Wie wehrt sich eine Großstadt wie Leipzig gegen den Ausbau eines klimaschädlichen Frachtflughafens? Wie formuliert sie, dass sie das Handeln der Flughafen AG für inakzeptabel hält? – Die Stadt Leipzig hat jetzt ihre zweite Stellungnahme zum geplanten Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle vorgelegt und ihre Unzufriedenheit mit den Antworten des Flughafens auf die Kritik der ersten Stellungnahme deutlich formuliert.
Schon am 12. Februar 2021 hatte sich Stadt erstmals zur geplanten Flughafenerweiterung positioniert und eine ganze Liste von Kritikpunkten und Änderungswünschen vorgelegt. Der Flughafen antwortete zwar – aber änderte nichts, weshalb die Stadt in einer Erwiderung auf allen ihren Kritikpunkten beharrte.
Die Landesdirektion Sachsen hat der Stadt Leipzig jetzt zwar die geänderten bzw. ergänzten Planunterlagen vorgelegt.
Aber das Ergebnis ist einfach ignorant. So ignorant, dass die beiden involvierten Dezernate Umwelt und Bau schlichtweg feststellen müssen: „Nach intensiver, aber unangemessen kurzer Prüfung der Unterlagen durch die zuständigen Fachämter aufgrund der zu kritisierenden Einordnung des Beteiligungsverfahrens über die anstehende Sommerpause ist zu konstatieren, dass trotz der Nachbearbeitung der Unterlagen und Nachreichungen durch die Vorhabenträgerin weiterhin nicht alle vorgebrachten Einwendungen ausgeräumt werden konnten.
Die Forderung der Stadt Leipzig nach umfassender Überarbeitung und Ergänzung der Unterlagen bleibt für wesentliche Bereiche, insbesondere Natur- und Fluglärmschutz, bestehen.“
Die neue Stellungnahme der Stadt zum Flughafenausbau.
Der Flughafenausbau ignoriert die Klimaziele der Bundesrepublik
Dabei äußerte die Stadt auch grundlegende Kritik an der Umwelt- und Klimaschädlichkeit des Flughafens. Denn nicht einmal den Freistaat Sachsen scheint es zu interessieren, dass der Flughafen massiv auch gegen die Klimaziele der Bundesregierung verstößt.
Schon in der Erwiderung von 2022 formulierte die Stadt: „Dies ist ein fachlicher Mangel, da wissenschaftlich hinlänglich bewiesen ist, dass insbesondere der Ausstoß von THG in entsprechenden Höhen des Flugverkehrs enorme Auswirkungen auf das globale Klima nach sich zieht. Entgegen der Erwiderung der Antragstellerin wird auch nicht dem Berücksichtigungsgebot des § 13 Bundesklimaschutzgesetz Rechnung getragen. Es wird weder fundiert dargelegt, wie sich die Planung auf den Zweck des Gesetzes (Erwärmung deutlich unter 2° halten, möglichst 1,5°), noch auf die Ziele (Treibhausgasneutralität bis 2045, bereits bis 2030 die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 senken) auswirkt.“
Daran hat sich in der neuen Stellungnahme nichts geändert. Denn auch in den Planunterlagen gab es dazu keine Änderung. Man kann im Grunde sämtlich je Kritikpunkte aus der Erwiderung der Stadt von 2022 nehmen – sie sind auch in der neuen Stellungnahme noch voll gültig.
Die Erwiderung der Stadt vom Mai 2022.
Saftige Kritik gab es von vornherein an der Ignoranz von Flughafen und Flugsicherung, wenn es um das Überfliegen des Naturschutzgebietes Leipziger Auwald geht – was in der Regel mit der kurzen Südabkurvung passiert. Hier wird immer noch ausgewichen, vernebelt und so getan, als wäre das gar kein Thema.
