Einen „Vorführantrag“ nannte es Marco Götze, Stadtrat der Linksfraktion, was die AfD-Fraktion im Leipziger Stadtrat da am 23. Oktober vorgelegt hat. Dass es nur ums Vorführen geht, machte schon AfD-Redner Siegbert Droese deutlich, indem er die Gelegenheit nutzte, ausgerechnet seine Partei als eine „Grundgesetzpartei“ zu verkaufen und das insbesondere den Grünen oberlehrerhaft abstreitig machte.
Dabei ist es die AfD in Sachsen, die seit Dezember 2023 vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wird. Vielleicht muss man das jetzt noch einmal mit einem Zitat unterlegen.
Denn sich als „Grundgesetzpartei“ verkaufen, kann ja jeder machen. Aber das Sächsische Landesamt für Verfassungsschutz wurde im Dezember 2023 sehr deutlich, was die Grundgesetztreue der sächsischen AfD betrifft: „Dem Gutachten des LfV Sachsen zufolge richten sich zahlreiche inhaltliche Positionen des AfD-Landesverbandes gegen die Grundprinzipien unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung, z. B. in der Migrationsfrage gegen die im Grundgesetz verankerte Garantie der Menschenwürde.“
Und da Siegbert Droese in seiner Rede auch noch von „Corona-Unrecht“ munkelte, sei dazu auch noch diese Passage aus der Meldung des Verfassungsschutzes zitiert: „Ferner belegt das Gutachten die während der Zeit der staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen begonnene und unverändert fortdauernde Agitation des AfD-Landesverbandes gegen die politische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland. Dabei wurden und werden sowohl die staatlichen Institutionen als auch deren Repräsentanten immer wieder öffentlich diffamiert und verächtlich gemacht.“
Eigentlich muss man mehr dazu nicht sagen. Es ist alles dokumentiert – auch in mehreren Regalmetern Ordnern des sächsischen Verfassungsschutzes. Und vor diesem Hintergrund war es eigentlich scheinheilig, dass ausgerechnet die Leipziger AfD-Fraktion einen Antrag stellte: „In den Straßennamensvorrat der Stadt Leipzig wird die Benennung eines Platzes oder einer Straße nach dem Grundgesetz aufgenommen.“
„Es geht dem AfD-Landesverband nicht um eine sachliche Auseinandersetzung“
Der dann auch noch in einem nicht weniger scheinheiligen Satz endete: „Da sich unseres Wissens sowohl der Oberbürgermeister als auch alle Stadtratsfraktionen uneingeschränkt zum Grundgesetz bekennen, sollte dies kein Problem darstellen.“
Da klingt die gar nicht mal so versteckte Unterstellung mit an, die ja auch Droese in seiner Rede anklingen ließ, dass die anderen Parteien im Stadtrat nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehen könnten. Obwohl ja gerade das Landesamt für Verfassungsschutz bestätigt, dass es die AfD in Sachsen ist, die auf dem Grundgesetz herumtrampelt.
Oder um den Präsidenten des sächsischen Landesamtes für Verfassungsschutz, Dirk-Martin Christian, zu zitieren: „Es geht dem AfD-Landesverband nicht um eine sachliche Auseinandersetzung mit den politischen Verhältnissen, sondern um die generelle Herabwürdigung unserer Demokratie. Hochrangige Vertreter der Landespartei bedienen Narrative wie ‚Diktatur‘, ‚Unrechtsregime‘, ‚postdemokratischer Totalitarismus‘, ‚Parteienkartell‘ sowie ‚Staats- und Propaganda-Medien‘.
In der Gesamtschau geht es der AfD Sachsen darum, unter anderem mit diesem Vokabular das Vertrauen der Bevölkerung in die verfassungsmäßige Ordnung und Funktionsfähigkeit unserer Demokratie von Grund auf zu erschüttern sowie Proteste und Widerstand aus der gesellschaftlichen Mitte heraus zu forcieren.“
Das nennt man wohl zu Recht: scheinheilig.
Einerseits permanent die verfassungsmäßige Ordnung zu diskreditieren („Corona-Unrecht“), und dann gleich mal so zu tun, als sei man der größte Verteidiger des Grundgesetzes.
