Leipzig hat einen neuen Stadtrat gewählt. Die genaue Zusammensetzung muss erst noch vom amtlichen Endergebnis bestätigt werden, aber große Änderungen wird es wohl nicht mehr geben. Während Grüne und BSW personell frischen Wind in den Stadtrat bringen werden, ist bei den anderen großen Parteien eher Kontinuität angesagt.
Linke
Die Linkspartei wird mit zwölf Personen im neuen Stadtrat vertreten sein – drei weniger als aktuell. Weiterhin dabei sind Beate Ehms, Olga Naumov, Marco Götze, Mandy Gehrt, Sören Pellmann, Volker Külow, Franziska Riekewald und Juliane Nagel, die mit knapp 19.000 Stimmen mehr als doppelt so viele holte wie der Zweitplatzierte von den Linken: der derzeitige Fraktionsvorsitzende Sören Pellmann.
Von den vier „Neulingen“ erzielte Elisa Gerbsch mit 5.054 Stimmen das beste Ergebnis. Sie konnte den bisherigen Stadtrat Steffen Wehmann im Wahlkreis Nordost klar hinter sich lassen.
Nur etwas mehr als 2.000 Stimmen reichten hingegen für Susanne Scheidereiter. Sie profitierte vom starken Ergebnis der Linken im Wahlkreis Süd, wo die Partei mit knapp 29 Prozent deutlich auf dem ersten Platz landete. Adam Bednarsky hingegen, ebenfalls im Süden angetreten, hat es nicht wieder in den Stadtrat geschafft.
Das gilt beispielsweise auch für William Rambow, der zwar die elftmeisten Stimmen aller Linke-Bewerber*innen holte, aber im Wahlkreis Südost als Zweitplatzierter hinter Olga Naumov nicht mehr berücksichtigt werden konnte. Noch schlimmer traf es Joana Sammler, die zwar die siebtmeisten Stimmen aller Linken holte, im Wahlkreis Alt-West aber Volker Külow den Vortritt lassen musste.
Einige Bewerber*innen der Linken erzielten ebenfalls bemerkenswerte Ergebnisse: Nam Duy Nguyen im Wahlkreis Mitte, Alexander John im Wahlkreis Nordost und Maximilian Hampel im Wahlkreis Süd bekamen trotz hinterer Listenplätze jeweils zwischen 1.000 und 2.000 Stimmen.
Nina Treu, Direktkandidatin für die Linke bei der vergangenen Bundestagswahl, Mohamed Okasha, bis vor Kurzem Vorsitzender des Beirats für Migrant*innen, und der Landtagsabgeordnete Marco Böhme haben es allesamt nicht in den Stadtrat geschafft.
CDU
Von den bislang 13 Stadträt*innen – so viele werden es auch ab Herbst wieder sein – waren einige nicht mehr angetreten. Jene, die wieder auf dem Wahlzettel standen, wurden größtenteils erneut gewählt: Falk Dossin, Jens Lehmann, Hans-Jürgen Raqué, Karsten Albrecht, Jessica Steiner, Michael Weickert, Andreas Schultz und Sabine Heymann. Ähnlich wie bei den Linken gibt es also viel Kontinuität.
Zu den neuen Gesichtern gehört jenes von Andreas Nowak. Er ist Vorsitzender der Leipziger CDU und konnte sich im Wahlkreis West durchsetzen. Neu dabei ist beispielsweise auch Lucas Schopphoven, der in den vergangenen Jahren in CDU-Jugendgruppen und im Stadtbezirksbeirat aktiv war.
Vergleicht man die Zahlen der CDU mit jenen eher linker Parteien fällt auf, dass sich die Stimmen stärker auf einzelne Personen konzentrieren. Elf Personen haben mehr als 5.000 Stimmen erhalten; bei den Grünen waren es nur drei.
Grüne
Abgesehen von Kristina Weyh und den beiden Fraktionsvorsitzenden Katharina Krefft und Tobias Peter hat es aus der aktuellen Fraktion niemand in den neuen Stadtrat geschafft. Nicht mehr dabei sind also beispielsweise Pfarrer Andreas Dohrn, der ehemalige Landesvorsitzende Norman Volger und Jürgen Kasek, der in den Wochen vor der Wahl auch gegen seine eigene Partei kämpfen musste.
