Jetzt wird auch noch der Ökolöwe übermütig! „Autobahn bauen ist so was von gestern!“, titelt der Leipziger Umweltverband in seinem aktuellen, am Freitag, 30. Oktober, versandten Newsletter. „Zwischen Leipzig und Torgau soll für viele hundert Millionen Euro eine Autobahn gebaut werden und das mit Geldern für den Klimaschutz. Absurd! Heute wie damals: Ein klares Nein zur B87n!“ Dabei geht es um etwas völlig anderes. Und die Kohleausstiegsgelder haben damit eher wenig zu tun.
Auch wenn das in der erstaunlich aufgeregten Meldung des Ökolöwen ganz so klingt.
Also erst einmal die seltsame Aufregung
Der Ökolöwe im Original: „Unwiederbringliche Naturzerstörung, Verschwendung von Steuergeldern und weitreichende Versiegelung – Wir Ökolöwen haben uns von Anfang an gegen den sinnlosen Bau der B87n gestellt. Auch die Landesdirektion Sachsen hat im Jahr 2015 die Idee der neuen vierspurigen Bundesstraße von Leipzig nach Torgau verworfen. Das Raumordnungsverfahren für den Bau der B87n wurde eingestellt.
Die einfache Begründung: Fehlender Bedarf für eine neue Straße und erst recht in dieser Größenordnung! Daran hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil: Die Notwendigkeit einer klimafreundlichen Verkehrswende ist wichtiger denn je. Trotzdem hält die DEGES (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH) hartnäckig an diesen 30 Jahre alten Plänen fest und hat diese nun wieder aus der Schublade geholt.
Autobahnbau wird als Klimaschutzmaßnahme verkauft
Der Grund für die Wiederaufnahme der Planung ist ironischerweise der Ausstieg Deutschlands aus der Braunkohle. Denn die vom Bund bereitgestellten zusätzlichen Finanzmittel für die Strukturförderung sieht die DEGES als Chance, sich die bereits todgeweihte B 87n nun doch finanzieren zu lassen. Hier sollen vorgesehene Klimaschutzgelder für den Neubau von klimaschädlichen Autobahnen ausgegeben werden. Das ist total absurd und nicht hinnehmbar! Dabei ist es mehr als absurd, Fördermittel des Braunkohleausstiegs für den Neubau von klimaschädlichen Autobahnen ausgeben zu wollen.
Steuergeld wird sinnlos verplant
Wir Ökolöwen haben zu diesen Autobahnplänen jetzt rechtlich Stellung bezogen und noch einmal bekräftigt: Stoppt diesen Wahnsinn! Denn: Für die Planungen und Untersuchungen eines Autobahnneubaus wurden bereits Unsummen ausgegeben. Die weiteren Planungskosten werden enorm hoch sein. Zahlreiche kostspielige Untersuchungen sind unbedingt notwendig, da die Autobahn in einem sensiblen Naturschutzraum gebaut werden soll. Der tatsächliche Bau einer neuen Autobahn würde zusätzlich mehrere hundert Millionen Euro kosten.“
Der sinnvolle Vorschlag des Ökolöwen
Strukturförderung muss klimafreundlich sein, stellt der Ökolöwe dann als Resümee in seiner Stellungnahme fest: „Die Lösung für Strukturförderung und Klimaschutz ist der schnelle Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Mit verbesserten Bahn- und Busanbindungen ist die Verkehrsentlastung der bestehenden B 87 mit gutem Kosten-Nutzen-Verhältnis möglich. Deshalb sagen wir Ökolöwen: Schluss mit den Milliarden für klimaschädliche Autobahnen! Um die Klimakrise zu bewältigen, darf in Zukunft nur noch in die Förderung klimafreundlicher Verkehrsarten investiert werden.“
Worum aber geht es wirklich?
Wahrscheinlich war dann beim Ökolöwen doch der Kaffee etwas zu stark. Denn die DEGES hat überhaupt nicht angekündigt, die alten Pläne für die B87n wieder aufzunehmen. Darauf weist auch die unter dem Beitrag auf der Homepage des Ökolöwen verlinkte Antwort an die Landesdirektion hin.
Die sich ganz eindeutig auf die umweltfachliche Analyse der drei Streckenvarianten bezieht, die die DEGES nach Ende des alten Raumordnungsverfahrens öffentlich vorgestellt hat und seit 2018 vertieft untersucht.
