Vielleicht werden sich ein paar Stadtratsfraktionen am 28. Oktober, wenn der Stilllegungsbeschluss der Stadtverwaltung auf der Tagesordnung steht, etwas seltsam vorkommen. Die Grünen-Fraktion zum Beispiel, die am 16. September so stolz darauf war, gegen den Linke-Antrag auf Erhalt der Linie 9 nach Markkleeberg gestimmt zu haben. Denn da hatte man sich auf eine forsche Zusage verlassen: Es werden keine vollendeten Tatsachen geschaffen.

Oder – wie im Grünen-Ticker auch nachlesbar: Der Grünen-Abgeordnete Michael Schmidt “appellierte dabei sowohl an die Stadtverwaltung wie auch an die LVB den offensiven Weg in die Öffentlichkeit zu gehen und die Pläne zur Zukunft der Linie 9 mit den Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren. Der Oberbürgermeister sagte dies zu. Bis zu einer endgültigen Entscheidung des Stadtrats soll auf den Rückbau der Gleise verzichtet werden. Bei der namentlichen Abstimmung, welche mit 23/36/0 ausging, stimmten die Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, SPD und CDU fast ohne Ausnahme gegen den Antrag.”

Hätten die Grünen dafür gestimmt, wäre der Linke-Antrag mit 33 zu 26 durchgekommen.

Aber der entscheidende Satz lautet: “Bis zu einer endgültigen Entscheidung des Stadtrats soll auf den Rückbau der Gleise verzichtet werden.”

Doch Erstaunliches erfährt man, wenn man bei der Deutschen Bahn nachfragt, die natürlich aus technischen und Sicherheitsgründen Interesse daran hat, dass die Straßenbahn in Markkleeberg das Gleisbett der Bahn nicht mehr kreuzt. Die Kreuzung ist eh ein Unikum und wurde auch in der Diskussion um die Zukunft der Linie 9 mehrfach thematisiert. Das hätte auch alles mitdiskutiert werden können, wenn es in Leipzig überhaupt eine Diskussion über die Einstellung des Linienastes gegeben hätte. Hat es aber nicht. Deswegen war der Linke-Antrag zur Nicht-Einstellung der Strecke am 16. September tatsächlich die erste Gelegenheit auch für den Leipziger Stadtrat, über das Thema zu diskutieren. Hinterher waren nicht nur die Grünen überzeugt, dass erheblicher Diskussionsbedarf besteht.

Aber was sie nicht wussten: Die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) hatten noch am selben Tag den Ausbau der Kreuzungsgleise am Bahnübergang in Markkleeberg in Auftrag gegeben. Die Bahn selbst hat den Termin nicht forciert. Die Terminierung kam tatsächlich von Seiten der LVB, wo man sich augenscheinlich noch vor der Entscheidung über den Antrag der Linksfraktion sicher war, dass man die Strecke nach dem 28. November, wenn der Betrieb der Linie 9 nach Markkleeberg eingestellt wird, auch technisch außer Dienst nehmen kann. Zumindest jenseits der Parkallee.

Denn vom 4. Dezember bis zum 9. Dezember ist jetzt geplant, die Straßenbahngleise links und rechts der Achse der Eisenbahngleise auf 3 Meter in der Rathausstraße herauszunehmen und durch eine Bahnübergangsausplattung zu ersetzen. Das schöne Wort stammt von den Technikern der DB, die wir wegen des Termins angefragt haben.

“Darüber hinaus finden Anpassungsmaßnahmen an der Oberleitung statt”, bestätigt die Bahn. Was ja heißt: In diesem Teilstück werden die Oberleitungen der Straßenbahn ebenfalls entfernt. “Die Arbeiten erfolgen durch einen Rahmenvertragspartner der DB Netz AG auf Kosten der LVB”, teilt die Deutsche Bahn AG mit.

Für die Bahn selbst ist das kein großer Akt, sie hat aktuell an dieser Strecke zwischen Markkleeberg-Gaschwitz und Leipzig-Kleinzschocher keine großen Bauarbeiten vor. Nur das benachbarte Stellwerk wird in Kürze auf Elektronik umgestellt: “Mittelfristig soll der Bahnhof Markkleeberg West mit einem elektronischen Stellwerk (ESTW) ausgerüstet und der derzeit wärterbediente Bahnübergang Rathausstraße Markkleeberg durch eine rechnergesteuerte Bahnübergangssicherungsanlage ersetzt werden”, so die Bahn.