Ein zielführender Änderungsantrag der CDU-Fraktion
Diesem „Schaufensterantrag“ wollte die CDU-Fraktion diesmal die Spitze nehmen und schrieb einen Änderungsantrag, der im Grunde die Haltung der Verwaltung übernahm. Die hatte nämlich auch keinen Sinn darin gesehen, dass der Stadtrat jetzt einfach so über einen windigen Antrag der AfD-Fraktion abstimmt, sodass die sich dann auf die Fahne schreiben könnte, sie hätte in Leipzig einen Platz des Grundgesetzes auf den Weg gebracht.
In Ihrer Stellungnahme hatte sie empfohlen: „Der Oberbürgermeister verweist das Anliegen der Würdigung des Grundgesetzes in die AG Straßenbenennung der Fraktionsvertreterinnen und Fraktionsvertreter.“
Das nahm nun die CDU-Fraktion auf, die insgesamt das Prozedere für die Aufnahme von möglichen Namen für Straßenbenennungen ändern wollte. Das begründete am Rednerpult CDU-Stadtrat Falk Dossin. Und auch OBM Burkhard Jung fand den Vorschlag gut.
„Für die Aufnahme diverser Vorschläge zu Straßen- oder Platzbenennungen in den Namensvorrat ist aus Sicht der CDU-Fraktion kein Ratsbeschluss notwendig. Der Stadtrat muss ohnehin entscheiden, welcher konkrete Ort mit welchem Namen versehen wird. Eine Vorauswahl dazu trifft in bewährter Weise die AG Straßenbenennung. An diese sollten Benennungsvorschläge für die Aufnahme in den Namensvorrat generell gerichtet werden. Eines Beratungs- und Beschlussverfahrens im Stadtrat bedarf es dafür nicht“, hieß es im CDU-Antrag.
Was im Grunde auch bedeutete: Schluss mit den ganzen Schaufensteranträgen zu allen möglichen Straßenbenennungen in der Ratsversammlung, wo irgendeine Faktion meint, sich ein Lorbeerblatt anheften zu müssen. Alle Vorschläge gehen direkt an die AG Straßenbenennung und die schlägt dem Stadtrat dann, wenn wieder ein Platz oder eine Straße benannt werden soll, konkrete Benennungen vor.
Ein bisschen Trubel um das Verfahren
Es wurde dann ein bisschen quirlig in der Ratsversammlung, was aber an den genau festgelegten Regelungen liegt, die sich der Stadtrat selbst gegeben hat, um klare Abläufe zu sichern. Die Grünen-Stadträtin Katharina Krefft beantragte, weil sie zum CDU-Antrag gern eine richtige Behandlung im Stadtrat wollte, einen Verweis dieses Änderungsantrags ins Verfahren.
OBM Burkhard Jung ließ auch abstimmen, weil er davon ausging, dass das nun den gesamten Tagesordnungspunkt betrifft – was aber etliche Stadträt/-innen so nicht verstanden hatten. Es ging dann also ein bisschen hin und her über die Verfahrensfrage, was damit endete, dass der Verweisungsbeschluss annulliert und nunmehr ganz geregelt abgestimmt wurde.
Und damit war der CDU-Änderungsantrag wieder im Spiel, der als weitergehender Antrag zuerst abgestimmt werden musste und – siehe da – eine klare Mehrheit von 47:9 Stimmen bei sieben Enthaltungen bekam.
Was jetzt bedeutet: Die Verwaltung muss das Verfahren ändern, wie Vorschläge für Straßenbenennungen in die AG Straßenbenennungen kommen. Dort allein wird entschieden, ob der Vorschlag in den Namensvorrat für neue Straße kommt. Womit dann auch der Schaufensterantrag der AfD-Fraktion vom Tisch war.
Nur der Eindruck blieb, dass die Fraktion einmal mehr viel Wind für sich selbst und ihre behauptete Grundgesetztreue gemacht hat. Eine Menge Theater für Zuschauer, die tatsächlich glauben, dass die AfD das Grundgesetz respektiert.
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