Sie spielen sich die Bälle zu: ein paar ältere Herren, die sich in einigen emsigen Vereinen versammelt haben, ein paar Angestellte in diversen Ämtern, die zu wenig zu tun haben, und ein paar Politiker, die sich mit Wasserprojekten gern ein bisschen Ruhm erwerben wollen. Ihnen allen ist es egal, wieviel Steuergeld ihre Träume kosten und ob sich das rechnet, was sie fordern. Ist das eine Puzzle-Stück gewonnen, arbeiten sie am nächsten. Der 106-Millionen Euro teure Weiterbau des Elster-Saale-Kanals hängt eng mit den Plänen für den Schleusenkanal Tornitz zusammen.

Die Errichtung eines sogenannten Schleusenkanals Tornitz, was eine klare Ausbaumaßnahme der Saale darstellt, ist nach der Auffassung des Arbeitskreises Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) ein weiterer erschreckender Ausdruck der Ignoranz der klaren Fakten und Tatsachen in Sachen Ökonomie, Ökologie und Klimaschutz.

Der angedachte etwa 7,5 km lange sogenannte Schleusenkanal Tornitz soll eine garantierte Tiefe von 3 Meter haben, während die Elbe nur eine garantierte Tiefe von 1,40 Meter aufweist. Somit ist der nachfolgende Ausbau der Elbe programmiert, da ansonsten die angedachten 1.000- bis 1.350-Tonnen-Schiffe für den Gütertransport diesen Fluss nicht befahren können.

So hat laut Wasser- und Schifffahrtsamt Magdeburg in den Jahren 1990 bis 2007 die Elbe durchschnittlich nur an 111 Tagen die erforderliche Fahrrinnentiefe von 2,50 Meter erreicht. In den Jahren zwischen 1997 und 2012 waren zwischen Saalemündung und Magdeburg 135 Tage und zwischen Tschechischer Republik und Saalemündung waren nur 125 Tage zu verzeichnen.

“Darüber hinaus wäre auch die Saale zwischen Halle (Saale) und Calbe (Saale) für Begegnungen zu schmal, so dass zumindestens in gewissen Abständen Ausweichstellen und am halleschen Hafen eine Wendestelle zu bauen sind”, kritisiert Andreas Liste, Vorsitzender des Arbeitskreises Hallesche Auenwalder (AHA) die Pläne, die seit 2008 auf dem Tisch liegen und ergänzt, dass in der Bundesrepublik keiner mehr 1.000- und 1.350-Tonnen-Schiffe baut, sondern stattdessen 2.500-Tonnen-Schiffe, welche eine garantierte ganzjährige Tiefe von 3 bis 4 m benötigen.

Schon frühere Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Ausbau der unteren Saale für den Güterverkehr beim derzeitigen Besatz mit auftraggebenden Unternehmen wirtschaftlich nicht tragfähig wäre.

“Darüber hinaus gibt es auch ein hydrologisches Problem”, betont Liste. “Zwar nimmt die Saale mit einem mittleren Abfluss von 115 m³/s zusammen mit der Havel Platz 2 hinter der Moldau als wasserreichster Nebenfluss ein, jedoch durchquert sie ein umfassendes Gebiet im Regenschatten des Harzes. Dieses Gebiet ist von einer durchschnittlichen jährlichen Niederschlagsmenge in Höhe von 450 mm gekennzeichnet. Klimaprognosen für den mitteldeutschen Raum lassen eine weitere Verringerung der Niederschlagsmengen auf ca. 300 mm erwarten. Somit ist es als problematisch zu sehen, wie die Saale den eigentlichen Lauf und einen ca. 7 km langen und ca. 3 m tiefen Kanal zusätzlich mit Wasser speisen soll.”

Des weiteren ginge wertvoller Ackerboden verloren. “Schon jetzt sind von 33.000 Hektar großen Acker-Wirtschaftsflächen des früheren Landkreises Schönebeck 9.000 Hektar ‘bergbaurechtlich’ verkauft. Ein Saale-Elbe-Kanal trägt zur Verschärfung dieser Situation bei”, so Liste.

