Es gibt Leute, die sich ein Eigenheim leisten können. Und die natürlich hellhörig werden, wenn auf einmal eine Stadtratsmehrheit gegen die Ausweisung neuer Eigenheimbaugebiete opponiert. So passiert es ja gerade in Leipzig. Und da überraschte es nicht, dass da auf einmal in der Ratsversammlung am 10. November eine kleine Diskussion über Eigenheime in der schönen kleinen Nachbarstadt Markranstädt entbrannte.
Eine echte Stellvertreterdiskussion. Denn die Stellungnahme der Stadt Leipzig zum neuen Flächennutzungsplan der Stadt Markranstädt wurde dort überhaupt nicht als Kritik an den Plänen für neue Wohngebiete verstanden.
Auch nicht die Passage: „Die prognostizierte Höhe des Eigenentwicklungsbedarfs (5 Wohneinheiten (WE) im Einfamilienhaussektor/Jahr) erscheint realistisch. Die Annahmen für den Zusatzbedarf (50 WE im Einfamilienhaussektor/Jahr) sollten hingegen nochmals überprüft werden, da die Werte überhöht erscheinen. Dies wird auch aus Berechnungen des Forschungsprojekts interko21 deutlich. Bei den Berechnungen der Wohnungsbedarfsprognose des Vorentwurfs des FNP der Stadt Markranstädt wird ein Zeitraum von 15 Jahren angesetzt. Diese sollten an den Planungshorizont bis 2035 (13 Jahre) angepasst werden.“
Wer hat noch Platz für Eigenheime?
Im Forschungsprojekt interko21 sitzt Leipzig mit seinen Nachbarkommunen an einem Tisch und versucht, mit diesen Kommunen den Bedarf an Wohnungsneubau rund um und in Leipzig gemeinsam zu erkunden.
Denn aus Leipziger Sicht ist es natürlich logisch, dass viele Eigenheimbedarfe, die im Leipziger Stadtgebiet nicht erfüllt werden können, dann im Umland abgedeckt werden. Dass sich Städte wie Markranstädt oder Markkleeberg über den zahlungskräftigen Zuzug sogar freuen, dürfte auch bekannt sein.
Ob es gut ist für Artenvielfalt und Klimaschutz, ist eine andere Frage. In Leipzig stellen sich einige Fraktionen diese Frage und kämpfen folgerichtig auch um den Erhalt von Ackerflächen und Frischluftschneisen – und gegen die Ausweitung von Eigenheimsiedlungen.
Aber darum ging es in der Anmerkung der Stadt Leipzig gar nicht, wie man oben nachlesen kann. Markranstädt wurde lediglich gebeten, die Zahl der geplanten Wohneinheiten an das Zieljahr 2035 anzupassen.
Und vielleicht auch zu überlegen, ob jedes ausgewiesene Baugebiet auch Sinn ergibt: „Die Wohnentwicklungsflächen in Großlehna und Altranstädt sind nachvollziehbar, die Entwicklungsflächen in Seebenisch sowie Schkeitbar erscheinen überdimensioniert“, heißt es in der Vorlage der Stadt.
Und Baubürgermeister Thomas Dienberg betonte zu Recht, dass es sogar ein sehr übliches Verfahren zwischen benachbarten Kommunen ist, sich gegenseitig auf solche Unstimmigkeiten aufmerksam zu machen. In diesem Fall sogar vorsorgend, denn die Berechnungen aus interko21 sind ja belastbar.
Die da ermittelten Bedarfe werden so mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nachgefragt. Ob sich mehr Käufer für Eigenheime in Markranstädt finden, ist hingegen ungewiss.
Übrigens genauso wie die Frage, wann Markranstädt endlich ans Mitteldeutsche S-Bahn-Netz angeschlossen wird, was dann auch das klimafreundliche Pendeln von Leipzig nach Markranstädt erleichtern würde.
Ist ein Nein zu Eigenheimen weltfremd?
Und in der Rede von FDP-Stadtrat Sven Morlok zum Änderungsantrag der Freibeuter-Fraktion wurde dann deutlich, dass es eigentlich nur darum ging, die Leipziger Diskussion um neue Eigenheimbaustandorte wieder aufzunehmen und den Fraktionen, die sich dagegen ausgesprochen haben, wieder Weltfremdheit vorzuwerfen.
Und der Verwaltung irgendwie auch, wenn sie nun ausgerechnet die Eigenheimziele in der Nachbargemeinde Markranstädt kritisiert.
Aber gerade das sei nicht der Fall, so Baubürgermeister Thomas Dienberg. Im Gegenteil: Im Gespräch mit den Nachbarkommunen arbeite Leipzig sehr wohl an einer kooperativen Wohnbauflächenentwicklung mit.
Wohl wissend, dass Leipzig nicht alle Flächenbedarfe abbilden könne und auch die Stadtratsmehrheit andere Prioritäten setzt – man denke nur an den viel größeren Bedarf an bezahlbaren Wohnungen für Familien im Stadtgebiet und das Thema „kompakte Stadt“.
Natürlich kann man die Themen Artenschutz, Bodenverbrauch und Klimafreundlichkeit nicht ausklammern. Städte wie Leipzig sind ja gerade erst dabei zu lernen, wie das aussehen muss. Und es sieht nun einmal so aus, dass sich deutsche Kommunen den Zubau immer neuer Flächen nicht mehr leisten kann.
Selbst der Freistaat Sachsen hat sich das Ziel gesetzt, die Neuversiegelung von Böden in naher Zukunft auf null zu bringen. Aber das geht natürlich nicht, wenn man immer neue Eigenheimstandorte ausweist.
Die Stadtratsmehrheit jedenfalls empfand die Stellungnahme der Stadtverwaltung zum Flächennutzungsplan der Nachbarstadt Markranstädt weder als Einmischung noch als Zumutung. Sie stimmte mit 36:16 Stimmen der Stellungnahme zu. Während der Änderungsantrag der Freibeuter, der die oben zitierte Passage gestrichen haben wollte, mit 23 : 34 Stimmen deutlich durchfiel.
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