Am Dienstag, 26. Mai, soll die "Charta Leipziger Neuseenland 2030" feierlich auf der MS Markkleeberg auf dem Markkleeberger See unterschrieben werden. Für Wolfgang Stoiber, Vorsitzender des NuKLA e. V. nichts anderes als das Feigenblatt für eine regionale Politik, die gegen den Mehrheitswillen der Neuseenländer eine milionenteure Entwicklung für die Motorbootbesitzer vorantreibt.
Was hat der NuKLa e.V. nun aus der Vorstellung der überarbeiteten “Charta Leipziger Neuseenland”, die am 13. April in der Leipziger Volkshochschule vorgestellt wurde, mitgenommen? Geht das in die richtige Richtung?
Schon 2008 erklärte der damalige Chef der sogenannten Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland, Ex-Regierungspräsident Steinbach, die Seen müssten wirtschaftlich betrieben werden. Die ursprünglich mit der Einstellung der Tagebaue vorgesehenen Renaturierung wurde ad acta gelegt. Dies war eine einsame Entscheidung eines Gremiums, der sogenannten Steuerungsgruppe Neuseenland, das es eigentlich gar nicht gibt. Weder ein Gesetz, noch ein auf Grund eines Gesetzes abgeschlossener Vertrag zwischen Kommunen und Behörden, noch sonst irgendein demokratisch legitimierter Beschluss dient als Grundlage für Existenz und Arbeit dieses Gremiums, das sich den Anschein einer Behörde gibt. Die wiederum einen vermeintlichen Beteiligungsprozess für eine Regionalentwicklung durchführt. Das ist willkürliches Verwaltungshandeln.
Es stellt sich danach die Frage, was dieser Charta Prozess denn eigentlich ist.
Geht die Entwicklung aus Ihrer Sicht in die falsche Richtung?
Seit mehr als 15 Jahren finden in den Tagebaurestlöchern und in den Gewässern des Leipziger Auwaldes und der Stadtgewässer umfangreiche Veränderungen statt. Die Schleuse am Cospudener See wurde gebaut. Aus dem Connewitzer Wehr wurde ebenfalls wie durch Geisterhand eine Schleuse. Beide ausgerichtet auf Motorbootnutzung. Die Sanierung der Tagebaurestlöcher ist in Sanierungsrahmenplänen und bergrechtlichen Abschlussbetriebsplänen geregelt. Dort gibt es keinerlei Beteiligungsrechte. Unmittelbare Anlieger haben einen Anspruch auf Schutz. Allerdings nicht gesetzlich geregelt, sondern durch Rechtsprechung. Die Gestaltung der Tagebaurestlöcher entzieht sich also jeglicher Beteiligung. Finanziert aus Mitteln der „erweiterten“ Tagebausanierung. Ein Instrumentarium, das das deutsche Bergrecht nicht kennt. Bergrecht, das in seiner demokratischen Gestaltung, seiner Beteiligungsform mittelalterlicher Ausprägung ist (aus dieser Zeit stammt Bergrecht) – es gibt keine Beteiligung.
Zwischen dem Markkleeberger und dem Störmthaler See wurde ebenfalls eine Schleuse errichtet, die ebenfalls explizit für eine Motorbootnutzung vorgesehen ist. Der Markkleeberger See soll über einen weiteren Kanal, die sogenannte Wasserschlange, an die Pleiße angebunden werden, die derzeit ebenfalls für eine motorisierte Gewässernutzung vorbereitet wird.
Zwischen dem Zwenkauer und dem Cospudener See wird gerade ein Kanal gebaut, auch explizit für eine motorisierte Gewässernutzung. Ganz nebenbei wurde der Kanal „aufgeblasen“ von ursprünglich 10 Millionen Euro auf nunmehr über 22 Millionen Euro. Obwohl sämtliche Behörden vorher wussten, dass eine Baugrundvorbereitung nötig war, wurde diese Tatsache der Öffentlichkeit offensichtlich wohlweislich verschwiegen. Bei diesem Kanal, dem Harth-Kanal, kommt noch hinzu, dass er angeblich dem Hochwasserschutz dient, wofür allerdings schon jeweils ein Einlass- und ein Auslassbauwerk für über 20 Millionen Euro errichtet wurden, sowie der Floßgraben östlich an den Zwenkauer See angebunden wurde. Der hierfür erlassene Planfeststellungsbeschluss existiert seit 2009. Die Öffentlichkeit soll offensichtlich über den Zweck und die Notwendigkeit des Baus getäuscht werden.
Weiterhin wurden Stadthafen und Lindenauer Hafen errichtet. Selbstredend für eine Nutzung mit Motorbooten.
Also eine reine Politik für Motorboote?
