Der Wahlabend am 23. Februar 2025 war im Neuen Rathaus zu Leipzig ziemlich ruhig. Es ging zwar um viel, aber wer die Wahl gewinnt, stand wohl schon fest. Die Fragen waren eher: Wer schafft es nicht in den Bundestag, wer holt das Direktmandat im Leipziger Norden und wie wird die Stimmverteilung? Zuerst gebührt die Aufmerksamkeit Dr. Christian Schmitt, seinem Team und den vielen freiwilligen Wahlhelfern Dank, in der sehr kurzen Zeit war die Vorbereitung und Durchführung der Bundestagswahl eine Herausforderung. Wir haben ihn danach gefragt.
„Es war ein ruhiger Wahltag, wir haben eine solide Organisation gehabt. Die Kolleginnen und Kollegen aus der Stadtverwaltung, aber auch die ehrenamtlichen Wahlhelfer haben ganz toll miteinander gearbeitet, haben mitgeholfen, dass diese Wahl so gut und so reibungslos funktioniert hat“, sagt Schmitt.
„Es war ein enormes Briefwahlaufkommen, wir hatten mehr Briefwahlanträge, Briefwählerinnen, Briefwähler als je zuvor. Über 150.000 Anträge, und die sind auch noch in der Hälfte der Zeit reingekommen. Also, das war eine ganz schöne Herausforderung für die Kolleginnen und Kollegen, die haben das aber bestens gemeistert. Und ja, vor dem Hintergrund war es eine solide Wahlorganisation.
Wir sind jetzt gespannt, was der Wahlabend mit sich bringt und welche Ergebnisse wir dann haben. Wir hatten auch sehr viele ehrenamtliche Meldungen von Wahlhelferinnen und Wahlhelfern, fast 10.000 Stück. Wir hatten noch nie so eine enorme Resonanz. Das ist ein ganz, ganz tolles Bild auch für die Investitionen in unsere Demokratie. Das ist wirklich ein tolles Engagement, das sich hier gezeigt hat in Leipzig. Wir haben damit deutlich mehr gehabt, als wir gebraucht haben.
Wir haben mit einer Reserve von ungefähr 6.000 Wahlhelferinnen und Wahlhelfern gearbeitet. In Anbetracht der enormen Resonanz konnten uns auch Grippewelle, Krankheitswelle in der Ferienzeit nichts anhaben. Wir hatten ausreichend vorgesorgt und es war eine tolle Arbeit von den Wahlhelfern und Wahlhelfern in den Wahllokalen.“
Aus eigenem Erleben klappte es so gut, dass gegen 17.30 Uhr noch zwei Frauen deren Briefwahlunterlagen nicht angekommen waren, die deshalb in ihrem Wahllokal abgewiesen wurden, weil sie als Briefwähler registriert waren, nach telefonischer Meldung an der Rathaustür noch ihre Unterlagen bekamen und an der Wahl teilnehmen konnten.
Die Stimmung im Rathaus
Der Ratssaal war fast leer. In der oberen Wandelhalle waren vielleicht 50 Menschen und die Räume der Parteien waren sehr unterschiedlich belegt. Bei den Linken steppte schon 18.30 Uhr der Bär, der Raum war voll und die Stimmung gut. Die Räume, in denen Grüne und SPD den Wahlabend verbrachten, waren noch fast leer.
Da kein CDU-Direktkandidat anzutreffen war, fragten wir Michael Weickert nach seinen Erwartungen, noch bevor die ersten Hochrechnungen einliefen.
