Seit Jahren kämpft Leipzig um ein Zweckentfremdungsverbot. Wäre es nach der CDU in Sachsen gegangen, gäbe es bis heute kein Zweckentfremdungsverbotsgesetz, obwohl selbst große westliche Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg eins haben. Und zwar jeweils deutlich strenger als das, das der Sächsische Landtag am 31. Januar 2024 nach langem Gezerre endlich beschloss. Am 21. August ging es nun um die Leipziger Satzung dazu.
Denn ohne Satzung kann die Stadt das Verbot nicht umsetzen. Einmal wurde die Entscheidung dafür im Stadtrat schon vertagt. Die CDU-Fraktion wollte es auch noch ein weiteres Mal vertagen lassen, kam aber damit diesmal nicht durch. Es gibt keine einleuchtenden Gründe mehr, die Satzung immer weiter aufzuschieben. Nicht in einer Stadt, in der die Wohnungsnot längst überall zu spüren ist, aber trotzdem 21.000 Wohnungen leer sehen. Aus unterschiedlichen Gründen.
Manche stehen leer, weil der Hausherr das Geld für eine Sanierung nicht hat. Viele Häuser sind zu reinen Spekulationsobjekten geworden. Manche werden von ihren Besitzern gezielt leergeräumt von Mietern, um daraus teure Luxuswohnungen zu machen. Und andere Wohnungen werden dauerhaft als Ferienwohnungen zweckentfremdet.
Und tatsächlich hilft das in einem zähen Kompromiss gefundene sächsische Zweckentfremdungsverbotsgesetz nur in zwei Fällen, wie Baubürgermeister Thomas Dienberg ausführte – einmal bei spekulativem Leerstand, mit dem der Inhaber einfach darauf zielt, das Mietniveau künstlich in die Höhe zu treiben. Zum anderen bei längerfristiger Vermietung als Ferienwohnung. Mindestens zwölf Wochen hat der Gesetzgeber hier als unterste Grenze eingeführt.
Dem Wohnungsmarkt einfach entzogen
Es ist eher ein windelweiches Zweckentfremdungsverbotsgesetz, wie Linke-Stadtrat Mathias Weber feststellte. Aber es ist überhaupt eins und damit tatsächlich ein Erfolg, den die beiden kleinen Koalitionspartner SPD und Grüne der behäbigen CDU in der Regierungskoalition abgerungen haben.
Wäre es nach Leuten wie dem CDU-Regionalminister Thomas Schmidt gegangen, hätte Sachsen nie ein solches Gesetz bekommen. Er beharrt wider alle Statistiken ja auch bis heute immer wieder darauf, dass es in Leipzig keinen angespannten Wohnungsmarkt gäbe. Da würde dann die Zweckentfremdung von Wohnungen ja auch keine größere Rolle spielen.
Aber da reiche – so Weber – der Blick in die Lützner Straße, um ganze leer stehende Häuser zu sehen, mit denen deren Besitzer ganz offensichtlich dazu beitragen, die Mietpreise im Quartier nach oben zu treiben. Und Thomas Dienberg beobachtet beim Spaziergang durchs Waldstraßenviertel immer mehr Kellerfenster, an deren Schlüsselboxen angebracht sind. Nur sind das eben keine Schlüsselsammlungen verliebter Pärchen, sondern Zeichen dafür, dass die Wohnungen im Haus dauerhaft zu Ferienwohnungen transformiert wurden.
Es kommt also eine Menge Arbeit auf die Verwaltung zu, jetzt eine genaue Übersicht zu bekommen, welche Wohnungen in der Stadt tatsächlich aus Spekulationsgründen leer stehen und welche als Ferienwohnungen dauerhaft dem Wohnungsmarkt entzogen sind.
