Natürlich geht es auch am Flughafen Leipzig-Halle um Transparenz. Wer hat hier eigentlich das Sagen? Wer ist verantwortlich, dass Planunterlagen nicht mal den simpelsten Ansprüchen zu Lärm- und Umweltschutz genügen? Ausgerechnet das zuständige sächsische Verkehrsministerium kneift immer wieder und handelt nicht, wenn Versprechen und Auflagen nicht umgesetzt werden. Jetzt bekommt es von der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ eine Dienstaufsichtsbeschwerde.
Gleich auch mit Bitte um Weiterleitung, wenn nun ausgerechnet das Verkehrsministerium nicht zuständig sein sollte für den Flughafen. Sachsen ist mit 77,29 Prozent der Haupteigner der Mitteldeutschen Flughafen AG, die den Flughafen betreibt. Hartmut Vorjohann, der Finanzminister Sachsens, ist stellvertretender Vorsitzender, Martin Dulig, der Verkehrsminister, ist zumindest Mitglied im Aufsichtsrat.Wenn es Anfragen zum Flughafen im Landtag gibt, antwortet mal der eine und mal der andere. Doch anders als etwa bei Leipziger Kommunalbetrieben, wo auch gewählte Stadträt/-innen mit im Aufsichtsrat sitzen, gibt es keine Landtagsabgeordneten im Aufsichtsrat der Flughafen AG. Und auch Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung, den quasi der Stadtrat in den Aufsichtsrat der MFAG entsandt hat, erzählt im Grunde nichts darüber, was dort besprochen und entschieden wurde.
Wie das Unternehmen gesteuert wird, bleibt also eine Black Box für Außenstehende. Und wenn die Bürger Probleme damit haben, begegnen sie einem Unternehmen, das wie ein selbstständiger privater Konzern agiert, der zwar gesetzlich verpflichtet ist, zum Beispiel Lärmmessungen durchzuführen.
Doch zuletzt wurde ja in der Leipziger Ratsversammlung am 31. März deutlich, dass er dabei augenscheinlich wesentliche Teile des stark von Fluglärm betroffenen Leipziger Stadtgebiets einfach auslässt. Das brachten zwei temporäre Lärmmessungen in Lützschena-Stahmeln 2019 und 2020 ans Licht. Doch die Messergebnisse von 2020, als der Flughafen trotz Corona seinen nächtlichen Frachtflugbetrieb ausweitete, sind noch immer nicht veröffentlicht.
Was bei der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ den Verdacht nährt, dass das absichtlich so passiert, um die Genehmigung für den 500 Millionen Euro teuren Ausbau nicht zu gefährden.
Die Dienstaufsichtsbeschwerde zum Nachlesen:
Sehr geehrter Herr Staatsminister Dulig,
wir legen hiermit Dienstaufsichtsbeschwerde wie folgt ein:
Laut FLK-Protokoll vom 10.10.2019 (!) hat das Sächsische Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft eine Auswertung von auf dem Stadtgebiet von Leipzig erfolgten Fluglärm-Messungen durchgeführt. Bei der Auswertung mobiler Fluglärmmessungen im Bereich Lützschena wurde für eben diesen Messstandort eine „lärmphysikalische Besonderheit“ festgestellt. Entgegen den Ergebnissen durchgeführter Lärmberechnungen ergaben die Messungen teilweise höhere Lärmbelastungen. Durch weitere Untersuchungen sollten, begleitet durch das Sächsische Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, die Ursachen festgestellt werden.
Nach Informationen des Flughafens Leipzig/Halle wurde im Zeitraum Juni 2020 bis Oktober 2020 im Bereich Lützschena-Stahmeln eine weitere Messkampagne an zwei Standorten durchgeführt. Entgegen aller bisherigen Gepflogenheiten liegen nach unseren Informationen die Messergebnisse der betroffenen Gemeinde, der Fluglärmkommission und den Eigentümern der Grundstücke, auf welchem die Messungen durchgeführt wurden, noch immer nicht vor. Auch dem Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft sind die neuen Daten noch nicht bekannt. Als Begründung werden coronabedingte Engpässe genannt.
Diese – und eine wie auch immer anders lautende Begründung – lassen wir nicht gelten. Wie Ihnen sicherlich bekannt, hat die Landesdirektion Sachsen unsere Anträge sowie die Anträge von der Stadt Leipzig und Schkeuditz auf Pandemie bedingte Aussetzung des PFV mit der Begründung abgelehnt, es gebe keine Pandemie bedingten Beeinträchtigungen. Für den Flughafen und sein von ihm beauftragtes Büro Obermeyer, welches im Übrigen die Fluglärmauswertungen für das PFV vorgenommen hat, soll dies aber nun gelten?
Wir machen zudem darauf aufmerksam, dass die Stellungnahmen/Widersprüche der Bürger im Raum Lützschena-Stahmeln im laufenden PFV zu den dort festgehaltenen Lärmmessungen unvollständig sind bzw. auf falschen Annahmen beruhen, weil die Messergebnisse nicht belastbar sind. Es wurde vom Flughafen also ein PFV beantragt, obwohl man wusste, dass ein Teil der Messwerte nicht den Realitäten entspricht. Der Flughafen Leipzig/Halle fällt in den Verantwortungsbereich Ihres Ministeriums.
Diese Ungleichbehandlung zwischen Souverän und Exekutive wurde durch den Flughafen, wurde durch Ihr Ministerium also bewusst in Kauf genommen. Und durch die noch immer hinauszögernde Lieferung der Messdaten sollen ganz offensichtlich nun zwischenzeitlich anderweitige Fakten geschaffen werden. Nach den bisherigen Erfahrungen der Bürger rund um das Thema Flughafen Leipzig/Halle liegt dies jedenfalls sehr nahe.
Wir bitten um zeitnahe Beantwortung. Sollte Ihr Ministerium für diese Dienstaufsichtsbeschwerde nicht zuständig sein, bitten wir um Information und automatische Weiterleitung an das zuständige Ministerium / die zuständige Behörde.
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Mit freundlichen Grüßen
Matthias Zimmermann
Pressesprecher
BI „Gegen die neue Flugroute“
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