Auf Wunsch der Kommunen wurden per Gesetz sämtliche Tagebaurestseen des Leipziger Südraums für schiffbar erklärt. Diese Schiffbarkeitserklärungen sind nichts anderes als die Umwidmung von Gewässern in Verkehrsflächen, in Wasser“Straßen“. Die dann natürlich auch so genutzt werden – als Straßen. Auf denen die Nutzung auch schon vorgegeben ist – motorisiert. Und zwar ohne, dass sich der Antrieb (verbrennungs- oder elektrisch getrieben) vorschreiben ließe. Die Nutzung öffentlicher Straßen lässt sich nicht, oder nur sehr begrenzt, einschränken. Die Art der Antriebstechnik überhaupt nicht.
Darüber hinaus gibt es ein sogenanntes „Wassertouristisches Nutzungskonzept“, obwohl es gar keinen Wassertourismus gibt. Auch nie geben wird. Was u. a. auch ein Ergebnis des letzten Gutachtens, dem Touristischen Großkonzept ist. Dieses WTNK ist nach Aussage des sogenannten Grünen Rings Leipzig, in dem die Stadt Leipzig Sprecherfunktion hat, und nach Aussage des Umweltministeriums kein behördlicher Plan. Somit mussten die Bürger nicht beteiligt werden. Sie wurden auch nicht beteiligt. Die Umweltverbände wurden nur informativ beteiligt, obwohl alle Gewässerumbaumaßnahmen an diesem Konzept ausgerichtet wurden. Ein Konzept, das auch ein „Schlüsselprojekt“ des Regionalen Planungsverbandes Westsachsen ist. In dem die Bürger ebenfalls keinerlei Einfluss haben. Ein Konzept, in dessen „Plänen“ irreführend alle Tagebaurestlöcher mit einem Segelboot als Nutzungssymbol ausgewiesen sind, gleichwohl seit 2008 von Verwaltung und Behörden händeringend nach Motorbooten gefleht wird – gegen den artikulierten Willen der Bürger. Und deshalb schon heute, und zwar ohne jeden Tourismus, mehr Motor- als Segelboote unterwegs sind.
Ein Konzept, dessen fehlenden Wirtschaftlichkeitsgrundlagen (Kosten in unbekannter Höhe verbunden mit Arbeitsmarkteffekten, die im niedrigen einstelligen Bereich liegen und Gewerbesteuereinnahmen, die vernachlässigbar sind), von der Einhaltung naturschutzrechlicher Gesetze ganz zu schweigen, schon seit 2002 bekannt sind!
Mit anderen Worten, es haben schon erhebliche Gewässerumbaumaßnahmen stattgefunden, die alle auf das Ziel einer motorisierten Gewässernutzung ausgerichtet sind. Geplant nach einem Konzept (WTNK), das rechtlich kein Plan ist, durchgeführt nach Plänen, die sich jeglicher Beteiligung entziehen (bergrechtliche Sanierungsrahmen- und Abschlussbetriebspläne), gesteuert von einem Gremium (Steuerungsgruppe Leipziger Neuseenland), das es rechtlich gar nicht gibt, flankiert von der Öffentlichkeitsarbeit eines Gremiums (sogenannter Grüner Ring Leipzig), das sich seine Arbeitsgrundlagen selbst gibt und ebenfalls jeglicher Kontrolle entzogen ist. Wie soll dieses Procedere anders beschrieben werden, als Verdummung, als behördliche Willkür?
Für diese Gewässerumbau- und Nutzungsmaßnahmen, die alle schon stattgefunden haben, wird ein vermeintlicher Beteiligungsprozess durchgeführt, der welches Ziel haben soll, wenn ein Großteil der beschriebenen Maßnahmen und Nutzungen schon umgesetzt sind?!
Welche Richtung soll denn nun richtig sein, wenn wesentliche Veränderungen, die der Umsetzung eines motorisierten Gewässerkonzepts dienen, schon umgesetzt sind?
Die jetzige Bürgerbeteiligung ist aus NuKla-Sicht also nur ein Mäntelchen für Entscheidungen, die längst gefallen sind?
Schon 2010 wurde der sogenannte „Schlüsselkurs 1“, vom Stadthafen zum Zwenkauer See, quer durch den Leipziger Auwald und hier insbesondere durch den Floßgraben inklusive einer motorisierten Nutzung eröffnet. Somit auch der Weg vom Zwenkauer See nach Hamburg. Wofür dann folgerichtig noch der Elster-Saale-Kanal nebst Schiffshebewerk für mehr als 120 Millionen Euro gebaut werden soll.