„Einen langen Wahlabend, auch wenn sich jetzt schon deutlich abzeichnet, dass die Union stärkste politische Kraft im Deutschen Bundestag werden wird. Es wird sehr stark davon abhängen, ob FDP und BSW im Deutschen Bundestag einziehen. Aufgrund des neuen Wahlrechtes ist es ja ohnehin ein bisschen Lotto, wer auch dann konkret Abgeordneter werden wird. Aber es zeigt sich zumindest, dass Parteien, die eher im Bereich Sonstige sind, diesmal ja deutlich weniger Stimmen erhalten haben. Und das ist auch ein Trend, den ich sehr interessant finde.“
Angesprochen auf die vorausgegangenen Beschimpfungen der SPD und Grünen durch Friedrich Merz, sagte Weickert: „Also beschimpfen ist jetzt ein hartes Wort. Ich glaube, es ist von allen Seiten robust im Wahlkampf miteinander umgegangen worden. Und es geht natürlich immer darum: Der Wahlkampf ist jetzt zu Ende. Und es müssen stabile menschliche Brücken auf allen Seiten gebaut werden, um am Ende eine handlungsfähige, führungsstarke und entscheidungsfreudige Bundesregierung zu bilden.“
Alexander Gunkel und Peter Jess, die Direktkandidaten der FDP, zeigten sich zu diesem Zeitpunkt noch vorsichtig optimistisch. Gunkel: „Es wird ein spannender Abend auf jeden Fall. Sieht knapp aus, ich denke mal, wir werden das sehr spät wissen, wie es für uns wirklich ausgeht.“
Jess: „Wir haben mit so einem knappen Wahlergebnis wirklich gerechnet und wir haben schon gerade gesagt, wir werden bis zum Ende zittern und hoffentlich kommen wir rein, auch wenn es knapp ist.“
Wir rissen Sören Pellmann aus der gemütlichen Runde und fragten ihn nach der ersten Hochrechnung ebenfalls: „Wir haben die Situation, 8,5 % ist derzeit die erste Hochrechnung, die ersten Zahlen aus Leipzig laufen ein, die verheißen, dass es ein sehr guter Abend für die Linke auch in Leipzig, aber auch in Deutschland werden wird.“
Die Linke wurde kritisiert, dass sie im Wahlkampf sagte, sie wolle nicht regieren. Pellmann sagte dazu: „Wir haben ja gesagt, wir wollen nicht regieren, wir wollen verändern und wenn eine Veränderung möglich ist, dann muss man auch über Modelle nachdenken. Aber ich kann mir weder eine Wahl von Friedrich Merz, noch von Olaf Scholz derzeit vorstellen.“
Stanislav Elinson, den Direktkandidaten von Bündnis 90/Die Grünen, trafen wir nach der ersten Hochrechnung. Er konstatierte: „Einerseits ist das nicht das, was wir erreichen wollten. Auf der anderen Seite war das eine schwierige Regierungsbeteiligung in der Ampel.
Und man sieht, dass wir im Vergleich zu den anderen beiden Koalitionspartnern nur wenig verloren haben im Vergleich zu unserem Ergebnis von 2021. Insofern sind wir stabil geblieben. Aber die aktuelle Situation treibt natürlich die Polarisierung voran. Und da haben wir es als Partei der demokratischen Mitte schwer.“
Bei der SPD fragten wir Holger Mann, der derzeit Bundestagsabgeordneter ist, nach seiner Stimmung und wie es weiter geht.
„An einem Abend, wo die SPD ihr historisch schlechtestes Ergebnis haben kann, wie sollen wir da zufrieden sein? Es ist eine Niederlage, die wir nicht nur einräumen, sondern die wir auch annehmen. Von daher erstmal Glückwunsch an die Wahlgewinner von der CDU, und nichtsdestotrotz glaube ich, dass wir einen guten Wahlkampf gemacht haben und deswegen danke ich erstmal allen Wählerinnen und Wählern, die der SPD und auch mir persönlich die Stimme gegeben haben.
Heute Abend ist noch nicht klar, wie viele Fraktionen im nächsten Deutschen Bundestag sind. Auch dadurch nicht, welche Koalitionsoptionen es gibt. Das wird auf jeden Fall nicht einfach. Ich sag mal, der Oppositionsführer hat in den letzten Wochen alles dafür getan, es sich mit so ziemlich allen potenziellen Partnern zu verscherzen.