Im Juni 2020 hatte die DEGES die vorgezogene umweltfachliche Risikoanalyse vorgelegt. Immerhin führen die beiden Südvarianten durch die Parthenaue, tangieren deshalb die Europäische Wasserrahmenrichtlinie und ein wertvolles Natura-2000-Gebiet. Eigentlich ist die Einschätzung vom Umweltschutzstandard her recht eindeutig.
Denn auch die DEGES stellt fest: „Unterschiede bestehen hauptsächlich in der Vorbelastung. Als wesentlicher Vorteil der bestandsnahen Variante erweist sich der Umstand, dass die Querung der Parthenaue im Bereich der vorhandenen Parthe-Brücke vorgesehen ist, wodurch es zu keiner Neuzerschneidung des FFH-Gebietes kommt.“
Eigentlich ein ziemlich handfester Grund, auf die beiden Südvarianten endgültig zu verzichten und auch die Mehrheitsstimmung aus der Planungswerkstatt aufzunehmen, die B 87 im Altbestand zu sanieren und zu ertüchtigen.
„Die vorgezogene umweltfachliche Risikoanalyse stellt in keiner Weise eine Vorentscheidung zugunsten einer Trassenvariante dar“, meinte Werner Breinig, Projektleiter für die B 87 bei der DEGES, im Juni.
„Die Risikoanalyse beschreibt eine erste, sehr grobe Einschätzung der potentiellen Umweltauswirkungen der verschiedenen Trassenvarianten. Eine vollumfängliche Bewertung der Umweltauswirkungen beinhaltet weitaus mehr Sachgebiete als die drei in der Risikoanalyse behandelten. Aus diesem Grunde werden sowohl die bestandsnahe Variante durch Taucha als auch die Südvarianten durch die Parthenaue weiterhin in den folgenden förmlichen Verfahren betrachtet und bewertet.“
Das ist natürlich in Zeiten, da unzerschnittene Naturräume überall gefährdet sind, der Klimawandel längst zuschlägt und das Artensterben im vollen Gange ist, eine zumindest sehr verstörende Haltung.
Was den Ökolöwen in seiner Stellungnahme für die Landesdirektion zu einer eindeutigen Position bringt: „Aufgrund der ersichtlichen erheblichen Konflikte mit den raumplanerischen Zielen spricht sich der Ökolöwe – Umweltbund Leipzig e. V. für die Null-Variante im Bestand und gegen eine Trasse im Südkorridor aus. (…) Die Nullvariante wird als einzige haltbare Planung erachtet, da die zu erwartenden Beeinträchtigungen der Schutzgüter sowie Konflikte mit diversen raumordnerischen Zielen und Grundsätzen in jeder anderen Planungsvariante in keinem Verhältnis zu den optimistischen Verkehrsprognosen sowie dem finanziellen Aufwand stehen.
Sollten trotz der Einwände des Ökolöwen – Umweltbund Leipzig e. V. andere Varianten neben der Null-Variante im weiteren Verfahren betrachtet werden, ist für diese ein nachvollziehbares Kosten-Nutzen-Verhältnis aufzuzeigen. Die in der parallel laufenden Umweltverträglichkeitsprüfung ersichtlichen Raumwiderständen, der Verlust von Ökosystemleistungen und Kosten für etwaigen Ausgleichsmaßnahmen sind mit zu kalkulieren.“
Wir sind also nach wie vor im von der DEGES gestalteten Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung. An den 2018 vorgestellten Varianten (die die alten autobahnähnlichen Planungen aus dem ursprünglichen Raumordnungsverfahren abgelöst haben) hat sich erst einmal nichts geändert, außer dass die naturschutzfachlichen Untersuchungen gezeigt haben, dass die beiden Südvarianten stark in Naturschutzgebiete eingreifen, die eigentlich zu 100 Prozent geschützt sein müssten. Genau das sollte sich im Jahr 2020 eigentlich komplett verbieten, auch weil selbst die „optimistischen Verkehrsprognosen“ keine starke Zunahme der Verkehrsströme mehr erwarten lassen.
In diesem Fall ist eigentlich die Ertüchtigung der vorhandenen Strecke die einzig sinnvolle Lösung.
Mehrheit der Planungswerkstatt spricht sich für die bestandsnahe Trassenvariante mit Tunnel aus + Update
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Keine Kommentare bisher
Gut ist es schon mal, wenn sich der Ökolöwe auch um Probleme im Landkreis bemüht. Besser wäre es, wenn sich die Leute vom Ökolöwen vor ihrer Initiative mit den Aktiven in der betroffenen Region in Verbindung setzen, die da wären: Alternative B 87, BUND und Nabu.