Es ist wie ein Dominospiel. Und das beherrschen konservative Politiker in Deutschland bravourös. Sie spielen es besonders intensiv, seit die Bundesbürger 2021 die CDU und die CSU aus der Regierung gewählt haben. Seitdem preschen ihre Spitzenfunktionäre praktisch im Wochentakt nach vorn, um mit Forderungen Flüchtlingen im Land das Leben schwer zu machen und die asylsuchenden Menschen immer stärker zu kontrollieren. Die Bezahlkarte für Geflüchtete ist das jüngste Erfolgsprodukt dieser Strategie.

Sie trägt zwar in keiner Weise zur besseren Integration dieser Menschen bei. Aber sie schränkt ihre Möglichkeiten ein, das ihnen gewährte Geld zu verwenden. Über den Bundesrat machten CDU-Politiker Druck und nutzten das Gremium intensiv, die Bezahlkarte auf die Bundesebene zu hieven. Und am 16. Mai zeitigte der Druck Erfolg: die entsprechende Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes trat in Kraft.

Und auch Städte wie Leipzig werden sich dem wohl nicht entziehen können, auch wenn die Linksfraktion in Stadtrat noch einmal versucht hat, den Oberbürgermeister umzustimmen und es in Leipzig beim Verzicht auf die Bezahlkarte zu belassen oder eine weniger diskriminierende Form zu nutzen.

Diskriminierung und Restriktion

„Das von Bund und Ländern diskutierte Modell einer Bezahlkarte für Geflüchtete im Bezug des Asylbewerberleistungsgesetzes setzt auf Diskriminierung und Restriktionen. Diese Sprache sprechen die gemeinsam vereinbarten Standards, auf deren Basis eine Ausschreibung gestartet wurde (vgl. Antwort auf Kleine Anfrage im Sächsischen Landtag Drs 7/15683).

Auch das Pilotprojekt der 10 sächsischen Landkreise sieht Bezahlkarten mit eingeschränktem Bargeldbezug vor, ohne die Möglichkeit des Geldtransfers ins Ausland und mit einer möglichen räumlichen Beschränkung. Diese Pilotprojekte sind Vorboten der Ausgestaltung der Bezahlkarte in Sachsen“, stellte die Linksfraktion in ihrem Antrag fest, mit dem sie „Keine diskriminierende Bezahlkarte für Geflüchtete in Leipzig!“ forderte.

Die Linksfraktion lehne eine Bezahlkarte, die auf Einschränkung der Selbstbestimmung der Menschen orientiert, ab. Denn getragen werde die Idee der Bezahlkarte von der Behauptung, Migration einzudämmen.

„Sozialleistungen als ‚Pull-Faktoren‘ sind allerdings empirisch nicht nachweisbar. Es sind ‚Push-Faktoren‘, also Kriege, Verfolgung und Unsicherheit, die Menschen aus ihren Herkunftsländern vertreiben“, geht die Linksfraktion auf die falsche Denkweise hinter der Gesetzesänderung ein. „Verschärft wird die entwürdigende Wirkung des Bezahlkarten-Modells zudem durch den Plan, den Bezug von Asylbewerberleistungen, die unterhalb der Leistungen des SGB II und XII liegen und eine eingeschränkte Gesundheitsversorgung vorsehen, von derzeit 18 auf 36 Monate zu verlängern.“

Eine Alternative würde aus Sicht der Linksfraktion die „SocialCard“ bieten, wie sie in der Stadt Hannover eingeführt wurde. Mit dieser Karte können die Berechtigten frei über die Verwendung ihres Guthabens inklusive Bargeldabhebung entscheiden, die Karte bietet aber eine Vereinfachung der Verwaltungsprozesse.

„Mit dem Antrag wollen wir erreichen, dass die Stadt Leipzig alle Wege nutzt, um die Option zum Ausstieg aus dem derzeit auch für Sachsen beabsichtigten Modell zu ermöglichen“, heißt es im Linke-Antrag.

Für politische Meinungen kein Raum

Doch das Sozialdezernat sieht keine Chance, in Leipzig eine Ausnahme zu machen: „Der Antrag wird abgelehnt. Die Frage der Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete sowie die inhaltliche und technische Ausgestaltung der Karte fällt in die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters. Eine Zuständigkeit des Stadtrates ist nicht gegeben.“

Denn die Einführung der Bezahlkarte ist Ländersache. Schon am 4. März meldete das Sächsische Innenministerium: „Im Freistaat Sachsen startet ab 1. April 2024 ein Pilotprojekt zur schrittweisen Einführung einer Bezahlkarte in den Landkreisen.“

Und das Leipziger Sozialdezernat sieht da augenscheinlich auch für Leipzig keinen Spielraum, auch wenn es – ganz bürokratisch – erklärt, das für dieses Thema allein der Oberbürgermeister zuständig ist und der Stadtrat den Oberbürgermeister nicht mal „ersuchen“ kann, „den Verzicht auf die Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete zu prüfen“.

„Entsprechend einem Schreiben der Landesdirektion Sachsen vom 08. Mai 2024 folgt daraus, dass die grundsätzliche Frage der Einführung einer Bezahlkarte für Geflüchtete sowie Vorgaben zur inhaltlichen bzw. technischen Ausgestaltung der Karte in die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters fallen. Eine beschließende Zuständigkeit des Stadtrates ist nicht gegeben“, stellt das Sozialdezernat fest, ohne auf das Anliegen der Linksfraktion weiter einzugehen.

„Der Oberbürgermeister ist in Auftragsangelegenheiten vollständig dem Weisungsrecht der zuständigen Behörde des Freistaates unterworfen. Er bzw. die Stadtverwaltung kann daher einen Beschluss des Stadtrates keinesfalls als Erwägung im Ermessensfall heranziehen. In gebundenen Entscheidungen zählt allein die rechtliche Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen, dabei ist für die Berücksichtigung politischer Meinungen in der Regel kein Raum.

Wird dem Oberbürgermeister eine Weisung durch die übergeordnete Behörde erteilt, muss er diese befolgen und kann sich nicht auf eine entgegenstehende Stellungnahme des Stadtrates berufen. Der Antrag ist daher abzulehnen.“

Natürlich kann die Ratsversammlung trotzdem dem Antrag der Linksfraktion zustimmen – es wird aber nichts ändern. Womit dann das Drängen der Union, die Bezahlkarte einzuführen, von der obersten Ebene durchdrückt, auch in Städten wie Leipzig.

Auch hier hat die CDU-Fraktion schon Druck ausgeübt, die Bezahlkarte schnellstmöglich einzuführen. Der Antrag der Linksfraktion war ursprünglich ein Änderungsantrag zu diesem Vorstoß. Nun ist er gewissermaßen ein Test, wie die Ratsmehrheit tatsächlich dazu steht. Denn das Sozialdezernat hat eigentlich schon deutlich gemacht, dass es die Bezahlkarte einführen will.

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