Da haben über 8.000 Einwendungen von betroffenen Bürgern und deutlich ablehnende Stellungnahmen der Kommunen nicht gereicht: Am Montag, dem 16. September, gab die Landesdirektion Sachsen bekannt, dass sie den Antrag der Flughafen Leipzig/Halle GmbH auf den Ausbau des Verkehrsflughafens Leipzig/Halle genehmigt hat. Das Vorhaben umfasst die Erweiterung und Umgestaltung des Vorfelds 4 im Südosten der bestehenden Flughafenanlage.
Das Vorfeld 4 umfasst aktuell rund 58 Hektar. Im Rahmen des Projekts soll dieser Vorfeldbereich um 39 Hektar innerhalb des Flughafenareals erweitert werden, um bestehende – aus Sicht des Flughafens – Engpässe zu beseitigen und die Abfertigungskapazitäten an das prognostizierte Sendungsaufkommen bis 2032 anzupassen.
Geplant sind neue Enteisungspositionen, eine Schneedeponie und moderne Entwässerungsanlagen. In der Nähe der Frachtterminals sollen weitere Standplätze für Flugzeuge entstehen. Darüber hinaus werden über neue Rollwege Anschlüsse an das bestehende Start- und Landebahnsystem sowie Hochbauflächen geschaffen. Das Vorhaben umfasst zudem temporär genutzte Flächen für Baustelleneinrichtungen und Bodenlagerungen. Der bislang geschätzte Kostenrahmen beläuft auch auf 500 Millionen Euro. Bei den aktuellen Baupreisen dürfte es aber deutlich mehr werden.
Auflagen des Planfeststellungsbeschlusses
Der Planfeststellungsbeschluss enthält mehrere Auflagen, die im Rahmen des Ausbaus erfüllt werden müssen. Unter anderem sind Grundstücke, die besonders lärmbetroffen sind, auf Wunsch der Eigentümer von der Flughafen Leipzig/Halle GmbH zu übernehmen. Für die Bodenstromversorgung der Flugzeuge auf dem erweiterten Vorfeld sind geräuscharme Aggregate zu verwenden. Darüber hinaus muss die Niederschlagsentwässerung verbessert und die Gewässerverträglichkeit der Ableitung in den Kalten Born sichergestellt werden. Hochwassergefahren für die Ortslage Schkeuditz sollen dadurch gemindert werden. Zudem müssen Eingriffe in Natur- und Landschaft ausgeglichen werden – dazu zählen beispielsweise Schutzmaßnahmen für Zauneidechsen und Kiebitze.
Also das übliche Verschiebeverfahren, bei dem man einfach glaubt, die hier lebenden Tierpopulationen irgendwo anders hin umsiedeln zu können.
Über den Planfeststellungsbeschluss hinaus sei der Anspruch auf bauliche Schallschutzmaßnahmen (Schallschutzfenster) sowie auf Entschädigungen für Beeinträchtigungen im Außenwohnbereich in besonders betroffenen Gebieten um Flughäfen im Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm geregelt, so die Landesdirektion. Es lege fest, dass Flughafenbetreiber die Kosten für Schallschutz übernehmen müssen.
Dabei wurde während des Planfeststellungsverfahrens mehr als deutlich, dass die verwendeten Lärmberechnungen des Flughafens schlichtweg nicht die Realität abbilden. Für viele Kritiker wäre das ein Grund gewesen, den Bauantrag komplett abzulehnen.
Die Landesdirektion betont selbst: „Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens wurden über 8.000 Einwendungen und Stellungnahmen von Bürgerinnen und Bürgern sowie von Trägern öffentlicher Belange durch die LDS geprüft und bewertet. Die Einwendungen betrafen insbesondere Bedenken hinsichtlich des Lärmschutzes, der Auswirkungen auf den globalen Klimaschutz sowie der Notwendigkeit des Ausbaus.“
Genug Gründe, das Bauvorhaben abzubrechen.
Der Planfeststellungsbeschluss werde nun zusammen mit allen zugehörigen Plänen und Unterlagen öffentlich ausgelegt, so die Landesdirektion Sachsen. Die Auslegung wird in allen 20 Städten und Gemeinden des Auslegungsgebietes rechtzeitig vorher bekannt gegeben. Darüber hinaus werden die Bekanntmachung, der Planfeststellungsbeschluss sowie die zugehörigen Unterlagen auf dem Bekanntmachungsportal der LDS und im UVP-Portal des Bundes (www.uvp-portal.de) zur Verfügung gestellt.
