Die Zeit zwischen der letzten Ratsversammlung des alten Stadtrates und der konstituierenden Sitzung des neu gewählten ist eine gute Gelegenheit, um auf die letzten fünf Jahre zurückzublicken und einen Vorausblick zu wagen. Wir haben dazu die neugewählten Fraktionsvorsitzenden zu einem Gespräch gebeten. Im Vorfeld haben wir sechs Fragen vorformuliert und den Gesprächspartnern geschickt, im Gespräch eine davon ausgelassen und eine zusätzliche am Ende gestellt.
Am 19. August trafen wir uns mit Christopher Zenker in der Fraktionsgeschäftsstelle der SPD-Fraktion im Neuen Rathaus.
Herr Zenker, zuerst herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl als Fraktionsvorsitzender. Und dann kommen wir gleich zu den Fragen. Die Neuwahl ist ja immer auch ein Grund für einen Rückblick, da steht die Frage: Was waren Ihre Highlights der letzten Wahlperiode für Ihre Fraktion?
Also wir haben natürlich erstmal, aus unserer Sicht, viel erreicht in den letzten fünf Jahren. Ein Highlight waren sicher die Haushaltsverhandlungen zum letzten Doppelhaushalt, wo es uns wirklich gelungen ist, nahezu alle unsere Anträge durchzubekommen. Insbesondere in dem Zusammenhang – wir hatten ja damals die hohen Inflationsraten – die Stärkung der Vereinslandschaft, und zwar von Jugend bis Senioren, von Sport bis Kultur, dass wir es dort überall geschafft haben, 10 Prozent Dynamisierung durchzubekommen.
Und zwei weitere vielleicht spannende Anträge waren einmal das Solardachprogramm für kommunale Dachflächen. Leipzig ist da inzwischen Spitzenreiter beim Ausbau. Und angestoßen haben wir das Thema Azubi-Wohnen, was jetzt glücklicherweise auch Fahrt aufnimmt. Wir haben Studierenden-Wohnen in Leipzig, aber bisher kein Azubi-Wohnen gehabt und das bekommt dadurch auch Fahrt jetzt.
Die andere Frage, die sich logischerweise gleich anschließt: Was waren denn die Sachen, die der Fraktion am meisten wehgetan haben? Also eigene Anträge, die abgelehnt wurden oder vielleicht auch bestätigt, aber nicht umgesetzt?
Das Thema Nicht-Umsetzung, beziehungsweise dass es viel zu lange dauert, ist immer ein Riesenproblem. Das haben wir vor allem im Verkehrsbereich, wo viele Projekte auf sich warten lassen. Ich will auch nicht nur mal mit dem Finger auf die Verwaltung zeigen, die finden nun mal auch in dem angespannten Personalmarkt nicht ausreichend Fachkräfte. Dann fehlt es an der Stelle, Stellen, die noch nicht besetzt werden.
Und was uns auch immer noch traurig macht, dass das so lange dauert, sind die Wartezeiten für Einbürgerungen, wo wir noch deutlich über zwei Jahre Wartezeiten haben. Das ist eigentlich eine Zumutung, gerade für Menschen, die hier arbeiten, die mit ihrem Beitrag leisten, dass unsere ganze Gesellschaft funktioniert. Dass wir die so lange warten lassen, wenn die sich einbürgern lassen, finde ich sehr traurig.
Es sind neue Leute in den Stadtrat eingezogen, auch bei der SPD-Fraktion. Alte sind gegangen oder auch nicht wieder angetreten. Wessen fachliche Expertise von denen, die nicht mehr dabei sind, wird denn am meisten fehlen?
Also wer mir besonders fehlen wird, ist Christian Schulze. Ein Stadtrat, der von Anfang an dabei war, der wunderbar vernetzt ist in dieser Stadtverwaltung. Aber vor allem, was auch ganz wichtig ist, der immer in der Lage war, auch Kompromisse zu suchen, der durch seine ausgleichende Art auch bei den anderen Fraktionen dann immer mal überzeugt hat. Das ist auf alle Fälle eine Expertise, die im nächsten Stadtrat aus meiner Sicht fehlen wird.