Geldbußen bis zu 100.000 Euro
Die Stadt hätte sich noch in ein paar anderen Fällen ein Zugriffsrecht gewünscht. Aber das hat der sächsische Gesetzgeber nicht gewährt. In der Vorlage der Verwaltung heißt es dazu „Die Berücksichtigung der Zweckentfremdung von Wohnraum, insbesondere durch die Nutzung für gewerbliche Zwecke sowie durch Abriss und Verwahrlosung, ist zwar nach wie vor sinnvoll, zurzeit aber für die Stadt Leipzig aufgrund des Landesgesetzes rechtlich nicht umsetzbar.“
Die Frage steht natürlich, ob die Stadt wenigstens die notwendigen Mittel hat, die beiden vom Gesetzgeber genannten Entfremdungen jetzt auch zu ahnden. In der Vorlage heißt es dazu: „Bei Verstößen kann die Stadt Leipzig anordnen, dass der Wohnraum wieder Wohnzwecken zugeführt wird. Die Stadt hat das Recht, Auskünfte und Unterlagen anzufordern, um die Einhaltung der Satzung zu überprüfen. Zudem können Ordnungswidrigkeiten mit Geldbußen bis zu 100.000 € geahndet werden.
Zu den konkreten Aufgaben der Umsetzung der Zweckentfremdungsverbotssatzung gehören die Durchführung von Genehmigungsverfahren, die Erteilung von Negativattesten, die Überwachung des Verbots, die Einleitung notwendiger Ermittlungen (insbesondere auch in Folge von Anzeigen aus der Bevölkerung), die Beantwortung von Bürgeranfragen, der Erlass von Anordnungen zur Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustandes, die Feststellung sowie die Anzeige von Ordnungswidrigkeiten und die Bearbeitung von Widersprüchen.“
Die Wohnungsbesitzer in die Pflicht nehmen
Die Linksfraktion hatte extra noch einen Änderungsantrag geschrieben, um der personell knappen Verwaltung bei der Meldung zweckentfremdete Wohnungen zu helfen. So lautet einer der Antragspunkte: „Mit Erlassen der Satzung wird auf der Homepage der Stadt ein Meldeformular eingerichtet, mit dem Hinweise auf Zweckentfremdung direkt an die Stadtverwaltung übermittelt werden können.“
In einem zweiten Punkt verlangt die Linke, dass der Wohnungsinhaber die leer stehende Wohnung nachweisbar auf diversen Vermietungsportalen angeboten haben muss. Und er muss dann auch begründen, warum er Mietinteressenten ablehnt.
Man denkt da an den oft zitierten und letztlich immer wieder so zahnlosen Satz aus dem Grundgesetz: „Eigentum verpflichtet“. Hier ist endlich ein konkreter Anwendungsfall. Den dann FDP-Stadtrat Sven Morlok wieder eng aus Eigentümerperspektive betrachtete. Aber auch seine Bitte um eine Verschiebung der Abstimmung ging ins Leere.
Im Gegenteil: Die sozial gestimmte Mehrheit im Stadtrat nahm sowohl die Vorlage zur Zweckentfremdungsverbotssatzung mit 38:25 Stimmen an als auch den Änderungsantrag der Linken mit 35:27 Stimmen. Damit konnte die Satzung endlich in Kraft treten.
Das Verbot darf kein zahnloser Tiger sein
Die SPD-Fraktion – für die Christopher Zenker sprach – hatte außerdem einen extra Antrag ins Verfahren gegeben, der eine ganz ähnliche Intention wie der Änderungsantrag der Linksfraktion hatte und im Zusammenhang mit der Zweckentfremdungsverbotssatzung abgestimmt wurde.
Der zentrale Satz daraus: „Ein Zweckentfremdungsverbot darf kein zahnloser Tiger sein, deshalb soll die Stadt in einer Vorlage darstellen, wie die Kontrolle von möglichen Verstößen gegen das Zweckentfremdungsverbot gewährleistet sowie Hinweise auf illegale Zweckentfremdungen erfasst und verarbeitet werden. Um die Regelungen in der Satzung umsetzen zu können, ist es wichtig, dass auch das notwendige Personal zur Verfügung steht.
Deshalb soll bis zu Einbringung des Doppelhaushalts 2025/26 dargelegt werden, wie möglichst schon Anfang 2025 die entsprechenden Mitarbeiter bereitgestellt werden können. Selbst eine Neuschaffung dieser Stellen sollte kostenneutral möglich sein, weil Verstöße gegen das Zweckentfremdungsverbot mit Ordnungs- oder Bußgeldern geahndet werden müssten.“
Denn wenn nicht kontrolliert wird, findet man die schwarzen Schafe nicht. Der Antrag bekam ebenfalls mit 37:23 Stimmen die nötige Mehrheit.
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