Deutlich aber formuliert die Stadt 2022: „Prinzipiell gilt für die FFH-VP ähnliches wie für den artenschutzrechtlichen Fachbeitrag (Vögel). In der FFH-VP wird argumentiert ‚Das SPA wird nur im Anflug und tagsüber in großer Höhe überflogen‘, wobei nähere Angaben nicht erfolgen. In der Erwiderung wird ausgesagt, dass das SPA weder derzeit noch mit Realisierung des Projektes überflogen würde. Dies ist nicht nachvollziehbar. Die Aussage der Erwiderung widerspricht den Aussagen in der FFH-VP. Gerade die Anflüge (geringe Flughöhe) können mit Störwirkungen (visuelle Störungen, Lärm) verbunden sein und müssten daher besonders analysiert werden. Fazit: Der Einwand bleibt bestehen.“
Das gilt auch 2023 noch genau so.
Die Formel „Der Einwand bleibt bestehen“ findet sich unter dutzenden Kritikpunkten, zu denen die Landesdirektion keine befriedigende Auskunft geben konnte und keine Änderungen in den Planunterlagen stattfanden.
Und so bleibt die Kritik an der nach wie vor nicht gewährleisteten Bahngleichverteilung bei An- und Abflügen bestehen, an nächtlichen Triebwerksprobeläufen, an der Gesamtlärmbetrachtung und an den nicht nachvollziehbaren Aussagen zu den Gesundheitsschäden durch den zunehmenden Fluglärm, so wie 2022 formuliert: „Der Aussage der Flughafen Leipzig/Halle GmbH kann nicht gefolgt werden. Ziel eines lärmmedizinischen Gutachtens zum 15. Planänderungsantrag ist die Einschätzung und Bewertung der lärmmedizinischen Auswirkungen der prognostizierten Änderungen. Auch die geforderte Betroffenheitsanalyse zur Abschätzung der Anzahl an Neubetroffenen wurde nicht nachgereicht.
Fazit: Der Einwand bleibt bestehen.“
Ein völlig unzureichendes Nachtschutzgebiet
Und dass der Flughafen auch beim Lärmschutz nicht wirklich kooperativ ist, machte 2022 der nächste Kritikpunkt deutlich, der auch 2023 nicht ausgeräumt ist: „S. 7 fehlende Aussagen zu aktiven und passiven Lärmschutzmaßnahmen. In der Erwiderung wird auf diese Einwände der Stadt Leipzig nicht eingegangen. In den im Rahmen der Online-Konsultation vorgelegten Unterlagen fehlen weiterhin Aussagen zu aktiven und passiven, den Stand der Technik berücksichtigenden Lärmschutzmaßnahmen. Fazit: Die Einwände bleiben bestehen.“
Dasselbe gilt für das sogenannte Nachtschutzgebiet, das ganz offensichtlich nicht alle Gebiete umfasst, die tatsächlich von Nachtfluglärm betroffen sind: „In der Erwiderung wird beschrieben, dass die von der Stadt Leipzig vorgebrachte Nebenbestimmung A II 4.9.3 des bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses von 2004 vom 15. Planänderungsantrag unberührt bleibt und nicht Gegenstand des Planänderungsverfahrens ist, mit Verweis auf § 13 Abs. 1 Satz 2 FluglärmG. Gerade § 13 Abs. 1 Satz 2 FluglärmG sieht jedoch für bereits bestehende Flughäfen mit weitergehenden Schallschutzmaßnahmen eine Art Meistbegünstigungsvorbehalt vor.
Insofern dürften bestehende weitergehende Regelungen nicht verdrängt werden. Analog der bisherigen Praxis (Neufestsetzung des Nachtschutzgebiets im Jahr 2009 basierend auf der angepassten Luftverkehrsprognose von 2020 gemäß Änderungsplanfeststellungsbeschluss vom 17. Juli 2009) ist demnach auch für den Planfall 2032 das Nachtschutzgebiet neu zu berechnen und festzusetzen, um den weitergehenden dynamischen Nachtschutz des Flughafens Leipzig/Halle auch über das Jahr 2019 hinaus auf den Planfall 2032 anzuwenden. Fazit: Die Einwände zum Nachtschutzgebiet und Nachtschutzkonzept bleiben bestehen.“
Wo bleibt der Schutz der Nachtruhe?
