Im August schlug die Stadt Markkleeberg Alarm. Immer öfter suchen in den Morgen- und Abendstunden Wildschweine die Gärten und Grundstücke der kleinen Stadt im Leipziger Süden heim auf der Suche nach Futter. Mit Jägern wollte Markkleeberg den hungrigen Borstentieren beikommen. Aber das erweist sich noch schwieriger als gedacht.
Die Stadtverwaltung Markkleeberg hat zwar bereits im Juli Kontakt mit der Unteren Jagdbehörde beim Landkreis Leipzig und dem Revierleiter des Staatsbetriebs Sachsenforst, Oliver Hering, aufgenommen. Für zwei Gebiete – Abendsonne/Golfplatz und die Siedlung Großstädteln/Zöbigker – hat Markkleeberg als Grundstückseigentümer Anträge auf Jagd im befriedeten Bereich gestellt, teilt uns auf Nachfrage der Pressesprecher der Verwaltung, Daniel Kreusch, mit. Doch genehmigt wurde per 29. Juli 2019 nur der Antrag für den Bereich Abendsonne/Golfplatz.
Der andere Antrag wurde wegen der dichten Bebauung in Großstädteln/Zöbigker abgelehnt. Die Untere Jagdbehörde hatte mit der Genehmigung zwei befähigte Jäger namentlich festgelegt. Im August wurde die Zahl der Jäger dann auf vier erhöht, weil die bisherigen Abschüsse keine abschreckende Wirkung auf die Tiere gezeigt haben, so Kreusch.
Was die Erledigung so schwierig macht: Schwarzwild ist kein sogenanntes standorttreues Wild. Es hält sich an einem Tag an einer Stelle auf, am anderen Tag gegebenenfalls an einer anderen Stelle. Grundstücksgrenzen und kommunale Grenzen sind den Tieren natürlich egal. Grundsätzlich darf aber nur der Grundstückseigentümer bzw. der Eigentümer des Jagdrechts die oben genannte Sondererlaubnis beantragen. Das Jagdrecht ist in Markkleeberg verpachtet. Die Stadt hat also keinen Zugriff darauf. Ähnlich verhält es sich mit jüngst betroffenen Grundstücken. Sie gehören der Stadt Leipzig, der Kirche, Wohnungsbaugesellschaften und privaten Eigentümern.
Und die Schadensfälle nehmen zu, auch wenn die Stadt Markkleeberg die Schäden selbst nicht erfasst.
Daniel Kreusch: „Die Zahl der Schadensfälle werden im Rathaus nicht erfasst. Die Beschwerden dagegen schon. Die Stadtverwaltung haben im August drei schriftliche Beschwerden aus der Bevölkerung erreicht. Im September waren es vier. Im Oktober sind es bislang sechs. Darüber hinaus gibt es Telefonanrufe. Für 2018 liegen keine Zahlen zu Beschwerden aus der Bevölkerung über Wildschweine vor.“
Doch es gibt anhand der Bürgerhinweise momentan drei Schwerpunkte, in denen Schäden durch Wildschweine festzustellen sind. Das eine sind westlich des Cospudener Sees der Bereich um den Golfplatz, das Wohngebiet Abendsonne und die Mehringstraße. Betroffen ist aber auch der Stadtteil Großstädteln/Zöbigker insbesondere mit den Bereichen um das Caritas-Kinder- und Jugenddorf und die alte Siedlung Zöbigker. Und Probleme gibt es auch um Umfeld der Seenallee im Bereich am Marktkauf, am Kaiserweg und am Pappelwäldchen an der Seenallee.
Schäden im öffentlichen Bereich seien bislang nicht bekannt, so Kreusch, betont aber auch: „Damit kein Missverständnis entsteht: Wildschweine suchen nach unseren Erkenntnissen auch den Kees’schen Park auf. Die Fläche ist allerdings im Privateigentum.“
Aber was müsste aus Markkleeberger Sicht passieren, um das Problem in den Griff zu bekommen? Denn das Hauptproblem ist ja, dass es in Wohngebieten keine Jagdgenehmigung geben wird.