Insofern werden das schwierige Gespräche werden, egal wer sie miteinander führt. Aber der Auftrag geht an die CDU, dazu einzuladen.“
Der Abend geht zu Ende
Die Initiative „Leipzig nimmt Platz“ hatte zum Public Viewing vor dem Rathaus aufgerufen. Etwa 200 Menschen waren gekommen und verfolgten die Auszählung. Erwartbar wurden die Ergebnisse der Linken mit Beifall bedacht, aber gegen 21.00 Uhr war alles wieder vorbei. Es wurde abgebaut und ruhig.
Zwischen 20.30 und 21.00 Uhr hatten sich die Zahlen für Leipzig so weit gefestigt, dass Sören Pellmann als Gewinner des Direktmandates im Leipziger Süden feststand. Im Norden lag Christian Kriegel (AFD) mit etwa 24 % vor Nina Treu (Linke) und Jens Lehmann (CDU), die beide knapp über 21 % lagen. Die Linke jubelte ihrem Leipziger Frontmann zu und Pellmann wurde, als quasi Sieger des Abends, von allen Medien um Statements gebeten. Auch wir fragten ihn:
Herr Pellmann, wir haben es jetzt etwa 20.30 Uhr und eigentlich sieht es so aus, als ob Sie das Direktmandat schon gewonnen haben. Kann man das so sagen?
Sören Pellmann: Der Vorsprung ist so groß mittlerweile, dass ich glaube, dass die fehlenden Stimmbezirke, zumal, wenn man sie sich anschaut, nicht dazu führen werden, dass sich an dem Ergebnis noch etwas ändern wird. Und ich gehe mittlerweile jetzt schon davon aus, dass der Hattrick gelungen ist, dass ich zum dritten Mal den Leipziger Süden rot gefärbt habe.
Die Linke steht im Bundesschnitt bei 8 Prozent. Wie geht es jetzt weiter?
Das ist fast eine Verdopplung zu den Zahlen von 2021. Nach der Abspaltung hätte mit dieser Auferstehung keiner wirklich gerechnet. Wir haben das gehofft, aber es war immer schwierig. Wir sind jetzt gefordert.
Wir werden uns in den nächsten Tagen zusammensetzen mit allen neuen Abgeordneten der Fraktion Die Linke im Deutschen Bundestag, werden uns konstituieren, werden unseren Arbeitsplan aufstellen und dann werden wir auch schauen, welche Mehrheiten es im neuen Deutschen Bundestag geben wird und an welcher Stelle wir unseren Platz dann einnehmen werden.
Haben Sie schon etwas über die Ergebnisse der anderen Direktkandidierenden der Linken, besonders der „Silberlocken“ gehört?
Ich habe gehört, dass alle drei Silberlocken derzeit vorn liegen in ihren Wahlkreisen, also auch die, die direkt gewählt werden. Heidi Reichinnek hatte gar nicht den Anspruch, direkt gewählt zu werden, aber sie trägt wesentlichen Anteil daran, dass wir die acht vom Komma erreicht haben, mit vielen anderen, mit einem starken Team an der Seite.
***
Die Zahlen hatten sich für Leipzig, aber auch bundesweit, gegen 21.00 Uhr gefestigt. Offen blieb noch das Schicksal von FDP und BSW. Die Vertreter der Parteien verließen das Rathaus in Richtung der Wahlpartys oder um die Wunden zu lecken. Es waren keine großen Veränderungen zu erwarten, zumal auch das Ergebnis von FDP und BSW aufgrund des knappen Abstands zur 5-Prozent-Hürde erst am späten Abend feststehen würde, also machten auch wir Schluss.
Die Interviews finden Sie als Video im Liveticker vom 23. Februar.
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