Der Mensch will – hat aber nicht die Technik dazu. So ungefähr kann man den Eiertanz um das sächsische Transparenzgesetz beschreiben, das der Sächsische Landtag schon 2022 beschlossen hat – auch gleich für die Kommunen mit, die dann einfach ihre Dokumente auf der zentralen Transparenzplattform hochgeladen hätten und der Zugriff wäre für neugierige Bürger barrierefrei gewesen.

Eigentlich wollte der Leipziger Stadtrat deswegen schon 2023 eine Transparenzsatzung beschließen. Doch vor 2026 wird aus dem schönen Projekt nichts werden. Ganz schlicht deshalb, weil die Technik fehlt, um all die Dokumente, die in den Kommunen anfallen und von vornherein unter die Transparenzpflicht fallen, einfach automatisch zu übertragen. Selbst dann nicht, wenn sie – wie im Ratsinformationssystem – sowieso schon online verfügbar sind.

Das heißt: Die Verwaltung müsste alle diese Dokumente händisch übertragen. Ein Unding, schätzt das Rechtsamt der Stadt in seiner Informationsvorlage ein, die am 23. Mai in die Ratsversammlung kam.

„Als wesentliches Ergebnis ist festzustellen, dass eine Nutzung der Transparenzplattform durch sächsische Kommunen nicht vor 2026 möglich sein wird“, stellt das Rechtsamt in der Vorlage fest. „Ein derzeitiger Satzungsbeschluss würde sich daher in den Jahren 2024 und 2025 lediglich als politische Absichtserklärung ohne praktische Umsetzung darstellen. In diesem Zeitraum würde eine beschlossene Transparenzsatzung daher im Wesentlichen nur die Informationsfreiheitssatzung der Stadt Leipzig dem Namen nach ersetzen, jedoch ohne größeren Informationsgewinn für die Öffentlichkeit.“

Barrierearm ist da noch gar nichts

Und das Amt weist dabei auch auf die bislang ungelösten technischen Probleme hin: „Aufgrund der Planung des Sächsischen Aufbaustabs ist die Nutzung der Transparenzplattform durch die Sächsischen Kommunen aktuell als Upload von einzelnen Dokumenten vorgesehen und nicht als barrierearmer Workflow. Dies führt zu einem nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand ohne Informationsgewinn. Aufgrund dessen stellt sich mit besonderer Dringlichkeit die Frage, welche Dokumente auf der Sächsischen Transparenzplattform von der Stadt Leipzig veröffentlicht werden sollen.

Bei der einfachen Übernahme der Regelungen des Sächsischen Transparenzgesetz beträfe dies eine Vielzahl von Dokumenten, die bereits auf den städtischen Plattformen LIS, Open Data, Ratsinformationssystem und auf leipzig.de veröffentlicht und für die Allgemeinheit zugänglich sind (insbesondere Satzungen, Ratsbeschlüsse und sonstige Dokumente der Ratsversammlungen wie Ladungen, Protokolle etc.).

Diese Frage betrifft aber auch Dokumente, an denen kein öffentliches Interesse besteht (z.B. Dienstanweisungen der Stadtverwaltung zu internen Verfahrensabläufen). Mit der Beantwortung dieser Frage ist zugleich eine Entscheidung über inhaltliche Regelungen der zu beschließenden Transparenzsatzung verbunden. Andernfalls müsste die Satzung ggf. sofort überarbeitet werden.“

Und selbst wenn die technische Lösung endlich steht, rechnet die Stadt mit personellem Mehrbedarf: „Der Beschluss einer Transparenzsatzung wird zu der Notwendigkeit der Anschaffung von technischer Ausstattung (vor allem Software zum Schwärzen von Dokumenten) führen. Eine mögliche personelle Mehrbelastung der Stadtverwaltung muss noch untersucht werden, scheint nach den Ergebnissen der interkommunalen Abfrage aber wahrscheinlich.

Der Satzungsbeschluss sollte daher nicht losgelöst von Entscheidungen über die Schaffung der organisatorischen, personellen und technischen Voraussetzungen zum Vollzug der Satzung beschlossen werden.“

Damit wird das nämlich auch eine finanzielle Frage für den Haushalt.