„Zum einen geht es um Aufklärungsarbeit, die wir bereits leisten bzw. mit Veröffentlichungen geleistet haben“, betont Kreusch. „Grundstückseigentümer sollten geeignete Maßnahmen ergreifen, um ihre Grundstücke und damit ihr Eigentum zu schützen. Dazu zählt das Einzäunen der Grundstücke. Die Zäune müssen durchschlupfsicher sein. Übergangsweise ist auch ratsam, mobile Elektrozäune aufzustellen. Komposthaufen sollten gesichert bzw. abgedeckt sein. Büsche sollten wenn möglich so verschnitten sein, dass sie den Wildschweinen keinen Unterschlupf bieten. Illegale Müllkippen sind zu vermeiden. Mit Blick voraus: Dazu zählt auch die Entsorgung von Weihnachtsbäumen. Trotz zahlreicher Aufforderungen durch Stadt und Landkreis bzw. KELL legen Bürgerinnen und Bürger die Bäume widerrechtlich an Müllplätzen ab und bringen sie nicht – wie gefordert – zum Wertstoffhof. Die Bäume ziehen Käfer und letztendlich Wildschweine an.“
KELL ist die Kommunale Entsorgung Landkreis Leipzig.
Aber aus Sicht der Markkleeberger Stadtverwaltung müsste der Jagddruck insbesondere im Pachtgebiet „Neue Harth“ erhöht werden.
„Hier läuft das Verfahren zur neuen Vergabe der Pacht. Die jetzige Pacht läuft am 31. März 2020 aus. Es liegt im Interesse der Stadt, die Pacht direkt im Anschluss zu vergeben“, so Kreusch.
Aber was ist dann eigentlich die Ursache dafür, dass die Wildschweine jetzt auf einmal aus den Wäldern kommen?
Aus Markkleberger Sicht sind es die beiden trockenen Sommer 2018 und 2019. Daniel Kreusch: „Aufgrund von zwei Trockenperioden in Folge finden Wildschweine im Wald nicht mehr genügend Nahrung und nähern sich besiedelten Gebieten. Das, was die Tiere hier vorfinden, ist wie ein reich gedeckter Tisch für sie. Die Tiere haben ein gutes Gespür dafür, wo sie Nahrung finden – und die Stellen merken sich die Tiere auch.“
Mit dem Problem stehe Markkleeberg aber nicht allein da, so Kreusch: „Dass Wildschweine in die Städte kommen, ist ein generelles Problem. Selbst Berlin machen die Tiere unsicher. Grundsätzlich geht es hier um Natur. Markkleeberg verfügt als Wohnstandort über Grundstücke und Wohnungen, die im klar städtischen Bereich liegen, aber auch Wohnstandorte im dörflichen Umfeld. Neubürger sehnen sich mitunter nach dieser nahen Natur. Das bedeutet auch, dass die Wohngebiete in den grünen Bereich vordringen. Wer dorthin zieht und Natur sucht, bekommt natürlich auch Natur.“
Verlässliche Zahlen zu Wildschweinpopulationen gibt es zwar nicht. Aber um das Problem anzugehen, könne man sich nicht wirklich nur auf Markkleeberger Gebiet beschränken, betont der Rathaussprecher.
„Unser Umweltbereich steht im ständigen Austausch mit der Unteren Jagdbehörde. Da sich die Tiere leider nicht an politische Grenzen halten, bietet sich vielleicht zudem das Gespräch auf Oberbürgermeisterebene mit den Nachbargemeinden an“, sagt Kreusch. „Mit den jeweiligen Jagdbehörden, Waldeigentümern und Jägern an einem Tisch könnten Erfahrungen ausgetauscht, Strategien besprochen und gemeinsam koordinierte Aktionen veranlasst werden.“
Wildschweine verirren sich in Markkleeberger Wohngebiete
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