Am 11. Februar startete die LVZ in der Delitzscher Ausgabe wieder einmal eine ihrer Pro-und-Kontra-Geschichten, in der sie suggerierte, dass man um den Werbeliner See nur einfach politisch debattieren müsse, dann sei alles möglich. Oder im Ton des Beitrags: „Der Naturschutz gehört zum See, doch er kann nicht dessen ausschließliche Zukunft sein.“ Beim NABU Sachsen reagiert man ziemlich sauer auf dieses inszenierte Scheingefecht.

Denn auch wenn es Karl-Heinz Koch, Amtsleiter im Delitzscher Rathaus, völlig anders sieht und gern ganz anders haben möchte: Der See darf nicht mehr zum touristischen Tummelplatz umgebaut werden. Und zwar nicht erst seit der Sicherstellung des Werbeliner Sees im Leipziger Norden im Sommer 2016 durch das Landratsamt Nordsachsen als Naturschutzgebiet.

Denn unter strengem Naturschutz steht dieser Bergbaufolgesee schon länger. Und das wurde auch in allen Entwicklungsplänen zum Leipziger Neuseenland so verankert. Wie kein anderer See hat sich dieser schon frühzeitig zum Biotop für zahlreiche geschützte Vogelarten entwickelt. Seit den 1990er Jahren haben staatliche Stellen alles dafür getan, damit sich dieses seltene Biotop in der Region stabilisiert, denn fast alle anderen künstlichen Seen haben sich derweil zu einem Tummelplatz vergnügungssüchtiger Menschen entwickelt. Darunter auch Seen, die eigentlich ebenfalls für eine naturnahe Entwicklung vorgesehen waren, wo aber die BürgermeisterInnen der Anliegergemeinden fanden, man müsse sie unbedingt „touristisch“ entwickeln. Im Ergebnis gibt es an vielen Seen dasselbe zuweilen sehr laute Überangebot.

So ein Kleinod wie der Werbeliner See ist selten, auch wenn 2016 mehrere Bürgermeister aus Nordsachsen gegen die Pläne des Landratsamtes protestierten.

Aber deutlich widerspricht der NABU Sachsen den Äußerungen von Karl-Heinz Koch, Amtsleiter der Stadt Delitzsch, der im LVZ-Beitrag äußerte, die Tagebaulandschaft im Süden von Delitzsch und hier insbesondere der Werbeliner See seien für Erholungs- und Sportzwecke gestaltet und saniert.

„Das Gegenteil ist der Fall“, erklärt dazu Joachim Schruth, beim NABU Sachsen für Naturschutzrecht zuständig. „Der Wert der Flächen für den Naturschutz in der Bergbaufolgelandschaft südlich Delitzsch wurde bereits frühzeitig erkannt. Dies belegen Untersuchungen des damaligen Staatlichen Umweltfachamtes Leipzig aus den Jahren 1992 bis 1994.“

Schon damals zeichnete sich ab, dass der See sich zu einem beliebten Aufenthaltsort für viele schützenswerte Wasservögel entwickeln würde.

In der Folge ist dann im Braunkohleplan als Sanierungsrahmenplan für den Tagebau Delitzsch-Südwest/Breitenfeld für den Werbeliner und Grabschützer See als Folgenutzung die Definition „Landschaftssee“ festgeschrieben worden.

Im Jahr 2006 erfolgte dann die Meldung des Gebietes „Agrarraum und Bergbaufolgelandschaft bei Delitzsch“ durch den Freistaat Sachsen als Europäisches Vogelschutzgebiet (SPA) gemäß der Richtlinie 79/409/EWG.

„Um einen ausreichenden Gebietsschutz zu sichern, war allerdings eine Umsetzung in nationales Naturschutzrecht notwendig“, betont Schruth. „Dies wurde im Juni 2016 mit der einstweiligen Unterschutzstellung von Flächen als Naturschutzgebiet (NSG) ‚Werbeliner See‘ erreicht. Damit wurde auch ein Erlass des Sächsischen Ministeriums für Umwelt und Landwirtschaft umgesetzt. Dieser fordert für bestimmte Arten, wie zum Beispiel für die im Gebiet vorkommenden Vogelarten Brachpieper, Steinschmätzer und Wiedehopf, sofortige Maßnahmen, um ihren Erhaltungszustand zu verbessern. Das Landratsamt hat also folgerichtig und vollkommen korrekt gehandelt.“