Die neue Wahlperiode steht bevor. Was werden denn – normalerweise hat man 100 Tage, aber sagen wir mal im ersten Jahr – die Schwerpunkte sein, die Sie setzen werden?
Ich glaube, die Schwerpunkte werden sich über die gesamte Legislatur ziehen, über die fünf Jahre. Also wenn man nur die nächsten 100 Tage nimmt, dann sagen wir, okay, es wird der Doppelhaushalt sein, der unsere Kräfte erstmal binden wird. Aber wenn wir ehrlich sind, wir reden über viele wichtige Sachen, die insbesondere zu bauen sind.
Das ist im Verkehr, das ist bei der Energiewende, das ist im Wohnungsbau, damit benenne ich auch schon die drei großen Herausforderungen unserer Stadt und das wird uns aus meiner Überzeugung die nächsten fünf Jahre begleiten. Und was auch eine große Herausforderung wird, ist sicher der angespannte Haushalt, dass wir Haushaltsverhandlungen auch trotzdem noch gestalten können, auch wenn uns schon jetzt deutlich gemacht wird, dass wir eher sparen müssen als mehr ausgeben können.
Stadträte werden, als Personen, von der Bevölkerung gewählt und bilden dann eine Fraktion. Welches Versprechen gibt die SPD-Fraktion den Leipzigerinnen und Leipzigern?
Unser Versprechen ist, dass wir irgendwie, wie es uns in den letzten fünf Jahren wichtig war, versuchen, den Ausgleich im Rat auch ein Stückchen herzustellen. Kompromisse zu suchen in schwierigen Situationen und das insbesondere mit dem Ziel, dass Leipzig eine sehr lebenswerte Stadt bleibt. Ich glaube, das ist in den letzten Jahren gut gelungen.
Das zeigen auch diverse Umfragen, sowohl innerhalb von Deutschland als auch europaweit, dass Leipzig immer einen der vorderen Plätze belegt, wenn es um die Lebenswertigkeit einer Stadt geht. Und das wollen wir auch in Zukunft. Bei allen unseren Entscheidungen soll das der entscheidende Maßstab sein.
Die letzte, wahrscheinlich nicht ganz unerwartete Frage: Der neue Stadtrat setzt sich anders zusammen als in der letzten Wahlperiode. Wie wird das Verhältnis der SPD-Fraktion zu AfD und BSW?
Ich sage bei der AfD ganz klar, die Partei gilt als gesichert rechtsextrem und hat wohl auch noch keine Entscheidung getroffen, wie sie mit dem Freien Sachsen umgeht, ob sie den aufnehmen möchte. Was allein schon für mich ein Indiz ist, dass sie da auch keine Berührungsängste haben, sonst hätte man da auch schon eine klare Entscheidung treffen können. Sie haben in der Vergangenheit den Ulbrich nicht rausgeworfen, obwohl er schon aus der Landtagsfraktion rausgeworfen wurde. Für mich persönlich wird es da keine Zusammenarbeit geben.
Das kann ich mit meinem Gewissen in dem Fall nicht vereinbaren. Bei dem BSW wird es sich zeigen müssen, welchen Weg die gehen, wie eine Zusammenarbeit aussehen kann. Was ich grundsätzlich glaube, ist, dass im Leipziger Stadtrat das sogenannte Leipziger Modell bedeutender werden wird. Es wird wechselnde Mehrheiten geben, mal so, mal so. Und ich hoffe, dass man Mehrheiten findet, die die Stadt voranbringen wollen, insbesondere in den Themenschwerpunkten Energiewende und Verkehrswende.
Da kann man, wenn man sich die Wahlprogramme der verschiedenen Parteien durchliest, ein bisschen Sorgen haben. Aber auch hier bin ich optimistisch, dass die progressive Mehrheit da immer noch einen guten Weg findet.
Herr Zenker, ich danke für das Gespräch und wünsche viel Erfolg für die neue Wahlperiode.
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