Die Initiative „Seebrücke Leipzig“ rief für Sonntag, den 17. November, zu einer Kundgebung vor dem Neuen Rathaus in Leipzig auf, um gegen den Antrag der CDU-Fraktion im Leipziger Stadtrat „Kein sicherer Hafen für illegale Migration!“ zu protestieren. Trotz Kälte, Wind und Regen kamen etwa 100 Menschen und drückten ihre Unterstützung für das Anliegen aus. Die Stadt Leipzig ist seit 2020 Mitglied im „Bündnis Städte Sicherer Häfen“.
Bereits 2019 hatte sie sich bereit erklärt, bis zu 100 geflüchtete Menschen zusätzlich zum Verteilungsschlüssel aufzunehmen. Dagegen gibt es schon länger Widerstand von Seiten der AfD, die jetzt den Antrag „Kein sicherer Hafen für illegale Migration!“ im Stadtrat einbrachte. In der letzten Woche legte die CDU-Fraktion einen Ersetzungsantrag mit dem gleichen Titel vor, der die Forderungen noch verschärft.
Dazu sagte uns Lilly von der Initiative „Seebrücke Leipzig“: „Wir stehen dem entgegen, wir sind nicht damit einverstanden und möchten, dass dieser Antrag nicht durchkommt und nicht durchgesetzt wird. Wir möchten, dass Leipzig ein sicherer Hafen bleibt, eine sichere Stadt für Menschen, für Migrant*innen, für Asylbewerber/-innen und dass die Stadt sich dazu weiterhin verpflichtet. Wir stehen als Leipziger Gesellschaft hier und stimmen diesem Antrag nicht zu. Deshalb stehen wir hier und wollen heute auf dieser Kundgebung laut sein.“
Auch einige wenige Vertreter der Parteien im Stadtrat waren anwesend. Juliane Nagel, Stadträtin und Landtagsabgeordnete der Partei Die Linke, engagiert sich schon lange in der Hilfe für geflüchtete Menschen.
Sie sagte uns: „Aus meiner Sicht hat die CDU relativ schnell einen Änderungsantrag zu dem AfD-Antrag eingereicht, der diesen Antrag der AfD nochmal verschärft. Der Antrag der CDU ist noch weitreichender, die Patenschaft der Stadt Leipzig mit dem Seenotrettungsschiff Rise Above von Mission Lifeline soll aufgekündigt werden.
Die Mitgliedschaft der Stadt Leipzig im Städtenetzwerk sichere Häfen soll gekündigt werden. Also die CDU hat das sozusagen nochmal expliziter und ausführlicher gemacht. Ich finde, das ist schon wert, jetzt laut zu werden aus der Zivilgesellschaft heraus.“
Das Bekenntnis ist nur ein Bekenntnis
In ihrem Redebeitrag führte Juliane Nagel auch aus, welche Folgen die Beschlüsse von 2019 und 2020 wirklich hatten.
„Die Stadt Leipzig hat gesagt: Ja, wir machen das und wir machen das nicht nur symbolisch, sondern wir sagen ganz klar, wir nehmen erstmal 100 Personen mehr im Jahr auf, als uns zugeteilt werden. Wir haben dann, nach zwei, drei Jahren mal nachgefragt, was ist denn daraus geworden ist. Die Antwort war, wir haben vier mehr aufgenommen. Es wurde auch begründet, warum das so ist.
Die Aufnahme von Geflüchteten in Deutschland ist durch das Asylgesetz reglementiert, durch Bund und Land, und der Freistaat Sachsen hat einfach nicht mehr Leute nach Leipzig zugewiesen, sodass dieses Bekenntnis zum sicheren Hafen mehr oder weniger nur ein Bekenntnis geblieben ist.
Wir haben als Stadtrat gesagt: Lasst uns diesen Beitritt nicht als leere Formel stehen lassen, sondern wir verbinden das mit der Patenschaft für das Rettungsschiff und mit einer Spendenkampagne für diese NGO. Das ist beschlossen worden im Stadtrat und es gab auch mehrere Treffen von Mission Lifeline Vertreter/-innen und dem damaligen Sozialbürgermeister.
Es wurde geschaut: Wie können wir die Spendenaufrufe noch besser in die Öffentlichkeit bringen, wie kann die Patenschaft mit Leben erfüllt werden? Da ging nicht viel, weil auch hier die Kommunalaufsicht in Sachsen der Stadt Leipzig zum Beispiel die Verdopplung von Spenden, die von Bürger/-innen eingenommen werden, untersagt hat.“
Wir haben zu diesem Thema bei der Stadtverwaltung nachgefragt, die Antwort steht noch aus. Wir werden nach Eingang darüber berichten.
Die Rednerinnen von Seebrücke Leipzig, Alarm Phone, Refugee Law Klinik, See-Eye und anderen Initiativen zeigten sich empört über den Antrag der CDU-Fraktion, forderten dessen Rücknahme und kündigten weiteren Protest plus eine Petition an.
Eine Anmerkung: Das Rathaus war zum Sonntag geschlossen und dunkel. Nur aus einem Fenster der CDU-Fraktionsgeschäftsstelle fotografierte jemand die Demonstration. Wo werden wir diese Bilder sehen?
Fazit: Die Aufhebung der Beschlüsse zum „Sicheren Hafen“, die von AfD und CDU gefordert wird, löst keines der Probleme der Migrationspolitik. Es sind rein populistische Anträge, um eine weitere Spaltung der Stadtgesellschaft voranzutreiben. Wenn der Stadtrat diese Beschlüsse aufhebt, kommt kein geflüchteter Mensch weniger nach Leipzig, die Situation in den Unterkünften verbessert sich nicht und die Stadt hat minimale finanzielle Ersparnisse, wenn überhaupt.
Dem entgegen steht, dass Leipzig für dringend benötigte Fachkräfte aus dem Ausland wieder etwas unattraktiver wird. Mit der Aufhebung der Beschlüsse entsteht für diese der Eindruck: Leipzig reiht sich, hinter Dresden, in die Liste der Städte ein, in denen ausländische Menschen nicht erwünscht sind.
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