Und die Vermutung, Bahn und LVB hätten sich nach Jahren zäher Verhandlungen auf den Rückbautermin verständigt, bestätigt sich nicht: “Die DB Netz AG war in die Entscheidungsfindung zum Rückbau der Gleiskreuzung nicht eingebunden. Der geplante Umbautermin wurde von der LVB am 16.09.2015 im Rahmen der regulären baubetrieblichen Anmeldung benannt und durch die DB Netz AG bestätigt.”

Berufen können sich die LVB dabei auf die Beschlüsse zum neuen Verkehrskonzept in Markkleeberg durch den Kreistag in Borna und den Markkleeberger Stadtrat, in dem die Straßenbahn nicht mehr vorkommt.  Lediglich für den Leipziger Teil, der sich bis zum Forsthaus Raschwitz erstreckt, gibt es bislang noch keine Entscheidung.

Schon ab dem 4. Dezember könnte die Straßenbahn also nicht mehr nach Markkleeberg-West fahren. Was freilich auch die Leipziger Diskussion verändert. Denn wenn der komplette Gleisabschnitt jenseits der Haltestelle Parkstraße sowieso nicht mehr befahrbar ist, sind auch alle möglichen Investitionskosten dort rein hypothetisch.

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Es gibt 4 Kommentare

Es war ein großer Fehler Markkleeberg nicht mit einzugemeinden.

Die Hauptverantwortlichen dafür sind vorwiegend in Markkleeberg zu suchen, nicht in Leipzig.

Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass es auch in Markkleeberg eine der ersten Amtshandlungen war, fachlich hervorragende Personen aus den Amtsstuben zu entfernen. Dazu gehörte übrigens auch der letzte Bürgermeister der Stadt. Ein fachlich hervorragender Mann. Eine Wertung, die nicht mit einer politischen Einschätzung verbunden ist.

In Markkleeberg war es als erstes besonders wichtig, dass der Begriff “Ratsmitglied” durch “Stadtdirektor” ersetzt wird. Bei meiner letzten Finanzrevision dieser Stadt im Zuge der Wiedervereinigung blieb mir nur eins übrig, den Kopf zu schütteln.

Das zügig vollendete Tatsachen geschaffen werden, ist in Leipzig hinsichtlich der Verantwortlichen bei der Stadt und LVB so neu nicht. Man denke nur an die Einstellung der Linien 22 und 24 und den raschen Rückbau der Gleise..
Markkleeberg ist und bleibt ohne Leipzig mit dessen vielfältigen Möglichkeiten bei Kultur, Sport, Unterhaltung, Einkauf usw. eine Schlafstadt. Die richtige Antwort auf den Affront des Landkreisen und Markkleebergs wäre die Zwangseingemeindung nach Leipzig!
Mindestens die Linie 9 bis Markkleeberg Mitte auf deren Kosten, denn etliche Einwohner möchten zum Connewitzer Kreuz oder Kinder in die Schulen im Leipziger Süden. Aber für nachhaltige Entwicklung der Gebietsstrukturen in und um Leipzig herum, wovon ja alle hier Lebenden profitieren würden, haben wir leider zu viele kleine Könige..

Die Tatsachen waren schon Monate, wenn nicht sogar ein/zwei Jahre vor jeglicher Beschließung vollendet, denn die Demontage muss ja auch geplant und bei Spezialfirmen in Auftrag gegeben werden, das alles dauert schon für sich eine gewisse Zeit.

Wie gesagt: Alles abgekartet. Schon seit Jahren.

Die Leipziger Verkehrsbetriebe betreiben massiven Vandalismus an ihrem Besitz.

Und warum? Wenn der operative Gewinn nach erfolgter Selbstzerstörung höher ausfällt, gibts fette Boni bei den Managern (in der 2. Reihe). Diese Leute gehen dann gepolstert in den Ruhestand und hinterlassen verbrannte Erde. Und der bekannte Geschäftsführer kann bei einem anderen und besseren Verkehrsbetrieb einsteigen, jung genug ist er ja noch. Also alles paletti.

Die Autostadt Leipzig hat’s jedenfalls verdient. Alles, was in den letzten 15 Jahren war: ein pures Desaster.

Der Citytunnel wurde ja vorher eingefädelt und wird nun wohl die einzige vernünftige Leistung der lokalen Verkehrspolitik für die nächsten Jahrzehnte bleiben.

Tatsachen schaffen – ohne Waffen.
Oder so ähnlich.
Naja.
Es gibt da wohl einige Akteure, für die das Ende der Straßenbahn nach Markkleeberg West gar nicht schnell genug kommen kann.

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