Eigentlich ist es schon am 11. April passiert, ganz ohne öffentliche Diskussion: Da hat Oberbürgermeister Burkhard Jung ein Stück Leipziger Auwald in die Freiheit entlassen. In die Baufreiheit. Bis dahin war der Golfplatz in Markkleeberg immer nur ein Provisorium. Mitten im Naturschutzgebiet.
Das war 1995 schon einmal Thema, da stellte die Stadt zum ersten Mal einen Antrag auf Ausgliederung des 1993 angelegten Golfplatzes aus dem Naturschutzgebiet Leipziger Auwald. Das wurde damals abgelehnt. Der 25 Hektar große Golfplatz blieb Teil des Landschaftsschutzgebietes Leipziger Auwald. Baugenehmigungen für den Neun-Loch-Platz und die darauf stehenden Anlagen wurden immer nur befristet ausgesprochen. Auch Verlängerungen wurden immer nur befristet. Das war den Golfern wohl zu nervig.
Dabei galt der Naturschutz immer als wesentlicher öffentlicher Belang, der einer dauerhaften Baugenehmigung im Gebiet entgegen stand. Aber auch die Stadt Markkleeberg will das Provisorium beenden. Aber nicht, indem sie die Betriebsgenehmigung für den Golfplatz beendet, sondern indem sie beabsichtigt, den bestehenden Golfplatz planungsrechtlich dauerhaft zu sichern. Das geht schon eine ganze Weile so: Am 20. April 2010 wurde der Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplanes „Golfplatz Markkleeberg“ durch den Markkleeberger Stadtrat gefasst.
Aber den kann sie eigentlich nicht aufstellen, denn „Nutzungen, die dem Schutzzweck einer Landschaftsschutzverordnung entgegenstehen“, dürfen nach sächsischem Baurecht nicht in einem Bebauungsplan festgesetzt werden.
„Aus diesem Grund stellte die Stadt Markkleeberg am 15.08.2015 den Antrag auf Ausgliederung der Flächen des Bebauungsplanes ‚Golfplatz Markkleeberg‘ aus dem Landschaftsschutzgebiet ‚Leipziger Auwald‘“, stellt jetzt die Informationsvorlage des Leipziger Oberbürgermeisters fest. Er hat dem Anliegen stattgegeben.
Dass Leipzig überhaupt gefragt wurde, hat damit zu tun, dass mit der sächsischen Funktionalreform von 2008 auch geregelt wurde, welche Naturschutzbehörde für welches Landschaftsschutzgebiet zuständig ist. Die meisten Landschaftsschutzgebiete sind so groß, dass sie über die Grenzen mehrerer Gebietskörperschaften reichen. Für den „Leipziger Auwald“ wurde die Stadt Leipzig als zuständige Naturschutzbehörde festgelegt. Markkleeberg musste den Antrag zur Entlassung des Golfplatzes aus dem Schutzgebiet also in Leipzig stellen.
Das wurde auch im Amtsblatt veröffentlicht. Auch die Träger öffentlicher Belange hätten sich dazu äußern können, heißt es jetzt in der Ratsinformation. Aber das entsprechende Abwägungsprotokoll wurde nicht mit veröffentlicht. Nur das Ergebnis. Und das heißt: „Der Oberbürgermeister erlässt die Verordnung der kreisfreien Stadt Leipzig zur Ausgliederung des Geltungsbereiches des Bebauungsplanes ‚Golfplatz Markkleeberg‘ aus dem Landschaftsschutzgebiet (LSG) ‚Leipziger Auwald‘.“
Da es sich hier um eine Weisungsangelegenheit handele, müsse auch der Stadtrat nicht mit einbezogen werden. Hier sei allein die untere Naturschutzbehörde – also die Leipziger Stadtverwaltung – zuständig, sie müsse nicht mal die obere Naturschutzbehörde fragen (das müsste sie nur bei Nationalparks, Biosphärenreservaten oder Natura-2000-Gebieten: „Hiervon macht das sächsische Naturschutzrecht in § 48 Abs. 4 SächsNatSchG die genannte Ausnahme. Damit ist die Beteiligung des Stadtrates ausgeschlossen. Die im Regelfall durch den Gemeinderat zu treffende Entscheidung, § 4 Abs. 2 S. 2 SächsGemO trifft stattdessen der Oberbürgermeister und fertigt die Rechtsverordnung aus.“
Und damit es nicht überlesen wird, betont die Ratsinformation noch einmal: „Das Weisungsrecht ist unbeschränkt. Diese allgemeine Regelung gilt auch für die spezielle Zuständigkeitsregelung bei Unterschutzstellungen gemäß § 48 SächsNatSchG. Gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 2 sind die Kreisfreien Städte und Landkreise unter anderem für die Unterschutzstellung von Landschaftsschutzgebieten sachlich und örtlich zuständig. ‚Unterschutzstellung‘ umfasst dabei auch die spätere Änderung des Landschaftsschutzgebietes.“
Der zitierte Paragraph aus dem 2013 verabschiedeten Sächsischen Naturschutzgesetz bezieht sich wieder auf Paragraph 29 des Bundesnaturschutzgesetzes.
Aber da wird von so einer freizügigen Aufhebung eines Teils eines Naturschutzgebietes gar nicht gesprochen. Da heißt es nur: „Die Beseitigung des geschützten Landschaftsbestandteils sowie alle Handlungen, die zu einer Zerstörung, Beschädigung oder Veränderung des geschützten Landschaftsbestandteils führen können, sind nach Maßgabe näherer Bestimmungen verboten. Für den Fall der Bestandsminderung kann die Verpflichtung zu einer angemessenen und zumutbaren Ersatzpflanzung oder zur Leistung von Ersatz in Geld vorgesehen werden.“
Also zumindest der Ersatz müsste jetzt irgendwo geregelt sein. Aber davon steht kein Wort in der Vorlage.
Die Zuständigkeitsregelung für das Naturschutzgebiet „Leipziger Auwald“ von 2008.
Der Antrag der Stadt Markkleeberg.
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