recht. Bereits nach der November-Steuerschätzung haben wir eine faire Beteiligung der kommunalen Ebene an den Steuermehreinnahmen eingefordert.”
Einen Abschlag von 100 Millionen an die Kommunen hatte Die Linke gefordert. Zu einer Ausreichung von mageren 21 Millionen Euro konnte sich die CDU/FDP-Koalition im Januar 2012 durchringen. Man spürte deutlich das Spardiktat des Finanzministers, der die Auszahlung der den Kommunen zustehenden Gelder lieber auf 2013 verschoben sehen wollte.
Junge: “Die ausgewiesene Einnahmesituation lässt genug finanziellen Spielraum, um die Nachjustierung der investiven Schlüsselzuweisungen vorzunehmen. Eine sofortige Stärkung des investiven Bereiches ist möglich, wenn dem von der Linken eingebrachte Entwurf eines ‘Gesetzes zur Verdoppelung der Investitionspauschale…’ im Juni-Plenum zugestimmt wird. Bei dieser Abstimmung kann die CDU/FDP-Koalition ihren Erkenntnissen Taten folgen lassen.”
Die Fraktionsvorsitzenden Flath und Zastrow hatten in einer gemeinsamen Pressemitteilung am 11. Mai in den Kommunen einen hohen Investitionsbedarf, insbesondere bei Kindertagesstätten und Schulen diagnostiziert. Junge: “Die Stärkung der kommunalen Investitionskraft kann nicht erst Gegenstand des Doppelhaushaltes 2013/2014 sein, sondern bedarf der sofortigen Umsetzung.”
In der Grünen-Fraktion hofft man sogar schon darauf, dass das Hamster-Spiel des Finanzministers bei solchen Zahlen ein Ende hat. “Ich bin beruhigt, dass sogar CDU-Finanzminister Georg Unland mittlerweile keinen Grund mehr sieht, die 900 Millionen Euro schwere Haushaltsausgleichsrücklage weiter aufzustocken”, meint Antje Hermenau, Fraktionsvorsitzende der Grünen. “Es ist eine gute Nachricht, dass die Staatsregierung wieder Spielräume für politische Gestaltung zu erkennen glaubt und ihren ‘Sparschwein-Fetisch’ nicht bis ins Lächerliche zelebrieren möchte.”
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Aber Misstrauen bleibt. Hermenau: “Jetzt sind wir auf die Vorlage des Haushaltsentwurfs 2013/14 gespannt. Hier wird sich zeigen, ob die Staatsregierung aus ihren Fehlern der Haushaltsaufstellung 2011/12 gelernt hat, wo sie mit unnötiger Härte beim Sozial- und Jugendbereich gekürzt hat. Ich habe da meine Bedenken, wenn ich höre, dass Finanzminister Unland bereits wieder Ausgaben für Investitionen gegen konsumtive Ausgaben ausspielt. – Sozial- und Jugendarbeit können nicht einfach als konsumtiv abgestempelt werden, auch wenn sie, finanztechnisch betrachtet, keine Investitionen sind. Politisch gesehen ist die Sozial- und Jugendarbeit eine Investition in den sozialen Frieden, in den Zusammenhalt unserer Gesellschaft und damit auch in die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit Sachsens.”
Und dann war ja eben gerade noch der traumatische Kampf gegen eine Sparpolitik, die sogar noch Hochschullehrer einsparen und keine neuen Lehrer einstellen wollte. Immer mit der falschen Begründung, damit würde man die Sparpolitik konterkarieren. Hermenau: “Die angekündigten Bildungsinvestitionen in Lehrerschaft und Lehrerausbildung an den Hochschulen, werden wir kritisch prüfen. Weitere Fehlplanungen können wir uns in diesem wichtigen Aufgabenbereich nicht leisten.”
Der Linke-Antrag nach der November-Schätzung: http://edas.landtag.sachsen.de
Die Einigung von CDU und FDP im Januar 2012: http://edas.landtag.sachsen.de
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