Seit 2015 sind sie nicht nur das Lieblingsthema der Rechtsextremen und Populisten, sondern auch der konservativen Parteien, die glauben, mit einer verschärften Politik gegen Flüchtlinge und Migranten könnten sie bei Wählern punkten. Dabei sind sie es auch, die seitdem die Bedingungen für Geflüchtete immer weiter verschärfen. Dazu gehört auch die Einführung der Bezahlkarte, um die auch Leipzig nicht herumkommt.
Die Stadt Leipzig wird ab 2025 offiziell die sogenannte Bezahlkarte einführen. Mit dieser Karte dürfen Asylbewerber nur noch maximal 50 Euro Bargeld pro Monat abheben. Alle weiteren Zahlungen müssen per EC-Karte getätigt werden. Ziel dieser Maßnahme sei es, Schwarzmarktgeschäfte zu reduzieren und zu vermeiden, dass den Familien Geld in die Heimatländer geschickt wird. So begründen die konservativen Politiker diese Maßnahme.
„Die Bezahlkarte kommt überstürzt und ist nicht durchdacht“, kommentiert Sven Morlok (FDP), Vorsitzender der Freien Fraktion im Leipziger Stadtrat, die Einführung. „Wir erschaffen wieder einmal ein wirkungsloses Bürokratiemonster. Alle benötigten Ressourcen wären an anderer Stelle so viel produktiver eingesetzt. Gerade in der Bearbeitung von Ausländerrechtsanliegen hängen die Verwaltungen teilweise Jahre zurück. Die positiven Effekte hingegen werden nicht zu merken sein. Die Bezahlkarte soll nicht etwa den Flüchtlingsstrom beeinflussen, sondern vielmehr die Stimmung von Wählerinnen und Wählern in Deutschland.“
Morlok räumt ein, dass es sogenannte Pull-Faktoren gibt, die Deutschland zu einem attraktiven Ziel für Geflüchtete machen. Dazu gehören beispielsweise höhere Sozialleistungen als in anderen europäischen Ländern. Wer jedoch glaube, dass die Einführung der Bezahlkarte die Flüchtlingszahlen reduzieren werde, der liegt seiner Ansicht nach völlig falsch.
Völlig falsche Flucht-Bilder
„Glauben wir wirklich, dass Menschen, die sich auf die Flucht begeben haben, ihre Entscheidung davon abhängig machen, wie viel Geld sie auf einer Karte in Deutschland abheben können?“, fragt Morlok. „Glauben wir, dass dies das Diskussionsthema in einem Kriegsland wie Syrien ist? Glauben wir ernsthaft, dass eine Familie in Subsahara-Afrika, die aus wirtschaftlichen Gründen jemanden auf den gefährlichen Fluchtweg nach Europa schickt, diese Entscheidung revidiert, nur weil Deutschland eine Bezahlkarte einführt und der monatliche Abhebebetrag auf 50 oder 100 Euro begrenzt wird? Ich halte das für sehr naiv.“
Morlok stellt weiter fest: „Wer einen Blick auf die Geschichte Deutschlands wirft, erkennt schnell, wie wenig effektiv die Bezahlkarte wohl sein wird. Nach den beiden Weltkriegen, als die Reichsmark praktisch wertlos war, gingen die Deutschen auf ein Tauschsystem über, bei dem Zigaretten als Währung genutzt wurden. Was hindert Flüchtlinge daran, ähnliche Taktiken anzuwenden, um die Bezahlkarte zu umgehen und an das geschätzte Bargeld zu kommen?“
Sven Morlok stellt außerdem infrage, wie realistisch es ist, eine Million Flüchtlinge und ihr Ausgabeverhalten effektiv zu kontrollieren und zu überwachen. Die Freie Fraktion sieht in der Einführung der Bezahlkarte eine Maßnahme, die zwar politisch gewollt sein mag, jedoch wenig greifbare Auswirkungen auf das eigentliche Problem haben wird.
Dem Stadtrat sind die Hände gebunden
Im Stadtrat gab es schon mehrere Vorstöße, die Einführung der Bezahlkarte in Leipzig zu verhindern. Aber das liegt nicht im Ermessen des Stadtrates, stellte das Sozialdezernat in einer Antwort auf einen Antrag der Linksfraktion hin fest. Denn das entscheidet ganz allein die Landesregierung in Dresden.
Der OBM muss umsetzen, was die Landesregierung anweist: „Entsprechend einem Schreiben der Landesdirektion Sachsen vom 08. Mai 2024 folgt daraus, dass die grundsätzliche Frage der Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete sowie Vorgaben zur inhaltlichen bzw. technischen Ausgestaltung der Karte in die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters fallen. Eine beschließende Zuständigkeit des Stadtrates ist nicht gegeben.
Der Oberbürgermeister ist in Auftragsangelegenheiten vollständig dem Weisungsrecht der zuständigen Behörde des Freistaates unterworfen. Er bzw. die Stadtverwaltung kann daher einen Beschluss des Stadtrates keinesfalls als Erwägung im Ermessensfall heranziehen.
In gebundenen Entscheidungen zählt allein die rechtliche Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen, dabei ist für die Berücksichtigung politischer Meinungen in der Regel kein Raum. Wird dem Oberbürgermeister eine Weisung durch die übergeordnete Behörde erteilt, muss er diese befolgen und kann sich nicht auf eine entgegenstehende Stellungnahme des Stadtrates berufen.“
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“In gebundenen Entscheidungen zählt allein die rechtliche Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen, dabei ist für die Berücksichtigung politischer Meinungen in der Regel kein Raum.” Und da gibt es doch auch schon die ersten Urteile. Die Bezahlkarte, wie sie auch in Sachsen geplant ist, ist verfassungswidrig. Die Landesdirektion kann die Stadt Leipzig nicht zwingen das Grundgesetz zu brechen. https://www.lto.de/recht/nachrichten/n/sg-hamburg-s7ay41024er-bezahlkarte-bargeld-grenze-rechtswidrig