Seit April geisterte nun der von Andreas Geisler verfasste Antrag der SPD-Fraktion durch die Gremien des Stadtrates, in dem er auf das Problem der Leipziger Feldraine aufmerksam macht beziehungsweise auf ihr Verschwinden. Denn wo sie einstmals zwei bis zweieinhalb Meter breit waren und einen grünen Saum zwischen Feldern und Straßen boten, sind sie heute oft bis auf einen halben Meter an die Straße umgepflügt. Mit drastischen Folgen.
Die aber der vorbeifahrende Laie kaum sieht, wenn ihn nicht in Schulzeiten der Naturkundelehrer darauf aufmerksam gemacht hat, was so ein Feldrain eigentlich alles bedeutet – der Abstand von der staubigen Straße ist dabei noch das Geringste. Normalerweise wuchsen dort straßenbegleitend einst ganz selbstverständlich Obstbäume. Hier siedelten sich all die Pflanzen an, die von den leer geräumten Feldern verdrängt wurden, sie wurden zum Lebensraum für Tiere, Vögel und Insekten. Stichwort: Biodiversität.
Dazu boten sie oft auch noch Windschutz und waren wichtige Wasserspeicherflächen. All das geht verloren, wenn diese Feldraine, die in der Regel eigentlich mit zum Straßenraum gehören und damit in Trägerschaft der Stadt sind, einfach untergepflügt werden. Das thematisierte Andreas Geisler schon in der Oktober-Ratsversammlung, als sein Antrag noch einmal vertagt wurde.
Vielleicht war der Antrag auch zu detailliert und mutete vielen Stadträten, die mit Biologie sowieso nichts am Hut haben, auch schon zu viel zu. Was ja noch viel spannender wird, wenn die Stadt endlich den zweiten Teil des versprochenen Landwirtschaftskonzepts vorlegt, in dem dann beschrieben werden muss, wie Leipzig eigentlich eine naturverträgliche Landwirtschaft bekommen will. Die Feldraine gehören natürlich mit dazu.
Gefahr im Verzug
Und AfD-Stadtrat Beyer hätte deshalb Geislers Antrag gern dorthin verwiesen. Was aber aus Geislers Sicht keinen Sinn ergibt, weil die Feldraine, wenn sie in Trägerschaft der Stadt sind, auch von der zuständigen Straßenbehörde mit gepflegt werden müssten. Was aber irgendwie nicht geschieht. Es streiten sich die Ämter, wie Andreas Geisler in seiner Rede am Donnerstag, 21. November, feststellte.
Auch wenn die Stellungnahme der Stadt in langer Reihung auflistet, wer da alles schon irgendetwas macht, um die Biodiversität an den Straßenrändern zu bewahren.
Nur zeigt der Blick in die Leipziger Landschaften, dass trotzdem vielerorts die Feldraine fehlen. Und dass augenscheinlich doch niemand da ist, der sich um die Wiederherstellung dieser wichtigen Schutz- und Wiesenstreifen kümmert. Für Andreas Geisler ein Punkt, an dem er „Gefahr im Verzug“ sieht.
Denn die heutige Landwirtschaft – auch im Leipziger Raum – ist von einem massiven Schwund besonders von Tieren und Vögeln bestimmt, die früher einmal in landwirtschaftlichen Gefilden ganz selbstverständlich vorkamen – vom Hasen bis zum Rebhuhn. Ihnen fehlen schlicht die Schutz- und Rückzugsräume.
Und so beantragte die SPD-Faktion: „Der Oberbürgermeister wird beauftragt, einen Maßnahmenplan zu erarbeiten, wie die Randstreifen von Straßen zwischen den Leipziger Ortslagen und die Wirtschaftswege zwischen den Feldern in der Stadt beidseitig begrünt werden können bzw. wie die Begrünung erhalten oder wiederhergestellt werden kann. Dazu wird dem Stadtrat bis zum IV. Quartal 2024 ein Vorschlag vorgelegt.“
Doch diesen Vorschlag gibt es nicht. Vielleicht taucht ja tatsächlich im Landwirtschaftskonzept (dessen Umsetzung Geisler frühestens 2030 erwartet) so ein Passus auf, der auch signalisiert, dass das Problem verstanden wurde. Und der vor allem ein Amt benennt, das sich auch um die Einhaltung der Feldrain-Flächen kümmert. Oder tatsächlich Feldraine systematisch in die Pflege der nebenan wirtschaftenden Bauern gibt.
Am 21. November jedenfalls wollte sich die Stadtratsmehrheit mit dem Thema überhaupt nicht beschäftigen und lehnte den SPD-Antrag mit 19:25 Stimmen bei 18 Enthaltungen ab. Ein Abstimmungsergebnis, das zumindest ahnen lässt, dass dieses Thema nicht abgegessen ist, sondern früher oder später wieder auf der Tagesordnung steht.
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