Flughafen Leipzig/Halle: Es geht um mehr Stellfläche für mehr Flugzeuge
„Der Planänderungsbeschluss ist zukunftsweisend. Er eröffnet unserem Flughafen, allen Beschäftigten und damit der gesamten Logistik- und Wirtschaftsregion Mitteldeutschland beste Wachstumsperspektiven für die kommenden Jahrzehnte“, begrüßte Götz Ahmelmann, CEO der Mitteldeutschen Flughafen AG am Montag, dem 16. September, die Genehmigung.
Der Flughafen betont den auch selbst, dass es bei der Erweiterung des Vorfelds 4 im südöstlichen Bereich des Flughafens Leipzig/Halle vor allem um mehr Stellfläche für DHL geht, das diesen Bereich für den Betrieb ihres weltweit größten Luftfrachtdrehkreuzes genutzt. „In der Nähe der Frachtterminals sollen weitere Standplätze für Flugzeuge entstehen. Darüber hinaus sind der Bau von zusätzlichen Rollwegen zur Start- und Landebahn Süd sowie die Errichtung von Hochbauten vorgesehen. Das umfasst neben Parkhäusern auch Aufenthalts- und Sanitärräume für das Personal, eine Energiestation sowie Areale für eine Schneedeponie und eine Enteisungsfläche, um mehrere Flugzeuge gleichzeitig für den Start vorbereiten zu können“, beschreibt der Flughafen das Gesamtprojekt.
Das nicht ganz zufällig in dem Moment genehmigt wurde, als der Freistaat Sachsen die Mitteldeutsche Flughafen AG mit einem Finanzzuschuss wieder zahlungsfähig gemacht hat und gleichzeitig der Vertrag mit DHL bis ins Jahr 2053 verlängert wurde.
Das Vorfeld 4 wurde 2007 in Betrieb genommen. Im Jahr 2010 wurde es erstmals erweitert und umfasst aktuell rund 58 Hektar. Das aktuelle Ausbauvorhaben sieht eine nochmalige Erweiterung der Vorfeldfläche um weitere 39 Hektar innerhalb des Flughafenareals vor, das insgesamt rund 1.400 Hektar umfasst.
Der Weg zum Ausbau des Frachtflughafens
Der Öffentlichkeit ist das Ausbauvorhaben erstmals im Oktober 2018 vorgestellt worden. Im Frühjahr 2019 fand die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung in den vom Vorhaben betroffenen Gemeinden statt. In Kabelsketal, Schkopau, Rackwitz, Schkeuditz und Lützschena-Stahmeln informierte der Flughafen gemeinsam mit DHL die Anrainer detailliert und beantwortete Fragen zum Ausbauprojekt, sieht die Mitteldeutsche Flughafen AG auf den Beteiligungsprozess. Die Einreichung des Planänderungsantrages bei der LDS erfolgte im August 2020.
Der Flughafen Leipzig/Halle ist inzwischen der viertgrößte Cargo-Airport in Europa und – nach Frankfurt – die Nummer zwei in Deutschland.
„Das Frachtaufkommen am Flughafen Leipzig/Halle stieg seit 2008 um 215 Prozent auf rund 1,4 Millionen Tonnen im Jahr 2023. Der Großteil des Aufkommens wird über das DHL-Drehkreuz umgeschlagen. Von Januar bis Juli dieses Jahres stieg das Frachtaufkommen gegenüber dem Vorjahr um 2,2 Prozent auf rund 820.000 Tonnen“, begründet der Flughafen die Notwendigkeit des Ausbaus.
Am Flughafen Leipzig/Halle sind aktuell insgesamt rund 13.000 Beschäftigte tätig, davon mehr als 10.000 in den Bereichen Frachtumschlag, Cargo-Airlines sowie Speditionen, Logistik und Lagerung. Das sei ein Zuwachs von über 340 Prozent gegenüber 2008. Die Zahl der Beschäftigten habe sich damit mehr als vervierfacht, so der Flughafen.
Marco Böhme: Diese Entscheidung ist falsch
Zu den politischen Kritikern des Flughafenausbaus gehört Marco Böhme, Sprecher der Linksfraktion für Klimaschutz und Mobilität.
„Diese Entscheidung war absehbar – und sie ist falsch. Sie schadet der ortsansässigen Bevölkerung, die unter noch mehr Lärm leiden wird“, benannte er am Montag die absehbaren Probleme durch den zunehmenden zumeist nächtlichen Frachtflugverkehr.
