„Die Situation ist halt so, wie sie ist“, antwortete Sozialbürgermeisterin Dr. Martina Münch am 21. November auf die durchaus besorgte Nachfrage von Linke-Stadträtin Juliane Nagel, ob denn das Anheben der Richtwerte für die Kosten der Unterkunft nicht eigentlich dazu beitrage, dass das Mietniveau in Leipzig immer weiter steigt. Eine berechtigte Frage, wie Martina Münch feststellte. In der Antwort ihres Dezernates war der heikle Punkt ebenfalls betont worden.
„Eine überproportionale Anhebung der Richtwerte der Kosten der Unterkunft führte zudem nur für wenige Tage zu einer Ausweitung des verfügbaren angemessenen Wohnungsangebotes, da die Vermieterinnen und Vermieter ihre Miete sofort an die neuen Richtwerte anpassen. Dieser Effekt war in der Vergangenheit bei jeder Anhebung der Richtwerte für die Kosten der Unterkunft zu beobachten.
Wenn Mieten für Wohnraum einfachen Standards durch staatliches Handeln steigen, führt das zu einer Erhöhung aller Angebotsmieten. Das insgesamt verfügbare Wohnungsangebot steigt hingegen nicht, da immer nur die Wohnungen angeboten werden, die gerade leer stehen“, konnte man in der Antwort des Sozialdezernats auf die Anfrage der Linksfraktion lesen.
Und andererseits habe die Stadt auch keine Handhabe, den Wert für die Kosten der Unterkunft (KdU) aus eigenem Ermessen niedrig zu halten. Denn der bemisst sich an der ganz realen Mietpreisentwicklung, die von den regelmäßig erhobenen Mietspiegeln der Stadt erfasst wird. Steigen die Durchschnittsmieten, müssen auch die KdU steigen, um auf dem Markt überhaupt noch bezahlbare Wohnungen zu finden.
„Mit jedem Mietspiegel liegen neue Erkenntnisse über die Mietpreisentwicklung vor. Auf dieser Grundlage erfolgt eine Überprüfung der Richtwerte für die Kosten der Unterkunft mittels schlüssiger Konzepte“, beschreibt die Stadt den Prozess, wie man zu den jeweils aktuellen KdU kommt.
„Das von der Stadt Leipzig erstmals im Jahr 2014 angewandte Verfahren zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten wurde vom Sächsischen Landessozialgericht seit Ende 2023 in mehreren Entscheidungen bestätigt. Eine Änderung des bisherigen Vorgehens zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten könnte die Rechtssicherheit gefährden und wäre somit nachteilig für die Stadt Leipzig und deren Bürgerinnen und Bürger.“
Ohne Neubau von Sozialwohnungen geht es nicht
Wobei es auch immer wieder die Diskussion gibt, dass die Leipziger KdU-Sätze zu niedrig sind und man dafür gar keine Wohnung mehr findet. Ein Teufelskreis, bei dem immer die Vermieter am längeren Hebel sitzen, gerade weil sich das Wohnungsangebot in Leipzig (wie in allen anderen deutschen Großstädten auch) massiv verknappt hat.
Der sogenannte „freie Markt“ regelt ganz unübersehbar nichts, sorgt dafür aber für eine Wohnungsknappheit, die gerade all jene zu spüren bekommen, die mit geringen Einkommen nach einer bezahlbaren Wohnung suchen.
Die einzige Lösung auch aus Sicht des Sozialdezernats: „Das verfügbare Wohnungsangebot kann nur durch Errichtung von Wohnraum oder Aktivierung nicht genutzter Leerstände signifikant erhöht werden. Die Stadt Leipzig unterstützt daher die Schaffung neuen Wohnraums und die Aktivierung von Leerständen mit Fördermitteln des Freistaates, ergänzt durch eigene Mittel, wenn besonders nachgefragter mietpreis- und belegungsgebundener Wohnraum geschaffen wird.“
Ein knapp gewordenes Wohnungsangebot
Aber die Anfrage der Linksfraktion stand ja im Oktober schon einmal auf der Tagesordnung der Ratsversammlung. Und das Sozialdezernat sorgte für einigen Ärger, weil es partout keine Zahlen zu den überhaupt verfügbaren Wohnungen vorlegen wollte, die für KdU-Bezierher überhaupt auf dem Wohnungsmarkt verfügbar sind.
Die Anfrage ging also noch einmal retour ans Sozialdezernat. Und diesmal hat es tatsächlich Tabellen mitgeliefert, die zumindest für einen aktuellen Zeitraum eine Übersicht über angebotenen Wohnungen im KdU-Rahmen geben. Ausgezählt hat man die Monate April bis Juni 2024. Im Rahmen der seit Jahresbeginn geltenden Richtsätze für die Kosten der Unterkunft lagen in diesem Zeitraum immerhin 286 angebotene Wohnungen.
Wobei Juliane Nagel berechtigterweise feststellte, dass es gerade bei den Wohnungen für Familien mit Kindern regelrecht karg aussah: Die meisten Wohnungen in diesem Segment waren für ein bis drei Personen ausgelegt. Ganze 15 Wohnungen waren auch für Haushalte mit vier oder fünf Personen geeignet.
Eine Zahl, die man einordnen kann, wenn man die Zahl der Bedarfsgemeinschaften daneben hält, die Leistungen nach dem zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II) bekommen. Für 2024 geht die Stadt von 31.000 Bedarfsgemeinschaften aus. Wobei die Zahl der tatsächlich Bedürftigen viel höher liegt und auch viele Haushalte umfasst, die keine Bedarfsgemeinschaften sind, mit ihrem Einkommen aber ebenso knapp über die Runden kommen. Auch sie suchen natürlich Wohnungen im Preisbereich der KdU.
Vor diesem Hintergrund ist das tatsächliche Wohnungsangebot in dem Bereich erst recht sehr knapp bemessen.
Und dazu kommt, dass Leipzig den Großteil der Kosten der Unterkunft aus dem eigenen Haushalt finanzieren muss. Der Bund verkündet zwar immer wieder stolz, dass er jährlich über 11 Milliarden Euro zur Finanzierung der Kosten der Unterkunft beisteuert. Aber diese Summe deckt nach Angaben der Heinrich-Böll-Stiftung nur 28 bis 35 Prozent der KdU-Kosten.
Im Jahr 2023 hat die Stadt Leipzig für die KdU insgesamt 140 Millionen Euro aufgewendet. Das ist einer der Posten, die den Sozialhaushalt der Stadt immer weiter anwachsen lassen. Womit Leipzig bundesweit zu jenen Städten gehört, die allein schon durch die große Zahl von Bedürftigen einen immer weiter steigenden Sozialhaushalt verkraften müssen. Doch das hier aufzubringende Geld fehlt an anderen Stellen und sorgt nun seit zwei Jahren dafür, dass Leipzigs Schuldenberg in beängstigendem Tempo wächst.
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