Was den Kommunalvertretern in Leipzig und Umgebung gern verschwiegen wird, ist: Der auf 151 Millionen Euro kalkulierte Ausbau des Elster-Saale-Kanals bringt nicht einmal Motorboote nach Leipzig. Denn auch die Saale ist für einen Motorbootverkehr - gar in der Dimension kleiner Fahrgastschiffe bis 44 Meter - nicht ausgebaut. So wie um den Elster-Saale-Kanal geht in Halle und flussabwärts seit 20 Jahren das Tauziehen um einen Ausbau der Saalemündung.
In ihrem 2005 im Metropolis Verlag (Marburg) veröffentlichten Buch “Umweltbewertung und politische Praxis in der Bundesverkehrswegeplanung” haben Daniel Petry und Bernd Klauer vom Umweltforschungszentrum (UFZ) dieses Tauziehen einmal genauer unter die Lupe genommen und sich besonders mit den politischen Rahmenbedingungen beschäftigt. Denn nach wie vor ist die Saale in Bundeshoheit. Der Elster-Saale-Kanal ist es als Wurmfortsatz ebenfalls, auch wenn der Bund 2003 versucht hat, das Gewässer in Landeshoheit abzugeben. Das steht übrigens bis heute: Sowohl Sachsen als auch Sachsen-Anhalt haben es damals abgelehnt, das technische Bauwerk in ihre Hoheit zu übernehmen.
2005 war ein Jahr, in dem es kurzzeitig so schien, als könnte in den Ausbau der unteren Saale Bewegung kommen, nachdem es über zehn Jahre eine intensive Diskussion um den Umweltschutz an der Saalemündung gegeben hat. Hier gibt es ein wichtiges Auengebiet, das beim Einbau von Staustufen auf ähnliche Weise trocken gelegt worden wäre wie der Leipziger Auenwald. Bei Klein-Rosenburg war ein Schleusenkanal geplant, der eine Umfahrung der Saalemäander ermöglicht hätte – aber eben auch das Wasser der Saale abgeleitet hätte, das dann der wertvollen Aue gefehlt hätte. Auch ein Durchstich bei Trabitz war diskutiert worden. Das Ganze war auch Teil des Bundesverkehrswegeplans, der in den 1990er Jahren so ungefähr alles an Wünschen versammelte, was im Osten Deutschlands als Verkehrstrasse irgendwie denkbar war. Damals operierte man für eine mögliche Güterschifffahrt auf der Saale mit Tonnagen von 2,9 bis 5,2 Millionen Tonnen. Die waren für einen Schätzungsstand 1991 zumindest noch im Bereich realer Visionen.
Aber auch im Einzugsgebiet der Saale wurden ja dann flächendeckend die Industriebetriebe dichtgemacht. Es wurde auf Landesebene ziemlich schnell klar, dass man mit solchen Transportmengen auf der Saale nicht mehr würde rechnen können. Ab 1994 wurden deshalb die Maximaltonnage-Zahlen deutlich nach unten reduziert – auf 1,9 bis 1,5 Millionen Tonnen, letztere dann für 2004 benannt. Die Tonnagezahlen sind nicht ganz unwichtig, denn sie begründen die Rentabilität eines Verkehrsprojektes. Immerhin hatte man an der Saale schon in den 1990er Jahren knapp 30 Millionen Euro in den Ausbau des Hafens in Halle investiert. Das ist einer der Ankersteine, von dem aus die Saaleausbau-Befürworter in Halle operieren und immer wieder weitere Investitionen fordern.
Die würden sich, um die Schiffbarkeit der Saale im unteren Teil herzustellen, in der zeitweilig längsten diskutierten Variante – der Kanalvariante Calbe-Schönebeck – allein auf über 200 Millionen Euro beziffern. Zuletzt ernsthaft diskutiert wurde der Saale-Seitenkanal, der 2003 noch in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen wurde. Er würde östlich von Calbe abzweigen und unterhalb von Klein-Rosenburg wieder auf die Saale stoßen. Er würde zwar einen Ausbau der Saale in diesem Bereich verhindern. Aber mit den entsprechenden Schleusen würde er (nach den Berechnungen von 2003 und 2004) zwischen 72,6 und 75,3 Millionen Euro kosten. Die Planer gingen noch immer von einer möglichen Tonnage-Leistung von 1,5 bis 1,7 Millionen Tonnen aus.
Aber eine Industrieumfrage der Kanalbefürworter ergab lediglich noch 400.000 Tonnen verlagerbarer Gütertransporte im Bereich der Saale.
Aber selbst mit 1,5 Millionen Tonnen käme der Kanalausbau nur noch auf ein Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von 2,3. Aber auch 2003 galt für die Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan ein Mindest-NKV von 3 als Voraussetzung.
Mittlerweile muss dieser Schwellenwert nicht mehr herangezogen werden – aber die sparsame Haushaltspolitik zwingt heute mittlerweile zu wesentlich strengeren Auswahlkriterien für neue Verkehrsprojekte. Es braucht schon wirklich gute und handfeste Gründe, um so ein Projekt in die Bundesverkehrsplanungen zu bekommen.
Die Autoren des Buches gehen natürlich auf die teilweise schwierigen Diskussionsprozesse mit all ihren Akteuren ein, auch auf die Verwandlung des Projekts weg von einem rigiden Flussausbau hin zu einem Kanalprojekt, das auf das sensible Auensystem und vor allem auch die wichtigen Parameter des Grundwasserspiegels eingeht.
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Dabei wurde auch deutlich, dass mit dem Ausbau der unteren Saale mit einer verfügbaren Fahrrinnentiefe von mindestens 2,30 Meter noch gar nichts erreicht wäre. Denn auf der Elbe schließen sich die Folgeprobleme gleich an. Denn im entscheidenden Elbeabschnitt wird die notwendige Tauchtiefe von 2 Meter in der Regel zwischen 140 und 170 Tagen im Jahr unterschritten. Man wäre, wenn man hier Güterschifffahrt im angestrebten Sinn gewährleisten wollte, zu Flussausbaumaßnahmen an der Elbe gezwungen, die im dreistelligen Millionenbereich lägen.
Verständlich, dass der Bund nach dem ersten “Jahrhunderthochwasser” 2002 hier wesentlich zurückhaltender wurde, denn ein solcher Ausbau kanalisiert und beschleunigt den Fluss – verschärft also auch die Probleme im Hochwasserfall. Und damit wieder die wirtschaftlichen Folgekosten, die wesentlich höher sind als alle Kosten für einen Ausbau von Saale und Elbe.
Man hätte einen Rattenschwanz an Folge-Investitionen – aber nicht mal die Garantie, dass überhaupt 400.000 Tonnen transportiert werden. Womit sich das Nutzen-Kosten-Verhältnis noch weiter verschieben würde. Was noch nichts für die jetzt popularisierten Tourismus-Visionen heißt. Denn selbst das simple Beispiel Elster-Saale-Kanal zeigt, dass man bei einer rein touristischen Nutzung (selbst mit Fahrgastschiffen und Charterbooten) nicht einmal in die Nähe eines positiven Nutzen-Kosten-Verhältnisses käme. Man bekäme ja keine Nutzungsgebühren durch kommerzielle Schiffsfrachten herein.
Und die Umwegrendite, die die Gutachter für den jetzt im Leipziger Stadtrat vorgelegte Projekt aufgeschrieben haben, baut auf mehr als spekulativen Zahlen auf.
Daniel Petry, Bernd Klauer “Umweltbewertung und politische Praxis in der Bundesverkehrswegeplanung”, Metropolisverlag, Marburg 2005.
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