„Sie schadet dem Klima, weil die Zahl der Flugbewegungen wächst. Sie schadet auch den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern, die Millionenverluste der Mitteldeutsche Flughafen AG ausgleichen, während DHL geringe Gebühren zahlt und viel Geld verdient. Im Logistikkonzern wird man sich heute sehr freuen.“
Dass der Klimaschutz bei der Entscheidung der Landesdirektion augenscheinlich überhaupt keine Rolle spielte, macht er auch an der Unfähigkeit der sächsischen Regierungskoalition fest, sich in den vergangenen fünf Jahren auf ein wirksames Klimaschutzgesetz zu einigen.
„Wenn die Kretschmer-Koalition ein sächsisches Klimaschutzgesetz geschaffen hätte, wäre es der Landesdirektion sehr schwergefallen, den Ausbau zu genehmigen. 8.000 Einwendungen und eine Petition mit 10.000 Unterschriften konnten ihn nicht verhindern“, so Böhme. „Nun wird im Süden Leipzigs ein Kohlekraftwerk aus Klimaschutzgründen stillgelegt und im Norden ein Mega-Flughafen geschaffen.
Das ergibt wenig Sinn. Es gab nie ein ehrliches Dialog- und Mediationsverfahren wie am Flughafen Frankfurt/Main: Dort gab es nach heftigen Auseinandersetzungen um den Ausbau am Ende einen Kompromiss – Ausbau ja, aber zugleich Einführung eines allgemeinen Nachtflugverbots. Der Flughafen Leipzig/Halle jedoch wächst auf Kosten der Anwohnerinnen und Anwohner. DHL entscheidet weiter selbst, was Expressfracht ist und nachts transportiert werden darf. Die politische Verantwortung tragen CDU, Grüne und SPD.“
Die Lärmpegel am Flughafen Leipzig / Halle überschreiten schon jetzt die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation.
„Trotzdem wird die Zahl der Starts und Landungen durch das Ausbauvorhaben bis 2030 um 50 Prozent steigen. Das betrifft 1,5 Millionen Menschen im Raum Halle/Leipzig“, so Marco Böhme. „Es hilft den Leuten vor Ort wenig, dass sie nun Schallschutzfenster bekommen und ihr Grundstück samt Haus an die Flughafen Leipzig/Halle GmbH verkaufen können. Niemand will wegen eines Flughafens seinen Heimatort verlassen oder die Sommernächte hinter geschlossenen Fenstern verbringen.“
Es gibt 4 Kommentare
Die Senkung der Gewerbesteuer für Schkeuditz hilft aber auch vielen kleinen Unternehmen. Das sollte erwähnt werden.
Der Knaller geht ja fast unter:
nachdem Schkeuditz vor ein paar Monden hohen Besuch bekam (MP vor Ort), nun – na sowas – eine Schwimmhalle vom Land finanziert bekommt, senkt es seine Gewerbesteuern und schenkt DHL somit noch mehr Menge Geld, damit die lächerlichen 20% mehr fürs Flughafennutzen gar nicht mehr ins Gewicht fallen. Der jahrelange DHL-Flugdiscount war sicher teurer.
Dass vor allem DHL bei der Alibi-Genehmigung vom Regierungspräsidium, also dem verlängerten Arm des Sächsischen Königshauses, profitiert, fällt überhaupt nicht auf.
Wir zahlen also als Steuerzahler mind. >500Mio Euro für den unsinnigen Ausbau des Interkontinentalflughafens, und obendrein alle Auflagen mit, welche der Flughafen eigentlich erwirtschaften soll.
Ich freue mich auf eine Klage.
Hallo Christof, wer soll denn da klagen? Die linke Hand verklagt etwa die rechte Hand? De nada.
Nach meiner Kenntnis sollte die Landesdirektion die verschiedenen Interessen der Betroffenen und Beteiligten abwägen, dh. die Argumente wichten von den Anliegern, den Vertretern der Wirtschaftund den Interessen der Politik. Bei dieser Genehmigung waren anscheinend die Interessen von Landespolitik und bestimmter Einzelfirmen wie DHL ausschlaggebend gegenüber den Belastungen der Anwohner und Betroffener durch Lärmbelästigungen, Luftbelastungen, CO2 Emissionen, nächtlichen Ruhebedürfnissen und durch Nichtbeachtung von Klimaveränderungen. Und es werden immer mehr Flächen zubetoniert und versiegelt. Dadurch kann weniger Wasser versickern und muss in Vorflutern abgeleitet werden mit den gerade jetzt sichtbaren Folgen nach Starkniederschlägen wie in Osteuropa. Da wir noch ein Rechtssystem haben, bliebe fast nur noch die Kosequenz einer Klage gegen diese Entscheidung.