2026 könnte die Plattform funktionieren

Aber zumindest scheint die technische Erarbeitung beim Freistaat inzwischen voranzugehen, wie die Vorlage feststellt: „Schließlich bedarf die technische Anbindung der Stadt an die Sächsische Transparenzplattform einer vertieften Klärung mit dem Aufbaustab des Freistaates; hier befindet man sich bereits in der Terminfindung. Erst nach Klärung dieser Vorfragen sollte das Satzungsrecht mit Wirkung ab 2026 eingeführt werden.“

So weit also die Information: Vor 2026 macht eine Transparenzsatzung in Leipzig keinen Sinn. Aber – so dann auch der Änderungsantrag der Freibeuter-Fraktion, welcher am 23. Mai zur Abstimmung kam: Wenn die sächsische Transparenzplattform am 1. Januar 2026 steht, sollte die Leipziger Transparenzsatzung dann schon existent sein und vom Stadtrat beschlossen.

„Der Oberbürgermeister wird beauftragt, dem Stadtrat den Entwurf einer Transparenzsatzung im Jahr 2025 so rechtzeitig vorzulegen, dass diese zum 01.01.2026 in Kraft treten kann und der Verwaltung ausreichend Zeit bleibt, sich nach Beschlussfassung durch den Stadtrat auf die Handhabung dieser Satzung vorzubereiten“, lautete der zentrale Beschlusspunkt des neu gefassten Änderungsantrags, den FDP-Stadtrat Sven Morlok am 23. Mai auch begründete. Denn, so Morlok: „Nichts ist schlimmer in einer Demokratie, als wenn die Bürger nicht wissen, was vor sich geht.“

Wenn der Arbeitsaufwand zu groß wird

Und genau darum geht es ja im Sächsischen Transparenzgesetz: Den Bürgern sämtliche Dokumente ohne Ausnahme zur Verfügung zu stellen, deren Veröffentlichung nichts im Wege steht. Was bei den sowieso schon online verfügbaren Dokumenten ja kein Problem ist. Aber die Bürger haben natürlich noch ein weiteres Informationsbedürfnis auch zu Dokumenten, die nicht online sind. In Leipzig können sie diese Einsicht derzeit über die Informationsfreiheitssatzung beantragen.

Nur taucht dann – gerade wenn es komplexe und rechtliche Vorgänge sind – auch die Frage nach dem Arbeitsaufwand auf. Denn mit der Abfrage großer Informationsmengen können Bürger auch ganze Verwaltungen lahmlegen. Das wollte die Freibeuter-Fraktion natürlich auch eingrenzen: „Schlägt der Oberbürgermeister vor, Sachverhalte, welche veröffentlicht werden dürfen, auf Grund des Aufwandes nicht zu veröffentlichen, legt er dem Stadtrat den entsprechenden Aufwand im Einzelfall dar.“

Da hatte OBM Burkhard Jung noch eine Nachfrage. Aber gemeint sei wirklich nur der Einzelfall, so Morlok, wenn die Stadt eine Veröffentlichung schlicht des Arbeitsaufwandes wegen ablehnt. Das soll sie dann gegenüber dem Stadtrat begründen.

Satzungsvorlage bitte 2025

Ansonsten gelte: „Bei der Erarbeitung der zu veröffentlichenden Sachverhalte lässt sich der Oberbürgermeister von dem Grundsatz leiten, alles zu veröffentlichen, was veröffentlicht werden darf und mit vertretbarem Aufwand veröffentlicht werden kann.“

Und so soll es dann auch in der Transparenzsatzung stehen, deren Vorlage sich Sven Morlok für den Herbst 2025 wünscht, früh genug, dass der Stadtrat die Transparenzsatzung auch schon beschließen kann, bevor die sächsische Transparenzplattform am 1. Januar 2026 funktionsfähig ist.

Der Ursprungsantrag der Freibeuter stammte übrigens noch aus dem Frühjahr 2023. Damals gingen auch die Freibeuter noch davon aus, dass die Transparenzplattform zeitnah zur Verfügung steht. Nur: Das Problem bei der so gern gefeierten Digitalisierung ist nun einmal meistens, dass das, was anfangs so einfach aussieht, die Techniker vor bisher ungelöste Probleme stellt.

Aber so wie die Freibeuter sah es am 23. Mai auch die Stadtratsmehrheit und stimmte ihrem Antrag mit 35:8 Stimmen bei elf Enthaltungen zu.

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