Was passiert künftig auf der Magdeborner Halbinsel am Störmthaler See? Darüber wird nun seit Monaten diskutiert. Sogar schon seit 2018, seit ein Beteiligungsprozess gestartet wurde, in dem die Einwohner von Großpösna mitentscheiden können sollten, was künftig auf der Magdeborner Halbinsel entstehen soll – oder auch nicht. Doch seit Mai 2020 knirscht es im Getriebe. Zwei Austritte aus dem Beteiligungsforum machten von sich reden.

Die jüngste gab es, als Frank Beutner als Vertreter der Bürgerschaft am 3. Februar die Lenkungsgruppe verließ und in einem Offenen Brief lauter Fehler und Versäumnisse im Beteiligungsprozess aus seiner Sicht aufzählte. Ähnliche Wucht hatte im August vergangenen Jahres schon der Austritt von Prof. Dr. Jörg-Achim Weber, für die CDU auch Mitglied im Gemeinderat.Aus Beutners Sicht waren damit eigentlich kaum noch Vertreter der Bürgerschaft und des Gemeinderates in der Lenkungsgruppe vertreten, die ja irgendwie mit den Ergebnissen der 2019 erfolgten Bürgerbefragung umgehen sollte.

Denn daraus sollten ja Leitlinien abgeleitet werden für den Umgang mit der Magdeborner Halbinsel. Dass diese Zusammenarbeit schwierig sein würde, war von Anfang an klar. Denn die Interessen in Großpösna gehen weit auseinander, was auch in den 2020 vorgestellten Umfrageergebnissen sichtbar wird, die wir an dieser Stelle auch noch auswerten werden.

Aber natürlich spielt auch das umtriebige Medium da eine gewisse Rolle, das den Einwohnern des Neuseenlandes gern mit einer eigenen Gewichtung erzählt, wie die Dinge so sind.

Darauf ging Prof. Weber im August in seinem Offenen Brief besonders ein, weil genau so eine Geschichte 2020 für Unwucht gesorgt hatte: „Nun beginnen aber die großen Fehler der Verwaltung. Während Ihnen und dann nichtöffentlich auch den Gemeinderäten das Ansiedlungsprojekt Helmholtzzentrum bekannt wurde, dauerte es Wochen bis die Öffentlichkeit informiert wurde. Aber das Beteiligungsprojekt blieb trotzdem weiter ausgesetzt und wurde weiter und letztlich solange verschoben, während Verwaltung und Gemeinderat immer mehr vollendete Tatsachen für die weitere Planung für die Magdeborner Halbinsel geschaffen haben und weiter schaffen. Somit hat es die Verwaltung von Beginn dieser Projektidee an und nachfolgend fortlaufend seit dem Frühjahr schuldhaft versäumt, diese Entwicklung in den Bürgerbeteiligungsprozess einfließen zu lassen. Stattdessen berichtet die LVZ inzwischen mehrfach unwidersprochen über angebliche Beschlüsse des Gemeinderates zur weiteren Entwicklung.“

Um die Ansiedlung des Helmholtz Zentrums „Centre for Climate Action and Innovation – Research & Engineering“ (CLAIRE) kämpfen verschiedene Standorte im Kohlerevier. Denn es ist eins jener Projekte im Kohleausstieg, die neuen Input in die Kohleregionen bringen sollen.

Auch Henry Graichen, Landrat des Landkreises Leipzig, macht sich dafür stark, CLAIRE in den Leipziger Süden zu holen.

Beschlossen ist das noch nicht, wie die Verwaltung von Großpösna betonte: „Die Abläufe im Zusammenhang mit der Präsentation und Entscheidung zum Helmholtz-Zentrum sind unseres Erachtens korrekt. Die Verwaltung hat zügig und folgerichtig gehandelt. Alle Bürgerinnen und Bürger wurden nach der Befassung des Gemeinderates im Amtsblatt informiert. Zusätzlich informierte die Verwaltung alle 280 Bürgerinnen und Bürger, die sich in der Bürgerbefragung für eine weitere Mitarbeit interessiert zeigten.“

Und weiter: „Hier gab es zwei Rückfragen zur Sinnhaftigkeit des Beteiligungsprozesses nach der Entscheidung des Gemeinderates. Mit Darstellung des verbleibenden Gestaltungsspielraumes auf der Halbinsel von 64 Hektar statt 76 Hektar konnten Bedenken ausgeräumt und zur weiteren Mitwirkung motiviert werden. Wir freuen uns auf 53 Großpösnaerinnen und Großpösnaer, die an den Zukunftswerkstätten im Herbst mitwirken werden, langfristig engagiert sind und sich aktiv mit Gestaltungswille einbringen werden.“

Trotzdem empfanden das die Mitglieder der Lenkungsgruppe als eine Vorentscheidung, die den Beteiligungsprozess eigentlich konterkarierte.