Was Ulrich Fiedler, Dezernent im Landratsamt Nordsachsen, im LVZ-Beitrag auch betonte: „Bereits kurz nach Beginn der Flutung im Jahr 1998 fanden in dieser besonderen Landschaft viele seltene und in Mitteldeutschland bereits ausgestorbene Arten wieder neue Lebensräume. Darunter auch 23 europaweit gefährdete Vogelarten, die besonders geschützt werden müssen. Dieser Realität Rechnung tragend, meldete der Freistaat Sachsen nach Beschluss des sächsischen Landtages das Vogelschutzgebiet zum dauerhaften Schutz im Jahr 2006 bei der Europäischen Kommission an. Der Werbeliner See ist wesentlicher Teil dieses Gebietes. Durch die Kommission wurde das sächsische Fachkonzept geprüft und bestätigt. Damit ist der Vogelschutz auf europäischer Ebene endabgewogen und als überwiegendes öffentliches Interesse durch alle Eigentümer und Behörden zwingend zu beachten.“

Das Pro-und-Kontra der LVZ aber suggeriert, als könne das alles einfach wieder rückgängig gemacht werden: „Freizeitspaß statt Vogelschutz am Werbeliner See?“

Nein, nicht wirklich. Und das weiß man auch in Delitzsch, das ganz und gar nicht auf diesen einen See angewiesen ist. Im Gegenteil. Delitzsch geht es als Stadt im einstigen Bergbaurevier genauso wie Leipzig: Es ist von lauter neu entstandenen Seen umgeben. Und einige davon sind längst für Freizeit- und Wassersportnutzung entwickelt.

Nachlesbar selbst auf der Homepage der Stadt: „Auf dem Weg nach Delitzsch trifft man auf den großen Goitzschesee bei Bitterfeld − ein Sport-, Freizeit- und Erholungsgebiet. Der dort schwimmende Pegelturm dient als Aussichtspunkt und bietet einen wunderschönen Blick auf die Villa am Bernsteinsee, die Bitterfelder Wasserfront und auf die Orte Pouch, Mühlbeck, Friedersdorf. Auf dem weiteren Weg erreicht man den Neuhauser See mit dem Wahrzeichen von Bitterfeld-Wolfen, dem riesigen „Bitterfelder Bogen“. In Delitzsch hat man die Möglichkeit zur Rast und im Süden der Stadt besteht am Werbeliner See die Möglichkeit zur naturnahen Erholung. Am Schladitzer See gibt es diverse Wassersportmöglichkeiten. Weiter führt die Tour vorbei am Zoo Leipzig hin zum Cospudener See, einem der beliebtesten Seen im Süden von Leipzig.“

Der Goitzschesee und der Schladitzer See sind die großen Wasserfreizeitparadiese im Leipziger Norden – übrigens auch noch nicht von den Leipzigern überlaufen. Die fahren lieber in den Süden an den Cospudener und den Markkleeberger See.

Druck machen einige Investoren, die am Werbeliner See unbedingt touristische Angebote schaffen wollen und das „Nein“ durch den Naturschutz nicht akzeptieren möchten und die dadurch bestimmten engen Spielräume gern aushebeln möchten.

„Der Mensch bleibt jedoch nicht außen vor“, lädt Schruth alle ein, die sich wirklich mal ein Bild vor Ort machen möchten. „So lädt ein Naturlehrpfad rund um den Grabschützer See schon jetzt zur Besichtigung und Erholung und zu sportlichen Aktivitäten ein. Die nächste Gelegenheit, die Natur und Artenvielfalt am See kennenzulernen, bietet sich am 7. Mai im Rahmen der von der Sächsischen Landesstiftung Natur und Umwelt (LaNU) organisierten Frühlingsspaziergänge.“

Der Grabschützer See liegt etwas westlich des Werbeliner Sees und ist ebenfalls Teil des Vogelschutzgebietes, das eben nicht nur die Seen umfasst, sondern auch die umliegende Landschaft.

Veranstaltungstipp des NABU:

Frühlingsspaziergang „Grabschützer See – Vom Braunkohletagebau zum Naturparadies“

Der NABU Sachsen lädt am 7. Mai 2017 ab 9 Uhr zu einem dreistündigen, 5 Kilometer langen, Frühlingsspaziergang durch das Vogelschutzgebiet am Grabschützer/Werbeliner See nördlich von Leipzig ein. Treffpunkt ist der Parkplatz am Naturlehrpfad Grabschütz (ausgeschildert), 04509 Zwochau. Joachim Schruth vom NABU Sachsen und der Ornithologe Michael Schulz begleiten die Gäste. Voranmeldung erwünscht. landesverband@NABU-Sachsen.de

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