Auffällig ist der hohe Frauenanteil in der neuen Fraktion. Neben Tobias Peter wird Marvin Frommhold aus dem Wahlkreis Mitte der einzige Mann sein – die restlichen neun Stadträtinnen sind weiblich. Mit der ehemaligen Stadträtin Gesine Märtens und der Bundestagsabgeordneten Paula Piechotta, die erst gegen Ende der Auszählung den Sprung geschafft hat, finden sich trotz der hohen Fluktuationen einige bekannte Namen.
Die Wahl von Piechotta ist ein echtes Kuriosum. Sie war in ihrem Wahlkreis auf dem letzten Listenplatz angetreten und hatte nicht damit gerechnet, in den Stadtrat zu kommen. „Wir werden in den nächsten Tagen schauen, wie sich das zeitlich für mich organisieren lässt“, schrieb sie auf Instagram. Sie wäre dann eine von drei Bundestagsabgeordneten im Stadtrat.
Starke Ergebnisse erzielten Chantal Schneiß aus dem Wahlkreis Südost, Sylvia Herbst-Weckel im Wahlkreis Nordwest und Anne Vollerthun im Wahlkreis Alt-West. Letztere sicherte sich den Platz im Stadtrat, indem sie den bisherigen Stadtrat Bert Sander hinter sich ließ. Martin Meißner, angetreten im Wahlkreis Südost, holte zwar die siebtmeisten Stimmen aller Grünen, muss den Stadtrat aber trotzdem verlassen.
AfD
Die von manch anderen Stadträt*innen als „Faschisten“ bezeichneten Rechtsaußen des Stadtrates werden im neuen Stadtrat kein wesentlich anderes Gesicht zeigen. Mit Christoph Neumann, Marius Beyer, Tobias Keller, Roland Ulbrich, Siegbert Droese, Sylvia Deubel, Christian Kriegel, Udo Bütow und Jörg Kühne haben es neun der bisher elf Stadträt*innen wieder geschafft. Lediglich Falk-Gert Pasemann scheiterte. Karl-Heinz Obser war nicht wieder angetreten.
Neu dabei sind Alexandra Hachmeister, Rocco Farkas und Karsten Fiedler. Erstere war im Wahlkreis Ost auf dem letzten Listenplatz angetreten, holte aber dort hinter Marius Beyer die meisten Stimmen. Auch Rocco Farkas (Listenplatz 5 im Wahlkreis Alt-West) und Karsten Fiedler (Listenplatz 5 im Wahlkreis Nordwest) waren nicht auf Spitzenpositionen in den Wahlkampf gegangen.
Generell fällt bei der AfD auf, dass der Listenplatz – abgesehen von den Spitzenpositionen – offenbar wenig Einfluss auf das Wahlverhalten hatte. Personen auf hinteren Listenplätzen holten häufig ähnlich viele Stimmen wie Personen weiter oben.
SPD
Auch bei den Sozialdemokrat*innen ist Kontinuität angesagt. Die Fraktion wird sich von neun auf acht Personen verkleinern – sofern nicht noch Mitglieder anderer Parteien aufgenommen werden. Sechs dieser acht Stadträt*innen gehören auch schon dem aktuellen Stadtrat an: Anja Feichtinger, Ute Köhler-Siegel, Andreas Geisler, Christian März, Getu Abraham und der Vorsitzende Christopher Zenker, der von allen SPD-Bewerber*innen deutlich die meisten Stimmen erhielt.
Neu dabei ist Frank Franke, der einst Vorsitzender der Leipziger Jusos war, und Pia Heine, die in den vergangenen Jahren beispielsweise als Mitarbeiterin von Landtags- und Bundestagsabgeordneten politische Erfahrung gesammelt hat. Insgesamt dürfte die Fraktion in der neuen Besetzung leicht nach links rücken.
Die anderen
Für die FDP sind erneut Sven Morlok und Klaus-Peter Reinhold in den Stadtrat eingezogen. Der bisherige Stadtrat Sascha Matzke holte die drittmeisten Stimmen, knapp vor Peter Jess, dem Bundestagskandidaten bei der Wahl 2021. Allerdings wurden der FDP nur zwei Sitze zugesprochen.