Was die Verwaltung von Großpösna so nicht sah. „Die Behauptung, es würden parallel zum Beteiligungsverfahren Entscheidungen zur Magdeborner Halbinsel durch das Agieren der Verwaltung vorweggenommen, ist nicht richtig. Zum Beispiel finden aktuell noch keine Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung mit dem Veranstalter des Highfield Festivals statt. Der Veranstalter prüft aktuell für sich, ob und wie für den Fall, dass sich das Helmholtz-Zentrum auf der Halbinsel ansiedelt, eine Fortsetzung auf den verbleibenden Flächen überhaupt denkbar ist. Eine Entscheidung darüber hätte ohnehin der Gemeinderat zu treffen. Sie steht aktuell nicht an.“

„Die Vielzahl und der Schweregrad der Mängel in der Durchführung dieses Bürgerbeteiligungsprojektes sind erschütternd und mit den Grundsätzen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis nicht vereinbar“, resümiert nun Bürgervertreter Frank Beutner, der dem Offenen Brief gleich noch eine Anzeige zum Verdacht auf Verletzung der Sorgfaltspflicht und Verdacht auf Diskriminierung in einem WOS-Projekt folgen ließ. WOS steht für das Programm „Weltoffenes Sachsen“.

Logisch, dass sich nun auch Dr. Peter Patze-Diordiychuk, Vereinsvorsitzender der Akademie für Lokale Demokratie e. V., öffentlich wehrt gegen die Behauptung, der Beteiligungsprozess sei ein Desaster.

Wobei es immer zwei Ebenen gibt. Das kennen auch die Leipziger. Was kommt in professionell organisierten Beteiligungsprozessen als Ergebnis heraus und was beschließen dann Verwaltung und Gemeinderat/Stadtrat tatsächlich. Wie gründlich das in die Hose gehen kann, haben die Leipziger bei der Bürgerbeteiligung zur Öffnung des Pleißemühlgrabens an der Hauptfeuerwache erlebt.

Und auch im Neuseenland gibt es zumindest durchwachsene Erfahrungen mit dem Beteiligungsprozess zur neuen Charta Leipziger Neuseenland.

Und gerade im Großpösnaer Beteiligungsprozess waren die Erwartungen hoch. Sind sie eigentlich immer noch, denn davon erzählen ja die Offenen Briefe von Weber und Beutner.

Denn die Bürgerbefragung hatte ja durchaus ergeben, dass sich ein Großteil der Einwohner/-innen von Großpösna keinen harten Tourismus und auch keine Fortsetzung des Highfield auf der Magdeborner Halbinsel erwarten, sondern eher sanfte Erholungsmöglichkeiten am Wasser, also alles eine Dimension kleiner.

Nach Mitteilung aus dem Rathaus von Großpösna ist das alles noch offen: „Nach der coronabedingten Verschiebung der Zukunftswerkstätten vom Frühjahr in den Herbst 2020 und nach der einstimmigen Entscheidung des Gemeinderates zu einer Absichtserklärung für die Ansiedlung eines Helmholtz-Zentrums ist es umso wichtiger, dass engagierte Bürgerinnen und Bürger im Rahmen des geplanten Beteiligungsverfahrens an den Entwicklungen der Halbinsel mitwirken. Das Ergebnis der Bürgerbeteiligung wird eine wichtige Grundlage für künftige Entscheidungen des Gemeinderates sein.“