Und natürlich zielt die Kritik auch darauf, dass der Flughafen durch seine exzessive Nutzung durch Frachtfluggesellschaften ein ganz zentrales Problem hat, das im Erweiterungsverfahren völlig ausgeblendet wird: dass hier einfach die Empfehlung des Umweltbundesamtes von 2014 völlig ignoriert wird.
Die lautete ganz eindeutig: „Wissenschaftliche Studien zeigen eindeutig, dass die gesundheitlichen Folgen von Fluglärm, insbesondere von Nachtfluglärm, erheblich sind. Zum Schutz der Bevölkerung empfiehlt das Umweltbundesamt daher, den regulären Flugbetrieb in der Zeit von 22 bis 6 Uhr ruhen zu lassen.“
Aber das interessiert die Flughafenbetreiber nicht die Bohne. Weshalb Leipzig in seiner Erwiderung von 2022 feststellte: „S. 5 WHO-Werte und Empfehlung des Umweltbundesamts: Die Erwiderung würdigt die in der Stellungnahme der Stadt Leipzig benannten Empfehlungen der WHO und des Umweltbundesamts bzgl. Nachtfluglärm nicht und lässt auch nicht erkennen, inwieweit den Empfehlungen dieser Institutionen mit den vorgelegten Unterlagen entsprochen werden kann. Fazit: Der Einwand konnte mit der Argumentation nicht ausgeräumt werden und bleibt bestehen.“
Womit eigentlich klar ist, dass der Schutz der Bevölkerung, der Umwelt und des Klimas bei den Plänen zur Erweiterung des Flughafens keine Rolle spielen. Man macht einfach weiter mit einem fossilen Konzept, mit dem Sachsen die Gewinnmaximierung einiger Logistikkonzerne subventioniert. Und die größte betroffene Stadt wird mit ihrer Kritik an dieser Praxis einfach abgewimmelt.
Landesdirektion ignoriert Sommerferien
Der Stadtrat muss in seiner Sitzung am 5. Juli der Stellungnahme noch zustimmen. Eine ziemlich überstürzte Befassung. Aber das hat in diesem Fall die Landesdirektion verursacht, wo man augenscheinlich nichts davon weiß, dass es in Sachsen auch noch Sommerferien gibt.
In der Vorlage erklärt es die Stadt so: „Aufgrund der nicht verlängerbaren Einwendungsfrist bis 04.09.2023 noch vor der ersten Ratsversammlung nach der Sommerpause am 20.09.2023 muss die Vorlage in der Ratsversammlung am 05.07.2023 beschlossen werden. Durch die enge Zeitkette mit Auslegung der Unterlagen erst seit 05.06.2023 ist eine Befassung der Gremien im Regelverfahren nicht möglich, auch deshalb, da aufgrund des Umfangs und Komplexität der Unterlagen eine ganze Reihe von Ämtern in die Prüfung der Unterlagen einzubinden war und die Prüfung mit der entsprechenden Tiefe erfolgen musste. Dies bedingt die Einbringung der Vorlage als eilbedürftig, da ansonsten die Beschlussfassung der Ratsversammlung nicht abgesichert werden kann.“
Gegenüber der Landesdirektion wurde die Verwaltung noch deutlicher: „Wir möchten an dieser Stelle unser Unverständnis äußern zur zeitlichen Einordnung des Beteiligungsverfahrens zur 1. Tektur. Das Verfahren erstreckt sich über die gesamte Sommerpause, in welcher der Stadtrat der Stadt Leipzig sowie die meisten Gremien nicht tagen, weswegen das stadtinterne Verfahren zur Erarbeitung der Stellungnahme zeitlich erheblich verkürzt werden musste. Aufgrund dessen konnten die ausliegenden geänderten Planunterlagen nicht in der gebotenen Tiefe geprüft werden.“
Aber der Stadtrat muss zustimmen, damit die Stellungnahme der Stadt noch wirksam werden kann.
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