Thomas Kumbernuß wurde mit 4.276 Stimmen im Wahlkreis Süd erneut für „Die PARTEI“ in den Stadtrat gewählt. In der zu Ende gehenden Wahlperiode war er lange Teil der Linksfraktion, verließ diese jedoch im vergangenen Jahr wegen interner Zerwürfnisse. Der zweite Sitz für „Die PARTEI“ ging an Katharina Subat.
Bei den „Piraten“ holte sich Jan-Paul Helbig jenen Sitz, über den die Partei verfügen wird. Ute Elisabeth Gabelmann, die in der laufenden Wahlperiode für Thomas Köhler nachgerückt war, wird somit nicht dem neuen Stadtrat angehören.
Ganz neu ist das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW), das gleich im ersten Versuch sieben Stadträt*innen durchgebracht hat. Quer durch alle Wahlkreise holten die Bewerber*innen jeweils zwischen sieben und zwölf Prozent der Stimmen.
Auch die in Teilen neonazistische Partei „Freie Sachsen“ wird künftig mit einem Stadtrat vertreten sein: Jürgen Günter Butz, ein Tischlermeister, über den bislang wenig bekannt ist. Lucien Wagner, eine der prägenden Figuren rechter Montagsdemos, gehört zu den Bewerber*innen der „Freien Sachsen“, die die meisten Stimmen geholt haben.
Der Frauenanteil
Linke und Grüne werden im nächsten Stadtrat fast ausschließlich von Frauen vertreten, bei CDU und AfD ist es genau andersherum und die SPD macht Hälfte/Hälfte. Bei den übrigen Parteien gibt es mit Katharina Subat nur noch eine Frau. Das ergibt insgesamt einen Frauenanteil von knapp 40 Prozent – etwas höher als aktuell.
Es gibt 4 Kommentare
Ich weiß nicht mit Sicherheit, ob dann eine Person aus dem Wahlkreis nachrücken würde. Aber ich habe mir gerade mal zwei Fälle aus der aktuellen Wahlperiode angeguckt; einmal AfD, einmal CDU; da kamen die Nachrücker jeweils aus dem Wahlkreis der Person, die ausgeschieden ist. In einem Fall ist eine Person raus, die bei der Wahl 8.400 Stimmen bekommen hatte, und wurde ersetzt durch eine Person mit 1.700 Stimmen. Sicherlich hätte es in anderen Wahlkreisen Personen mit deutlich mehr Stimmen gegeben. Also ist es wahrscheinlich dieselbe Liste, ja.
Sollte die Ärztin Piechotta (Listenposition 11) die Wahl plötzlich nicht annehmen, würde dann die Lehrerin Möbius aus derselben Liste quasi nachrücken, sie stand im WK4 auf Position 3 der Liste und rangiert stimmenmäßig als nächste der Liste 200 Stimmen hinter ihr?
In der Regel ist es schon so, dass die Bewerber*innen auf den vorderen Listenplätzen in den Stadtrat gewählt werden. Das dürfte z.B. daran liegen, dass diese stärker beworben werden, beispielsweise auf Plakaten. Dass eine Bundestagsabgeordnete vom letzten Listenplatz in den Stadtrat gewählt wurde, klingt nicht unplausibel, aber ist doch eher ungewöhnlich. Beispielsweise ist auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Holger Mann angetreten und hat deutlich weniger Stimmen erhalten. Auch bei vergangenen Wahlen gab es solche Prominenz auf hinteren Plätzen, die dann aber nicht in den Stadtrat kam. Ich kann mich bei vergangenen Wahlen an keinen ähnlichen Fall wie jenen von Piechotta erinnern.
Was ich an dem Kommunalwahlverfahren merkwürdig finde und auch erstmal nachlesen musste: einerseits entscheiden sich Parteien bewusst für eine Reihenfolge von Kandidatinnen auf ihrer Liste für einen Wahlkreis, andererseits können Wähler ja trotzdem die Kandidatin auf der letzten Position wählen. Denken die Parteien, dass alleine die Tatsache, an oberster Position zu stehen, Vorteile bringt?
Also ich persönlich hab mir schon die Namen und die Berufe alle durchgelesen und dann so ein bisschen nach bekannten Namen der gewünschten Partei gewählt. Wenn viele das so handhaben, ist es doch nicht verwunderlich, wenn Bundestagsabgeordnete gewählt werden, obwohl sie auf dem letzten Listenplatz stehen.