Die Richtung wurde durch die Politik von Kommunen und Freistaat doch schon vor 15 Jahren vorgegeben – ohne jegliche Beteiligung. Und zwar in Richtung einer motorisierten Gewässernutzung. Der jede andere Nutzung untergeordnet wird. Hierfür wurden vermutlich schon hunderte Millionen Euro aus allen möglichen öffentlichen Töpfen, also Steuermittel, ausgegeben. Die wiederum als Begründung dafür dienen werden, auch noch den Elster-Saale-Kanal nebst Schiffshebewerk zu errichten. Verbrannte Steuermittel, mit denen auch noch die sich wiederbelebende Natur zerstört wird.
Eine Richtung, die eine naturnahe Nutzung durch muskelbetriebene Boote oder einfach nur Naherholung im Wald und am Wasser zurückdrängt oder gar verhindert.
Dieser Richtung soll durch einen Beteiligungsprozess, der auch nicht ansatzweise irgendeine Form von Beteiligung darstellen kann, nachträglich ein demokratisches Deckmäntelchen umgehängt werden.
Beim Auwaldforum am 16. April im Naturkundemuseum plädierte das Bundesamt für Naturschutz für ein Gesamtkonzept für den Auenwald. Es gibt den FFH-Managementplan „Leipziger Auenökosytem”. Aber augenscheinlich halten sich nicht einmal Landestalsperrenverwaltung (LTV) und Umweltministerium selbst daran. Braucht die Leipziger Auwaldpolitik einen runden Tisch?
Dieser Managementplan hat behördenintern als Richtschnur zu gelten. Doch, in der Tat, hält sich insbesondere die LTV nicht an diesen Managementplan.
Neben diesem Managementplan gibt es auch eine Empfehlung des Landesamtes für Umwelt und Landwirtschaft (LfULG), den Leipziger Auwald zu einem sächsischen Vorzeigeprojekt für eine innovative Verknüpfung von integriertem Hochwasserschutz, Naturschutz und Umsetzung der Wasserrahmen-, FFH- und Natura2000-Richtlinien zu machen. Ansatzpunkte für ein gemeinsames Handeln gäbe es also genug.
Die Leipziger Auwaldpolitik braucht einen Runden Tisch. Doch es macht wenig Sinn, diesen auf den Leipziger Auwald zu begrenzen. In Wirklichkeit handelt es sich um ein Band, das von Zeitz bis nach Merseburg reicht. Der im Leipziger Stadtgebiet liegende Auwald ist ja nur ein Teil.
Dieser Runde Tisch könnte ein Gremium sein, in dem sich die Verantwortlichen der jeweiligen Kommunen und die Naturschutzverbände über gemeinsame Ziele und den Weg, diese Ziele zu erreichen, verständigen können. Glaubt man den öffentlichen Verlautbarungen der Verwaltung, liegen die verschiedenen Interessen ja gar nicht so weit auseinander. Außenstehende wundern sich auch regelmäßig über den vermeintlichen Dissens. Der allerdings ein bestehender ist, da zwischen dem, was öffentlich kundgetan wird und dem tatsächlichen Verwaltungshandeln Welten klaffen.
Auch die Äußerungen der verantwortlichen Stellen der Stadt zeigen ja immer wieder, dass man sich wohlweislich hütet, in die Gehege der Landestalsperrenverwaltung (LTV) einzudringen, die ihre Hochwasserschutzprojekte durchzieht, ohne dabei das Ökosystem Auwald wirklich zu reparieren. Sollte also eigentlich der Umweltminister mal zum Krisengipfel eingeladen werden?
Ja, die Verwaltung argumentiert tatsächlich, dass sie gegenüber der LTV keine Handhabe habe, da diese für die Gewässer 1. Ordnung zuständig sei. Letztlich ist jedoch jegliches Handeln ein politisches. Auch das Nicht-Handeln. Auch, wenn die Verwaltung keinen unmittelbaren Einfluss auf die LTV hat, so gilt es doch gemeinsam auf politischem Wege, über das SMUL die LTV zu „überzeugen“. Hierzu bedarf es aber eines klaren politischen Bekenntnisses der Verwaltung. Dieses fehlt bisher. Unter anderem aus diesem Grund ist seitens der Stadt Leipzig kein Widerstand gegen die Ausbaupläne der LTV beim technischen Hochwasserschutz erkennbar. Genau dieser verhindert jedoch eine Auenrevitalisierung und vor allem -dynamisierung. Mit diesem Bekenntnis macht es auch Sinn, gemeinsam mit dem Umweltminister nach Lösungen zu suchen.
Möglicherweise ist der Verwaltung der Stadt Leipzig und dem OBM die motorisierte massentouristische Erschließung der Leipziger Auwaldgewässer jedoch wichtiger als die großmundig postulierte ökologische Verbesserung des Auwaldes, denn hiermit kollidiert der Hochwasserschutz nicht. Im Gegenteil. Ausgebaute und kanalisierte Flüsse sind gut für die motorisierte Gewässernutzung.
Der 2. Teil des Interviews folgt in Kürze an dieser Stelle.
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