Liest man die Begründung des Ersetzungsantrags der CDU-Fraktion zum AfD-Antrag „Kein sicherer Hafen für illegale Migration!“, entsteht der Eindruck, dass durch die Beschlüsse des Stadtrates von 2019 und 2020 massenhaft geflüchtete Menschen, zusätzlich zu den gesetzlichen Regelungen, nach Leipzig gekommen sind. Eine Aufhebung der Beschlüsse scheint also die Lösung vieler Probleme darzustellen.

In der Begründung zum Antrag heißt es: „Aus diesem Grund ist das Festhalten an den alten beschriebenen Beschlüssen nicht mehr tragbar, da gerade der Aspekt der Ordnung nicht mehr gegeben ist. Die chronische Überlastung der Kommunen/Stadt Leipzig im Bereich der Unterbringung ist ein klares Zeichen für eine Kehrtwende in diesem Bereich. Weiterhin muss immer wieder festgehalten werden, dass aufgrund bis zum Geht-nicht-mehr ausgereizter Kapazitäten häufig keine Integration mehr stattfindet.

Dass die Stadt Leipzig nun weitergeht, scheint daher naiv und vor allem realitätsfern. Ein Zurücksetzen der genannten Beschlüsse bedeutete daher die Rückkehr zu den gesetzlichen Verpflichtungen und einer geordneten und humanen Asylpolitik.“

Wie gesagt, es scheint so – die Realität ist eine andere.

Auf der Demonstration am Sonntag, dem 17. November, sagte die Landtagsabgeordnete und Stadträtin Juliane Nagel, dass die Stadt Leipzig aufgrund der Beschlüsse vier Menschen zusätzlich aufgenommen hat. Aus den weiteren Ausführungen konnte man schließen, dass auch keine großen finanziellen Mittel eingesetzt wurden.

Über die zusätzliche Aufnahme von geflüchteten Menschen befindet nicht die Stadt Leipzig. Sie hat nur ihre Bereitschaft erklärt. Die Zuweisung erfolgt durch das Land Sachsen. Wie im oben verlinkten Artikel geschrieben, haben wir bei der Stadt Leipzig angefragt und auch eine Antwort bekommen.

Wie viele geflüchtete Menschen wurden, aufgrund des Beschlusses von 2019, zusätzlich zu den gesetzlichen Regelungen in Leipzig aufgenommen?

Antwort: Die Stadt Leipzig hat im Jahr 2019 einmalig drei Personen über diese Aufnahmezusage zusätzlich zu den festgelegten Aufnahmequoten aufgenommen.

Welche finanziellen und/oder personellen Ressourcen der Stadt Leipzig wurden für den Aufruf der Stadt zu Spenden für den Verein „Mission Lifeline“ eingesetzt?

Antwort: Seit 2019 wurden insgesamt drei Artikel/Spendenaufrufe zu dieser Patenschaft und dem Boot „Rise Above“ im Amtsblatt der Stadt Leipzig veröffentlicht. Die hierfür entstandenen personellen und finanziellen Aufwendungen sind vernachlässigbar.

Bei der Beantwortung der ersten Frage gibt es Unklarheiten: Juliane Nagel hatte in ihrem Redebeitrag am Sonntag von 4 zusätzlich aufgenommenen Geflüchteten gesprochen. Das entspricht auch der Antwort der Stadt im Jahr 2022, entstanden auf die Anfrage durch Thomas Kumbernuß und Juliane Nagel an den Oberbürgermeister. Hier scheint ein Fehler der Stadtverwaltung bei der Beantwortung unserer Frage vorzuliegen.

Fazit: Die Aufhebung der Beschlüsse, wie sie CDU und AfD fordern, hat keinerlei Effekte für die Lösung von Problemen im Zusammenhang mit Migration in Leipzig. Weder werden Unterkünfte für geflüchtete Menschen entlastet, noch wird es die Integration dieser Menschen befördern.

Was diese Anträge bewirken werden: Sie vertiefen die Spaltung der Gesellschaft und erzeugen Unruhe.
Das scheint momentan Wahlkampfstrategie – leider auch der CDU – zu sein. Wie durch die Aufhebung der Beschlüsse eine „Rückkehr zu einer humanen Asylpolitik“ erreicht werden soll, auf die Antwort wären wir gespannt.

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