Spätabends in der Ratsversammlung am 21. November ging es dann noch um ein richtig heißes Eisen – den Leipziger Grundsteuerhebesatz für 2025. Der Termin 1. Januar steht. Die neue Grundsteuer muss eingeführt werden, so hat es der Gesetzgeber beschlossen. Aber die Reform beseitigt eben auch Ungerechtigkeiten, die sich über fast 90 Jahre angesammelt haben. Doch die, die dann mehr zahlen müssen, haben natürlich zu Tausenden einen Widerspruch eingereicht.
Finanzbürgermeister Torsten Bonew nannte am 21. November auch die Zahlen: 59.000 Einsprüche sind beim Finanzamt eingegangen. Das betrifft fast ausschließlich Grundstücke am Stadtrand, vor allem Eigenheime, die in der Vergangenheit deutlich weniger Grundsteuer zahlen mussten. Die Hauptlast bei der Grundsteuer lag all die Jahre immer in den dicht bebauten Innenstadtquartieren.
Das war ungerecht und hat auch heftig zur Zersiedelung der Landschaft beigetragen. Aber wenn alle Steuersätze hätten gleich bleiben sollen, hätte es keiner Reform bedurft, erklärte Linke-Stadrat Sören Pellmanm an diesem Abend, nachdem auch schon FDP-Stadtrat Sven Morlok die beiden Änderungsanträge der AfD-Fraktion zerpflückt hatte.
Denn wo AfD-Stadtrat Beyer von einer Erhöhung der Leipziger Grundsteuereinnahmen 2025 auf 109 Millionen Euro fabulierte, hat er schlicht die Vorlage nicht verstanden, oder – so Morlok – aus taktischen Gründen einfach mal weggelassen, wo denn nun die 7 Millionen Euro herkommen sollen, wenn dann statt der vorgeschlagenen 450 Punkte Hebesatz nur ein von der AfD-Fraktion hemdsärmelig berechneter Satz von 420 Punkten erhoben wird.
Denn das würde bei einem niedrigeren Hebesatz passieren: ein Loch von 7 Millionen Euro im Haushalt. Statt der von der Ratsversammlung beschlossenen Größe von 102 Millionen Euro Grundsteuereinnahmen, die Leipzig mit der alten Grundsteuer 2024 einnimmt, würden dann 2025 eben nicht wieder 102 Millionen Euro eingenommen, sondern nur 95 Millionen Euro.
Unredlich, nannte das auch Morlok. Denn die AfD-Fraktion hatte nirgendwo erklärt, wie dieser Einnahmeausfall im Leipziger Haushalt gegenfinanziert werden sollte.
Falsche Versprechungen
Aus Sicht von Sören Pellmann war der diesbezügliche AfD-Antrag auch nichts als ein leeres Versprechen an die Wählerschaft nach dem Motto: Seht, die AfD senkt für euch die Steuern.
Nur hat die AfD-Fraktion in der extra gebildeten Runde aus den Finanzsprechern der Fraktionen zur Vorlage von Finanzbürgermeister Torsten Bonew, die ja vorrechnet, wie mit einem – abgesenkten – Hebesatz von 450 Punkten die vom Stadtrat beschlossene Aufkommensneutralität erreicht wird, keinen Mucks gesagt. Die AfD-Vertreter haben – wie es Pellmann schilderte – augenscheinlich nur still dabeigesessen und die Sache zur Kenntnis genommen, um dann in der Ratsversammlung mit zwei Schaufensteranträgen vorzupreschen.
Wie es zu den angegebenen möglichen sieben Millionen Euro Differenz kommt, erklärte Torsten Bonew dann noch einmal für die wilden Rechner von rechts. Da geht es um 12.000 Grundstücke, bei denen die neue Grundsteuer 2025 rechnerisch um mindestens 40 Prozent von der bisherigen Zahlungshöhe abweicht und deren Eigentümer in Widerspruch gegen ihren Bescheid gegangen sind. Für diese Grundstücke könne die Stadt 2025 tatsächlich keine Grundsteuer erheben, diese Fälle würden besonders geprüft und auch der Bund müsse sich damit noch einmal beschäftigen. Das heißt: Die für diese Grundstücke eigentlich fälligen 4,3 Millionen Euro fallen erst einmal aus. Plus ein Risiko aus den restlichen Einsprüchen von 3,7 Millionen Euro.
So ein wenig klang die Hoffnung mit, dass das alles 2025 geklärt wird. Aber Bonew wagt keine Prognose abzugeben, wann das Finanzamt den riesigen Berg von 59.000 Einsprüchen tatsächlich abgearbeitet haben wird.
Ein echtes Stadtrandthema
Wobei ja vorrangig jene Grundstückseigentümer Einspruch eingereicht haben, die von eine Erhöhung betroffen sind. Während diejenigen, die dann geringere Grundsteuer zahlen, kaum Grund zu einem Einspruch hatten.
Aber da sich die Betroffenen vor allem am Stadtrand befinden, betrifft das eben vor allem die Wählerklientel von CDU und AfD. Und die CDU-Fraktion tat sich am 21. November sichtlich schwer, den beiden AfD-Anträgen nicht zuzustimmen, was CDU-Stadtrat Falk Dossin nach einer Unterbrechung zur fraktionsinternen Abstimmung dann auch erklärte.
Aber am Fakt ändert das nichts: Der vom Finanzdezernat errechnete Hebesatz von 450 Punkten sorgt rein rechnerisch dafür, das Leipzig auch 2025 wieder 102 Millionen Euro an Grundsteuer einnehmen kann, keine 109 Millionen, wie AfD-Stadtat Beyer behauptete.
Und die von der AfD-Fraktion gewünschte Evaluation steht ebenfalls in der Vorlage des Finanzdezernats. Nur eben nicht schon im zweiten Quartal. Da werden auch die Ergebnisse zur Prüfung der Einsprüche aus dem Finanzamt noch nicht vollständig vorliegen. Weshalb die Vorlage eine Evaluation nach einem Jahr vorsieht, wenn sich wirklich abzeichnet, wie viel Geld mit dem Hebesatz 450 in die Kassen der Stadt kommen. Und dann könne man, wenn sich deutliche Abweichungen zeigen, auch über einen neuen Hebesatz sprechen, so Bonew. Und so sahen es auch die anderen Fraktionen.
Beide Änderungsanträge der AfD-Fraktion wurden mit großer Mehrheit abgelehnt. Dafür beschloss die Stadtratsmehrheit mit 49:6 Stimmen bei drei Enthaltungen den neuen ab 1. Januar 2025 gültigen Hebesatz von 450 Punkten.
Es gibt 3 Kommentare
Weickert (CDU) und Beyer (AfD) sieht man auch nach der 3-Minuten-Pause auch im fröhlichen Dialog. Da haben sich zwei gefunden.
Erstaunlich ist, dass die CDU mittlerweile öffentlich gegen ihren Finanzbürgermeister mit CDU-Parteibuch opponiert.
@Herst
ungerecht ist nicht der Hebesatz, sondern was wie bemessen wurde. Die Bemessung erfolgte im Osten zudem anders als im Westen der Republik. https://de.wikipedia.org/wiki/Grundsteuerwert
“Aber die Reform beseitigt eben auch Ungerechtigkeiten, die sich über fast 90 Jahre angesammelt haben.” Wie hoch war der Grundsteuer, und bei welcher Bemessungsgrundlage, in Leipzig vor z.B. 45 Jahren? Herr Bonew, hahaha.