Leipzig hat eine neue Ehrenbürgerin und einen neuen Ehrenbürger. Am 21. November stimmte die Leipziger Ratsversammlung beide Male für die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Gesine Oltmanns und an Wolf-Dietrich Freiherr Speck von Sternburg. Eine kleine Debatte gab es nur, als es um die Ehrenbürgerwürde von Gesine Oltmanns ging. Eine Debatte, die erst deutlich machte, warum die Würde nicht einfach nur stellvertretend verliehen wurde.
Die Würdigung für Wolf-Dietrich Freiherr Speck von Sternburg fasst die Vorlage so zusammen: „Freiherr Speck von Sternburg engagiert sich seit Jahrzehnten in uneingeschränkt hohem Maße für die Kunstsammlung der Speck von Sternburg Stiftung, für das kulturelle und gesellschaftliche Leben und für viele weitere Vereine in Leipzig.
Seine vielfältigen ehrenamtlichen Tätigkeiten sind herausragend und betreffen nicht nur seine Mitmenschen und das Gemeinwohl, sondern sind verbunden mit einer wahrnehmbaren Steigerung des Ansehens der Stadt Leipzig, national als auch international.“
Da steckt sein jahrzehntelanges Engagement für das Museum der bildenden Künste und der Gründung der Maximilian Speck von Sternburg Stiftung mit drin, die Sicherung des Schlossparks Lützschena für die Allgemeinheit. Nicht zu vergessen sein Engagement für die Stiftung Bärenherz und seine Mitgliedschaft in einem Dutzend Organisationen, die sich um das zivilgesellschaftliche Zusammenleben bemühen.
Aber für Oberbürgermeister Burkhard Jung ist er geradezu „unser städtischer Geheimdiplomat“. Die Vorlage formuliert es so: „Als Botschafter der Stadt Leipzig nutzte er sein, über sein langes Berufsleben aufgebautes internationales Netzwerk, um das Ansehen der Stadt Leipzig im Ausland zu fördern. Insbesondere die Förderung der städtepartnerschaftlichen Beziehungen sind ihm stets ein großes Anliegen gewesen, allen voran Houston und die USA (Boston, Washington, New York), Polen, die Ukraine und Israel.
Er begleitete aktiv zahlreiche Delegationsreisen des Oberbürgermeisters zum Thema Wirtschaftsförderung und im Rahmen von internationalen Präsentationen, hielt Vorträge für die Stadt und stand auch dem Thomanerchor und dem Gewandhausorchester bei Tourneen zur Seite.“
Die Ratsversammlung wählte ihn am 21. November mit 57:6 Stimmen bei vier Enthaltungen zum Ehenbürger. Offiziell überreichen will ihm Burkhard Jung die Ehrenbürgerurkunde zu seinem 90. Geburtstag
Gesine Oltmanns
Dass es bei der Ehrung von Gesine Oltmanns nicht nur um die für die Friedliche Revolution so bildmächtige Aktion am 4. September 1989 zur Internationalen Herbstmesse vor der Nikolaikirche ging, wo sie mit ihrer Freundin Katrin Hattenhauer das Transparent „Für ein offenes Land mit freien Menschen“ in die Kamera westlicher Medien hielt, wird schon in der Vorlage zu ihrer Ehrenbürgerschaft deutlich.
Da wird an die „Bürgerrecht Akademie“ der Volkshochschule erinnert, an die Gründung des Vereins EUROPA MAIDAN LEIPZIG im Jahr 2014, an ihre Arbeit für das Freiheits- und Einheitsdenkmal, aber auch an ihr Engagement gegen Legida ab 2015. Denn still geworden ist sie nach der Friedlichen Revolution nie, sondern hat sich immer wieder auch deutlich gegen demokratiefeindliche Bestrebungen geäußert.
So wie auch 2021 als Erstunterzeichnerin der „Leipziger Erklärung“, in der sich Leipziger Aktivisten sehr deutlich gegen die neuerlichen „Montagsspaziergänge“ während der Corona-Pandemie aussprachen. Von den Teilnehmenden an diesen „Spaziergängen“ werde Hass und Häme verbreitet, heißt es darin. Sie schreckten auch nicht vor Gewalt zurück und ließen sich von rechtsextremistischen Kreisen vereinnahmen. Entgegen ihren Parolen sei klar: „Ihr seid nicht das Volk!“
Eine Stellungnahme, die dann AfD-Stadtrat Udo Bütow zum Vorwand nahm, Gesine Oltmanns die Ehrenbürgerwürde abzusprechen. So wie er 1989 bei den Montagsdemos mitgelaufen sei, habe er selbst nun bei diesen Montagsspaziergängen gestanden. Eine Gleichsetzung der Ereignisse, welche die „Leipziger Erklärung“ ja deutlich kritisierte.
Und gleichzeitig suggerierte Bütow mit seiner Rede, Gesine Oltmanns hätte eigentlich kein Recht, sich öffentlich dazu zu äußern. Womit er eigentlich deutlich machte, dass seine Partei im Kern selbst die simpelsten Grundlagen der Demokratie – bewusst – ignoriert. Und dazu gehört nun einmal das Recht der öffentlichen Rede. Und auch das der öffentlichen Kritik.
Was zuvor CDU-Stadtrat Michael Weickert in seiner Rede eigentlich schon klug auf den Punkt gebracht hatte. Denn auch die CDU bekommt immer wieder einmal deutliche Kritik von Gesine Oltmanns für ihre Positionen. Aber gerade deshalb, weil das möglich sein, sei die Ehrenbürgerwürde für sie selbstverständlich, so Weickert.
Und OBM Burkhard Jung wurde noch deutlicher: Gerade weil Gesine Oltmanns die deutliche „Leipziger Erklärung“ zu den sogenannten Montagspaziergängen mit unterschrieben habe, wäre sie der Ehrenbürgerwürde würdig. Denn auch in der Demokratie gehören eben Mut und Rückgrat dazu, die 1989 errungenen Freiheiten auch gegen Bewegungen zu verteidigen, die diese Freiheiten infrage stellen und dann auch noch den Ruf „Wir sind das Volk“ für sich okkupieren.
Blieb die Frage, die auch OBM Jung aufgriff, ob diese Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Gesine Oltmanns nun stellvertretend für die Leipziger Bürgerrechtler/-innen von 1989 verliehen würde. Michael Weickert hatte noch Uwe Schwabe als möglichen Kandidaten genannt. Und Jung erwähnte auch Katrin Hattenhauer, die damals mit Gesine Oltmanns das Transparent gehalten hat.
Aber Jung betonte auch, dass es vor allem das Engagement von Gesine Oltmanns seit 1989 war, das sie für die Ehrenbürgerwürde qualifizierte. Es ist tatsächlich eine sehr persönliche Würdigung. Die Ratsversammlung stimmte der Verleihung am 21. November dann auch mit der nötigen Mehrheit von 48:12 Stimmen bei acht Enthaltungen zu.
Und Katrin Hattenhauer? Dazu schrieb uns Elke Urban einen emotionalen Brief. Den veröffentlichen wir in Kürze an dieser Stelle.
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