Die Zeit zwischen der letzten Ratsversammlung des alten Stadtrates und der konstituierenden Sitzung des neu gewählten ist eine gute Gelegenheit, um auf die letzten fünf Jahre zurückzublicken und einen Vorausblick zu wagen. Wir haben dazu die neugewählten Fraktionsvorsitzenden zu einem Gespräch gebeten. Im Vorfeld haben wir sechs Fragen vorformuliert und den Gesprächspartnern geschickt, im Gespräch eine davon ausgelassen und eine zusätzliche am Ende gestellt.

Am 19. August trafen wir uns mit Franziska Riekewald, in der Fraktionsgeschäftsstelle der Fraktion Die Linke im Neuen Rathaus.

Frau Riekewald, zuerst herzlichen Glückwunsch zur Wahl als Fraktionsvorsitzende. Und dann kommen wir gleich zu den Fragen. Die Neuwahl ist ja immer auch ein Grund für einen Rückblick, da steht die Frage: Was waren Ihre Highlights der letzten Wahlperiode für Ihre Fraktion?

Ja, vielen Dank für die Glückwünsche, freue mich auch sehr auf die neue Aufgabe. Ja, ich glaube, die letzten Jahre waren sehr geprägt von Verkehrsdebatten, von Debatten zum Thema „Wie sanieren wir unsere Schulen?“, „Wie können wir eigentlich was für Grünau tun?“

Das Bildungs- und Bürgerzentrum, dass wir da endlich einen Schritt nach vorne gekommen sind, den Planungsbeschluss gefasst haben, das ist mir auch eine Herzensangelegenheit, uns als Fraktion auch eine Herzensangelegenheit. Und ich glaube insgesamt, die ganzen sozialen Themen.

Uns ist es gelungen, dass wir ein Sozialticket deutschlandweit einführen konnten, also das ist jetzt deutschlandweit gültig, da sind wir, glaube ich, mit eine der wenigen Städte in Deutschland, die das überhaupt haben für 29 Euro. Und die ganzen Themen: „Wie kommen wir voran mit der Ungleichheit in der Bevölkerung?“

Also wir haben viel dafür getan, dass Kultur nicht so teuer ist, wir konnten dafür sorgen, dass wir Bibliotheken – nicht die Bibliotheken, Entschuldigung, die sind so oder so kostenlos – aber die Museen jetzt auch kostenlos sind, und nicht nur einen Tag im Monat, sondern tatsächlich von Montag bis Freitag. Das sind so die Themen, wo wir, glaube ich, als Linke ganz stolz sind, dass wir da unseren Beitrag geleistet haben.

Frau Franziska Riekewald (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 22.05.24. Foto: Jan Kaefer
Franziska Riekewald (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 22.05.24. Foto: Jan Kaefer

Die andere Frage, die sich logischerweise gleich anschließt: Was waren denn die Sachen, die der Fraktion am meisten wehgetan haben? Also eigene Anträge, die abgelehnt wurden oder vielleicht auch bestätigt, aber nicht umgesetzt?

Das ist auch wieder, das ist ja mein Thema Verkehr, die ganzen Themen Nahverkehrs-Streckenerweiterung. Also da sind wir, meiner Meinung nach, in den letzten fünf Jahren nicht wirklich vorangekommen. Wir wollten eigentlich schon viel, viel weiter sein, wir hatten Grundsatzbeschlüsse gefasst, dass es nun endlich vorangeht mit der Südsehne, mit der Erweiterung in Thekla, in Wahren, und da mussten wir schon ziemlich viel Druck machen.

Wir haben natürlich jetzt am Ende der letzten Wahlperiode dann doch noch die Beschlüsse gefasst, aber es war alles sehr, sehr zäh. Die Verwaltung hat sich da sehr, sehr viel Zeit gelassen. Und ein zweites Thema: Am Ende der Wahlperiode haben wir ja versucht, das Thema kostenloses Mittagessen in den Stadtrat zu bringen.

Da sind wir noch nicht durch mit der Debatte, aber da hat sich eben auch schon angedeutet in den Ausschüssen, dass es nicht so auf positives Feedback stößt und da sind wir natürlich nicht so glücklich darüber, dass wir da nicht weitergekommen sind.

Es sind neue Leute in den Stadtrat eingezogen, auch bei der Fraktion Die Linke. Alte sind gegangen oder auch nicht wieder angetreten. Wessen fachliche Expertise von denen, die nicht mehr dabei sind, wird denn am meisten fehlen?

Ja, es ist natürlich immer schwierig, einzelne Personen so in den Fokus zu rücken, aber ich denke schon Steffen Wehmann, das ist unser finanzpolitischer Sprecher bisher gewesen. Und ich glaube nicht nur, dass wir ihn als Linke vermissen werden, sondern der ganze Stadtrat hat da schon eine Träne verdrückt. Weil es einfach so ist, dass er das finanzpolitische Gesicht war im Stadtrat, über unsere Parteigrenzen hinaus sehr bekannt und vor allem auch geschätzt.