„Die Bürgerbeteiligung jetzt abzubrechen, würde alle Beteiligten vor den Kopf stoßen. Wir halten an dem Bürgerbeteiligungsverfahren fest und sind neugierig auf den gemeinsamen Weg. Im Gesamtkontext sind für uns nicht nur die Ergebnisse zur Zukunft der Magdeborner Halbinsel interessant, sondern auch die neu zu erprobenden Methoden der Beteiligung. Der aktuelle Bürgerbeteiligungsprozess ist für uns alle neu und als Lernprojekt für Bürgerschaft, Verwaltung und Gemeinderat gedacht. Den begonnenen Weg jetzt im Erprobungsstadium zu verunglimpfen, verhindert Bürgerbeteiligung statt sie zu entwickeln.“

Selbst die Auswertung der Umfrage, die die Gemeinde Großpösna im Juli 2020 veröffentlichte, deutete darauf hin, dass die wesentlichen Konflikte bei der Planung zur Magdeborner Halbinsel nicht ausgeräumt sind. Im Gegenteil: Sie stehen jetzt noch deutlicher gegeneinander. Etwa in dieser Fragestellung: „Wie lassen sich die Interessen jener Personen berücksichtigen, die z. B. für den Status quo werben oder eine Bebauung der Halbinsel mit Ferienhäusern und Hotels wünschen?“ Also doch alles noch genauso wie 2018?

Also schauen wir uns in Kürze die Umfrageergebnisse etwas genauer an.

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Es gibt 4 Kommentare

Tja, für alte Hasen nichts NEUES. So ist das halt hier, hier um Umfeld des Grünen Rings und der Steuerungsgruppe.

Es wäre nicht schlecht, wenn im Abstract des Artikels oder in den einleitenden Sätzen kurz erläutert wird, worum es überhaupt geht, d.h. welche verschiedenen Vorstellungen hier gegenüberstehen. Ohne diese Infos ist es ein ziemlich länglicher Artikel über eine Lenkungsgruppe, die irgendwas diskutieren soll und aus der aus verschiedenen Gründen Mitglieder aussteigen. Als Außenstehender kaum verständlich.

Das ist leider etwas typisch für die Liz. Wichtige Themen, aber häufig kommen die Texte nicht auf den Punkt.

Rede & Antwort
Rathaus Großpösna (LZ 07.02.2021): „Die Bürgerbeteiligung jetzt abzubrechen, würde alle Beteiligten vor den Kopf stoßen.“
Antwort: Natürlich darf die Bürgerbeteiligung nicht abgebrochen werden – ganz im Gegenteil. Bürgerbeteiligung sollte dauerhaft fortgeführt werden. Das aktuelle Projekt sollte jedoch gründlich aufgearbeitet werden, um aus den Fehlern zu lernen.

Rathaus Großpösna (LZ 07.02.2021): „Im Gesamtkontext sind für uns nicht nur die Ergebnisse zur Zukunft der Magdeborner Halbinsel interessant, sondern auch die neu zu erprobenden Methoden der Beteiligung.“
Antwort: Die angewandten Methoden der Beteiligung sind nicht neu, es handelt sich vielmehr um Jahrzehnte lang etablierte Methoden mit entsprechenden qualitativen Standards. Wenn die Anwendung im Bürgerbeteiligungskontext in Sachsen als neu empfunden wird, muss man dennoch eine standardisierte Anwendung garantieren, um valide Daten zu generieren.

Rathaus Großpösna (LZ 07.02.2021): „Den begonnenen Weg jetzt im Erprobungsstadium zu verunglimpfen, verhindert Bürgerbeteiligung statt sie zu entwickeln.“
Antwort: Das sachliche Vortragen von schwerwiegend qualitativen Mängeln ist kein „Verunglimpfen“. Vielmehr ist strikte Ehrlichkeit im Hinblick auf die eigenen und die Beiträge Dritter zu wahren, alle Ergebnisse konsequent selbst anzuzweifeln sowie einen kritischen Diskurs in der Gemeinschaft zuzulassen.* Nur so kann Bürgerbeteiligung ehrlich erprobt werden. *https://wissenschaftliche-integritaet.de/

Offensichtlich ist es im Umland genauso mysteriös wie in der Stadt: die Verwaltungen verselbstständigen sich und nehmen Positionen ein, die des Öfteren auch deckungsgleich mit privaten oder wirtschaftlichen Interessen sind. Dabei soll die Verwaltung den Bürgern dienen und demokratisch überwacht werden.
Oder wird sie das nicht und alles ist immer Ergebnis der politischen Ausrichtung des verantwortlichen Bürgermeisters / Gemeinderates?

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