Daran ändere nach Auffassung des AHA auch eine vom Schönebecker Diplom-Ingenieur Christian Jung ins Gespräch gebrachte Abkürzung über die Kiesseen zwischen Calbe (Saale) und Barby (Elbe) nichts. “Hier besteht sogar noch die Gefahr, dass die Kiesseen durch Eintrag von Auenschlick und Nährstoffen zusehends an Wasserqualität verlieren und verlanden könnten. Dem müsste man mit umfassenden und sehr kostenintensiven Ausbaggerungen begegnen. Auf Grund der Tatsache, dass Saaleschlamm noch immer sehr stark schwermetallbelastet ist, wäre dieser als Sondermüll zu behandeln und könnte nicht einfach im offenen Gelände gelagert oder gar auf Flächen aller Art ausgebracht werden”, kritisiert Liste. Und nennt dann die Zahlen: “Und das Ganze soll ja dann bis zu 150 Millionen Euro kosten. Nur immer wieder neue Gutachten und deren Auswertung erhöhen nur noch die Kosten, so dass man bestimmt bald von mehr als 200 Millionen Euro Kosten sprechen muss.”

Alles in Sachsen-Anhalt, von dem der Leipziger Stadtrat jetzt so generös erwartet, dass es hinter Günthersdorf den Elster-Saale-Kanal mit Schiffshebewerk für 106 Millionen Euro weiterbaut. Übrigens nicht für Güterschiffe, sondern für Fahrgastschiffe bis 44 Meter Länge. Das Projekt rechnet sich, weil nicht einmal Wirtschaftsverkehr dadurch generiert wird, erst recht nicht. Es spielt nicht einmal seine Unterhaltungskosten ein.

Aber so lange die politischen Akteure immer wieder alle Optionen für einen solchen Gewässerausbau an Saale und Elster offen halten, binden sie Mittel und verhindern andere Entwicklungsperspektiven für die betroffenen Landstriche.Und Andreas Liste stöhnt nur. Denn das geht nun so seit über 20 Jahren. Immer wieder kommen die Projekte auf die politische Tagesordnung, werden dann wieder zurückgestellt, weil sie nicht bezahlbar sind oder gegen den Naturschutz verstoßen. “Dabei sind alle diese Tatsachen nun schon oft genug begutachtet worden und somit umfassend und ausreichend bekannt. Sie lassen wenig Umweltverträgliches an der Form des Ausbaus und der Saaleschifffahrt erkennen”, sagt Liste. “Außerdem haben zum Beispiel der hallesche Wirtschaftsprofessor Zabel im Jahre 2008 und die jüngste vom Bundesverkehrsministerium in Auftrag gegebene Studie der Planco Consulting GmbH nachgewiesen, dass ein Saaleseitenkanal wirtschaftlich betrachtet, vollkommen überflüssig erscheint. Bereits die Prognosen der Planco-Studie von 230.000 bis 560.000 Tonnen Transportgut im Jahr erscheinen, angesichts der bisherigen Flaute im Schifffahrtsverkehr auf Elbe und Saale, sehr hoch gegriffen. Wenn selbst die offenbar mit der heißen Nadel gestrickte Studie der vom Verkehrsministerium Sachsen-Anhalts beauftragten Dresdner Firma LUB Consulting mit utopischen 1,5 Millionen Tonnen jährlich zum Tragen kämen, ergäbe dies (Zabel 2008) immer noch eine Subventionshöhe von 18,18 Euro/t. Das entspreche bei 1,5 Millionen Tonnen im Jahr eine jährliche Subvention in Höhe von 28.200.000 Euro an Steuergeldern. Somit ist weiterhin weder eine ökonomische, noch eine ökologische Basis für ein derartiges Vorhaben gegeben.”

An diesem Punkt ist auch der oft gern als preiswerter deklarierte Schiffsgütertransport nicht mehr rentabel. Denn damit er rentabel ist, braucht er (fast) das ganze Jahr verlässliche Wassertiefen und entsprechend große Querschnitte, damit die heutigen 2.000-Tonnen-Schiffe dort problemlos fahren können. Die Menge und die Verfügbarkeit entscheiden über den Preis. Und da hat die Bundesrepublik bekanntlich schon mit dem Main-Donau-Kanal die Grenzen des Wirtschaftlichen erreicht. Auf der Saale wäre der Sprung zur wirtschaftlichen Betreibung nicht zu schaffen.