Das tut uns sehr weh, dass er nicht wieder in den Stadtrat gewählt wurde. Aber natürlich auch bei Michael Neuhaus, der für Umweltpolitik die letzten fünf Jahre sehr gekämpft und wirklich die Themen in den Fokus genommen hat. Und zwar nicht nur im Sinne von: „Wir müssen mehr für die Umwelt tun“, sondern auch immer mit den sozialen Themen. Das sind so, glaube ich, die zwei, die wir am meisten vermissen werden.

Frau Franziska Riekewald (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 25.04.24. Foto: Jan Kaefer
Franziska Riekewald (Die Linke) im Leipziger Stadtrat am 25.04.24. Foto: Jan Kaefer

Die neue Wahlperiode steht bevor. Was werden denn – normalerweise hat man 100 Tage, aber sagen wir mal im ersten Jahr – die Schwerpunkte sein, die Sie setzen werden?

Ja, ich hatte es gerade schon angedeutet, das kostenlose Mittagessen, das ist ja ein Herzensthema. Da haben wir ja angefangen, Unterschriften auch zu sammeln und Bürgerbegehren anzustreben. Natürlich haben wir es zum Laufen gebracht, wir haben schon tausende von Unterschriften gesammelt, aber wir hoffen eigentlich, dass es das nicht braucht, sondern dass wir da immer noch eine Mehrheit im Stadtrat dafür finden können. Das ist, glaube ich, das Thema, was wir zuerst angehen wollen und müssen.

Und ansonsten sind es Themen, wie ich es gerade schon gesagt habe: Aufwertung von Paunsdorf. Da müssen wir endlich vorankommen mit der Schulsanierung, wir müssen endlich uns angucken in Mockau, da gibt es riesengroße Probleme, um das Mockau-Center drumherum, um dieses Gebiet zu entwickeln. Und Grünau: Ich finde es gut, dass wir für das Bildungs- und Bürgerzentrum der Plan jetzt beschlossen haben, was wir dort planen, aber da müssen wir endlich in die Umsetzung kommen. Das sind so die Themen, die wir als erstes angehen. Aber wie gesagt, das kostenlose Mittagessen, das ist so ein Herzensthema für uns.

Stadträte werden, als Personen, von der Bevölkerung gewählt und bilden dann eine Fraktion. Welches Versprechen gibt die Fraktion Die Linke den Leipzigerinnen und Leipzigern?

Eigentlich genau das, was wir auf unseren Plakaten hatten. Wir wollen uns um die Themen bezahlbares Wohnen kümmern, wir wollen uns um die Themen insgesamt, um soziale Themen, weniger die Schere zwischen Arm und Reich wieder aufgehen zu lassen, sondern sie zu schließen. Das sind die Dinge, die ich verspreche. Die werden wir angehen. Wir werden weiterhin das soziale Gewissen im Stadtrat von Leipzig sein. Wir wollen dort auch, gerade den Investorinnen und Investoren, die wir brauchen, das wissen wir auch als Linke, aber wir wollen denen auf die Finger gucken.

Wir wollen gucken, dass das, was sie hier investieren, insgesamt der Stadt auch guttut. Und ich glaube, es geht weiter: Die Wachstumsschmerzen, wie man so schön sagt, die wir als Leipzig immer noch haben. Wir sind immer noch eine wachsende Stadt, zu verarbeiten. Wie gesagt: bezahlbare Mieten, die LWB da auch in die Pflicht zu nehmen, das sind so die Themen. Das werden wir uns auf die Fahnen schreiben.

Die letzte, wahrscheinlich nicht ganz unerwartete Frage: Der neue Stadtrat setzt sich anders zusammen als in der letzten Wahlperiode. Wie wird das Verhältnis der Fraktion Die Linke zu AfD und BSW?

BSW ist für mich eine ganz normale Fraktion, eine demokratische Fraktion. Die werden wir so behandeln wie auch die Grünen und die SPD und natürlich auch mit der CDU werden wir gut zusammenarbeiten, hoffentlich. Es kommt ja auch immer auf zwei Partner an. Und AfD, das ist für mich keine demokratische Fraktion und wir müssen jetzt einfach gucken, wie wir mit deren Anträgen umgehen.

Natürlich müssen wir auch dort schauen, wenn es inhaltliche Dinge gibt. Also die Sonne scheint hell, dann werden wir nicht sagen: Sie scheint nicht hell, nur weil es die AfD gesagt hat. Aber bis jetzt kamen dort keine Anträge, wo wir gesagt haben: Denen müssen wir zustimmen. Das waren meistens sehr populistische Anträge, die den Leipzigerinnen und Leipzigern nicht wirklich weitergeholfen hätten, wenn sie eine Mehrheit gefunden hätten.

Und da erwarte ich ehrlich gesagt auch nichts anderes. Also mit der AfD wird es keine Kooperation und keine Zusammenarbeit geben. Das werden wir weiterhin so beibehalten.

Frau Riekewald, vielen Dank und viel Erfolg.

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