Sollte Jom Kippur, der höchste jüdische Feiertag, in Leipzig künftig wie ein gesetzlicher Feiertag für alle gehandhabt werden? Stadtrat Thomas Kumbernuß (Die PARTEI) wollte genau dies im Sinne der Gleichberechtigung erreichen. Die Verwaltung dagegen hielt seinen Antrag für rechtswidrig und nachteilig, die Ratsversammlung lehnte ihn am Mittwoch ab. Zwei neue Punkte dagegen fanden breite Zustimmung.

Ist die „jüdisch-christliche Wertegemeinschaft“ nur ein Trugbild, das jenseits blumiger Sonntagsreden keine praktische Bedeutung hat? Stadtrat Thomas Kumbernuß (Die PARTEI) beantwortet diese Frage für sich mit einem deutlichen „Ja“ und wollte hier Abhilfe schaffen. Während die meisten gesetzlichen Feiertage in Deutschland mit ein paar Ausnahmen christlichen Ursprungs seien, kämen jüdische Traditionen und damit real gelebte Gleichberechtigung hier gar nicht zum Tragen, monierte der 53-Jährige.

Jüdischen Feiertag schrittweise in Leipzig einführen

Sein Vorschlag daher, den er per Antrag „Die christlich-jüdische Wertegemeinschaft mit Leben erfüllen“ (Punkte 1–4) zur Abstimmung brachte: Die Stadt Leipzig möge in einem ersten Schritt den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, bekannt auch als Versöhnungsfest, zunächst in ihren Eigenbetrieben und der Verwaltung wie einen gesetzlichen Feiertag behandeln. Folglich sollten Angestellte in der Regel freihaben, die LVB beispielsweise nur den reduzierten Fahrplan wie an Sonn- und Feiertagen anbieten.

In den nächsten Schritten könne dann geprüft werden, ob Jom Kippur für ganz Leipzig zum gesetzlichen Feiertag erklärt werden kann. Perspektivisch solle dies auch für weitere Feste im Judentum ins Auge gefasst werden, zudem möge OBM Burkhard Jung (SPD) sich auf Landes- und Bundesebene für Jom Kippur als gesetzlichen Feiertag einsetzen.

Verwaltungsstandpunkt sieht Antrag als rechtswidrig und nachteilig an

Dass er mit seinem Antrag fast allein auf weiter Flur kämpfte und sich dessen bewusst war, verhehlte Kumbernuß im Laufe der Diskussion dann auch nicht. Die Verwaltung hatte sich in ihrem Standpunkt jedenfalls klar positioniert, dass eine Beschlussfassung im Sinne von Kumbernuß nachteilig und rechtswidrig wäre. Sie verwies darauf, dass die Festlegung gesetzlicher Feiertage mit Ausnahme des Tages der Deutschen Einheit am 3. Oktober in der Regel den Ländern obliege, die insgesamt neun Feiertage bundesweit festlegen.

Daneben biete das Sächsische Sonn- und Feiertagsgesetz (SächsSF) weiteren Schutz auch für Schüler, Arbeitnehmer und Auszubildende, um am Hauptgottesdienst ihrer Religionsgemeinschaft teilzunehmen. Speziell mit Blick auf das Judentum führte die Verwaltung den Vertrag des Freistaats Sachsen mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden vom 7. Juni 1994 ins Feld. Dadurch stehe den Gläubigen an insgesamt sieben Feiertagen, darunter Jom Kippur, Pessach oder dem Laubhüttenfest, das gleiche Recht wie an christlichen Feiertagen zu.

Kumbernuß kritisiert Argumentation der Verwaltung

Die Argumentation der Verwaltung konnte Kumbernuß nicht so recht nachvollziehen, auch in den Ausschüssen habe ihm bislang niemand die Rechtswidrigkeit seiner Idee bzw. deren Nachteiligkeit im Vergleich zu christlichen Feiertagen erklären können. „Teilhabe hat auch etwas mit abgeben zu tun“, so der Stadtrat, der dafür warb, einen christlichen Feiertag zugunsten von Jom Kippur zu streichen.

Nicht zuletzt, so war seiner Rede zu entnehmen, stünde eine solche Maßnahme gerade Leipzig gut zu Gesicht, weil das jüdische Leben in der Stadt bis zur „Machtergreifung“ des Nazi-Regimes hier einst eine Blütezeit erlebt hatte. Während der Weimarer Republik umfasste die Israelitische Gemeinde rund 13.000 Menschen, heute sind es etwa 1.100.

Breite Mehrheit für Ergänzung der Linken, Ursprungsantrag geht fast leer aus

Am Ende nahm Kumbernuß dann den Änderungsantrag der Linksfraktion in die Neufassung mit auf. Der sieht zumindest vor, mit Blick auf das „Jahr der jüdischen Kultur in Sachsen“ 2026 durch verschiedene Maßnahmen und Veranstaltungsformate auf jüdische Feiertage aufmerksam zu machen. Dazu sollen Betriebe der Stadt, Freie Träger, Museen und Institutionen eingeladen werden.

Dies sei realistischer, da Kumbernuß’ Idee ohnehin absehbar keine Mehrheit fände, so Mandy Gehrt, Kulturpolitische Sprecherin der Linken. Kumbernuß ergriff den Rettungsring, wenngleich er kritisierte, dass der linke Änderungsantrag zwar gut, aber nicht nachhaltig sei und die Bekanntmachung mit jüdischem Leben vor Ort nicht verstetigen könne.

Er wolle auf die fehlende Substanz der „jüdisch-christlichen Wertegemeinschaft“ aufmerksam machen. „Ich möchte die Leute auch oben auf der Tribüne und im Livestream bitten, darüber einmal nachzudenken.“

In der nach Punkten getrennten Abstimmung ging Kumbernuß mit seinem Originalantrag dann beinahe leer aus, 2 Ja-Stimmen standen 44 Neins gegenüber, 15 enthielten sich. Anders das Bild bei den Ergänzungen der Linken, die mit 45:11 (bei 5 Enthaltungen) eine komfortable Mehrheit bekamen. Die Ablehnung ging fast komplett auf das Konto der AfD-Fraktion.

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