Schon jetzt hat ein anderer, wesentlich flexiblerer Verkehrsträger Probleme. Liste: “Derweil hat die Deutsche Bahn auf der Strecke Halle-Magdeburg nur eine Transportauslastung von 30 Prozent. Unter anderem auf Grund derartiger Mangelbelastungen haben bei der Deutschen Bahn seit dem Beginn der Bahnreform im Jahre 1994 bundesweit etwa 160.000 Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verloren.”

Der AHA halte es deshalb weiterhin für dringend geboten, die Schiffe dem Fluss anzupassen und nicht umgekehrt. “Zudem gilt es die wertvolle, arten- und strukturreiche Natur und Landschaft für eine umwelt- und naturverträgliche Landwirtschaft sowie einen gleichgearteten Tourismus zu nutzen, um hier ernsthaft gefährdete Arbeitsplätze zu sichern”, betont er. Und bekräftigt die Forderung seines Vereins, das Vorhaben Saale-Elbe-Kanal nun endlich sowie endgültig zu stoppen und nicht weiter unnütz Steuermittel und personelle Ressourcen dafür einzusetzen.

Der Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle (Saale) e.V. (AHA) sehe es daher nur folgerichtig, wenn der Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer erste Schritte hin zum Stopp des Vorhabens Saaleseitenkanal tut. “Ferner wäre es dringend erforderlich, dass sich Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung mit einer Änderung des Bundesverkehrswegeplans endgültig von den Planungen für den ökologisch unverträglichen und ökonomisch unsinnigen Saaleseitenkanal verabschieden und in dem Zusammenhang auch einer weiteren diesbezüglichen Verschwendung von Steuermitteln einen Riegel vorschiebt”, sagt Liste.

Und weil vielen Leipzigern die ganzen Zusammenhänge jenseits der Landesgrenze nicht bekannt sind, lädt der AHA am nächsten Wochenende zu einer fünfstündigen Fahrradexkursion zum Mündungsgebiet der Saale in die Elbe ein.

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Stattfinden soll sie am Samstag, 27. Juli. Als Route ist folgende rund 25 km lange Strecke vorgesehen: Schönebeck (Elbe) – Gnadau – Calbe (Saale) mit Standort für geplanten Kanalbeginn – Tornitz – Barby (Elbe) am Elbe-Saale-Camp unweit der Fähre.

Die Fahrradexkursion beginnt um 8.00 Uhr am Salzblumenplatz in Schönebeck (Elbe). Nach einer Besichtigung der Einmündung der Saale in die Elbe besteht die Möglichkeit, beim Aufbau des Elbe-Saale-Camps zu helfen. Im Rahmen der Fahrradexkursion möchte der AHA vor Ort auf die Problematik Saaleseitenkanal und der Gefahr eines Ausbaus der Elbe hinweisen. Inhaltlich ist ferner vorgesehen, auf Fragen des Hochwassers und Anstieg des Grundwassers einzugehen. In dem Zusammenhang beabsichtigt der AHA, auf Möglichkeiten der Mitwirkung ehrenamtlich Interessierter im Rahmen einer angedachten AHA-Gruppe Elbe-Saale-Winkel hinzuweisen.

Von Leipzig fährt am 27. Juli um 6.40 Uhr ein Zug nach Schönebeck. Er kommt dort nach Fahrplan 8.19 Uhr an. “Auf die Leipziger könnten wir schon warten”, sagt Andreas Liste.

Wer Kontakt aufnehmen möchte: www.aha-halle.de

Das Wasserstraßen-Neubauamt Magdeburg zum Schleusenkanal Tornitz: www.wna-magdeburg.wsv.de/tornitz/index.html

Der Verein zur Hebung der Saaleschifffahrt zu den Kanal-Plänen: www.saaleverein.de/der-saaleausbau/schleusenkanal-tornitz/

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