Am 22. April gab es nicht nur eine Einwohneranfrage - sondern gleich ein ganzes Bündel. Zeichen auch dafür, dass in der Leipziger Politik vieles gar nicht so klar ist, wie es sich die Akteure wohl denken. Eines der diffusesten Themen ist der Fluglärm. Auch nachts dröhnen die Flugmaschinen über Leipziger Stadtgebiet. Und keiner scheint zu wissen, warum sie das tun. Die "kurze Südabkurvung" soll's nach offizieller Auskunft nicht sein.
“Wir wohnen in Leipzig Lindenthal und werden fast täglich bei Ostwind (wie z.B. auch heute am 21.04.13) und dadurch Starts der Flugzeuge nach Osten durch die Südabkurvung in unserer Nachtruhe gestört”, meldeten sich also Bürger aus dem Leipziger Norden zu Wort. In der Zeitung habe gestanden, “dass die Südabkurvung angeblich nur von 06:00Uhr bis 22 Uhr benutzt wird, wir werden aber an mehreren Tagen im Monat noch nach 23 Uhr und deutlich vor 06 Uhr vom Fluglärm durch die Südabkurvung gestört/geweckt. Konkrete Beispiele können wir wenn erforderlich liefern. Es handelt sich hier um keine Ausnahmen sondern häufig um ca. 5 Flüge deutlich nach 22 Uhr!!”
Eigentlich ein Thema für den Lärmaktionsplan der Stadt Leipzig. Doch bis die mutige Stadtverwaltung sich traut, ernsthaft das Thema nächtlicher Fluglärm anzugehen, wird es noch eine ganze Zeit dauern.
Am 15. Mai hat Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal (Die Linke) die Einwohneranfrage schriftlich beantwortet. Und bringt – wie die DFS es ihm zuarbeitete – eine völlig neue Interpretation der nächtlichen Überflüge ins Spiel:
“Sehr geehrte Familie,
ich wurde durch den Ältestenrat beauftragt, Ihre Einwohneranfrage zur Ratsversammlung am 15.05.2013 schriftlich zu beantworten.
Für die kurze Südabkurvung in Richtung Ost bestehen folgende Nutzungsbeschränkungen: In der Zeit von 22:00 bis 06:00 Uhr darf diese Route nicht genutzt werden. Weiterhin besteht eine Gewichtsbegrenzung. Demnach dürfen diese Route nur Flugzeuge mit einem max. Startgewicht (MTOW) von bis zu 136 t nutzen. Dies ist im Luftfahrthandbuch Deutschland international veröffentlicht.
Eine Anfrage zu dem von Ihnen benannten Termin (21. 04.2013) für eine nächtliche Nutzung der kurzen Südabkurvung bei der Deutschen Flugsicherung wurde wie folgt beantwortet:
Bezugnehmend auf die Anfrage habe ich die Flugspuraufzeichnungen in den Nächten 20.- 21.04.2013 und 21.-22.04.2013 ausgewertet und es konnte keine Nutzung der Südabkurvung (auch nicht ein Fehlanflugverfahren) von mir festgestellt werden.”Und weiter: “Bei den von Ihnen beobachteten nächtlichen Flügen kann es sich auch um sog. Fehlanflugverfahren handeln (auch wenn dies hier im konkreten Fall verneint wird). Diese stellen ein standardisiertes, international übliches Verfahren dar, das zur Anwendung kommt, wenn ein Landeanflug nicht fortgesetzt werden kann, bzw. die sichere Landung aus verschiedenen Gründen gefährdet ist. Diese Gründe können z. B. sein: navigatorische Gründe, meteorologische Gründe, Flugsicherungsgründe (z.B. Tier auf Piste usw.), Probleme mit den Landeklappen etc.
Diese durchgeführten standardisierten Fehlanflugverfahren sind auch für den Flughafen Leipzig/Halle international im Luftfahrthandbuch Deutschland (AIP) veröffentlicht. Sie haben nichts mit der Nutzung der kurzen Südabkurvung zu tun. Die Flugzeuge starten in diesen Fällen durch und fliegen in einem Bogen zurück, um einen erneuten Landeanflug zu beginnen. Dabei kann die kurze Südabkurvung tangiert werden.
Sie haben neben der Flughafen Leipzig/Halle GmbH auch die Möglichkeit, sich zur Überprüfung der Zulässigkeit der Nutzung von Flugrouten direkt an die Deutsche Flugsicherung GmbH oder das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung als zuständige Überwachungsbehörde für die Einhaltung der An- und Abflugverfahren und der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zu wenden.
Bitte haben Sie Verständnis, dass die Stadt Leipzig nicht jede Flugbewegung selbst recherchieren kann. Die Stadt Leipzig hat zur Überwachung des Luftraumes keine Zuständigkeiten und Prüfungsmöglichkeiten.”
Fehlanflugverfahren also als Möglichkeit, zum Beispiel wenn sich die Frachtmaschinen auf der Startbahn Süd in der Nacht gegenseitig im Weg sind. Aber das schloss ja die DFS aus – ohne auch nur einen Hinweis dafür zu liefern, was da über den Häuptern der Lindenthaler dröhnen könnte. Die Wahrheit steckt wohl – wie so oft – in der Art des nächtlichen Flugbetriebs: Es sind nicht die leichtesten und auch nicht die leisesten und modernsten Flugzeuge, die da nachts mit Fracht an Bord fast ausschließlich auf der Start- und Landebahn Süd verkehren.
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Die Zahl der nächtlichen Starts und Landungen ist im April 2013 zwar gegenüber dem Vorjahr um über 8 Prozent zurückgegangen. Aber die Ursache dafür ist fast ausschließlich der deutlich spürbare Truppenabzug der USA aus dem Irak und inzwischen auch aus Afghanistan. Damit geht der Transit über Leipzig natürlich zurück. Die nächtlichen Frachtumschläge blieben erhalten.
Matthias Zimmermann, Sprecher der Bürgerinitiativen “Gegen die neue Flugroute” / “Gegen Flug- und Bodenlärm” hat in seinem Fluglärmreport für den April auch wieder beispielhaft einen Tag herausgegriffen – den 2. April – als kurz nach 3 Uhr im Minutentakt Maschinen der Lärmklassen 7 (Boeing 77L) und der Lärmklasse 8 (Airbus A306 und A30B) abhoben. Auch wenn in der Flugliste der Name European Air Transport Leipzig auftaucht, sind es allesamt Flugzeuge der DHL. Die European Air Transport Leipzig ist eine 100prozentige Tochter der DHL und die Flugzeuge fliegen im DHL-Outfit. Und wenn einige dieser Maschinen starten, erreicht ihr Lärmpegel auch über den angrenzenden Wohngebieten noch Spitzen von 83 bis 83,9 Dezibel. Das sind die Lärmspitzen, von denen auch noch Menschen aus dem Schlaf gerissen werden, die nicht in der “Lärmschutzzone” wohnen.
Das Fluglärmprotokoll von Matthias Zimmermann für April als PDF zum download.
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