Eigentlich kann man sich nur wundern, dass Frauen nicht viel häufiger protestieren und richtig Lärm machen. Denn was Sexismus und häusliche Gewalt vor allem gegen Frauen betrifft, ändert sich augenscheinlich nichts. Viele Männer benehmen sich immer noch wie die Paschas und lösen Konflikte mit körperlicher Gewalt.

Ab dem 1. Oktober bekommt Leipzig deshalb auch eine kommunale Beratungs-, Interventions- und Koordinierungsstelle zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt.

Das hat der Stadtrat im Dezember 2023 auf einen gemeinsamen Antrag der Fraktionen von Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen und SPD hin beschlossen. Am 23. Mai informierte dann die Verwaltung offiziell über die Einrichtung der Beratungsstelle.

Die Stadt Leipzig richtet deshalb zum 1. Oktober 2024, befristet für drei Jahre, eine kommunale Beratungs-, Interventions- und Koordinierungsstelle zur Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ein.

Die Einrichtung steht unter dem Vorbehalt der mindestens 95-prozentigen Förderung durch den Freistaat Sachsen als Modellprojekt „Kommunale Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking (KIS)“ über die Richtlinie zur Förderung der Chancengleichheit im Umfang von 170.000 Euro jährlich für die Dauer von drei Jahren bis 30. September 2027, teilte das Dezernat Soziales, Gesundheit und Vielfalt dazu mit.

Dass das nur eine befristete Lösung ist, bedauerte auch Sozialbürgermeisterin Martina Münch. Ob das Förderprogramm danach weitergeführt wird, kann heute noch niemand sagen.

Frau Martina Münch (Bürgermeisterin und Beigeordnete für Soziales, Gesundheit und Vielfalt) im Leipziger Stadtrat am 23.05.24. Foto: Jan Kaefer
Martina Münch (Bürgermeisterin und Beigeordnete für Soziales, Gesundheit und Vielfalt) im Leipziger Stadtrat am 23.05.24. Foto: Jan Kaefer

Denn – darauf wies Linke-Stadträtin Beate Ehms als Vorsitzende des Gleichstellungsbeirats in ihrer Rede hin: Ob es eine frauenfreundliche Politik weiter geben wird, hängt nun einmal davon ab, wen die Sachsen im Herbst in den Landtag wählen. Wenn sie ihre Stimme einer frauenfeindlichen Partei geben, die Frauen lieber wieder am Herd stehen haben möchte, dann kann das auch bedeuten, dass viele wichtige Unterstützungsprogramme für gewaltgefährdete Frauen nicht mehr weitergeführt werden.

Ein Problem auch in Leipzig

In der Vorlage des Sozialdezernats standen dann auch noch einmal die aktuellen Zahlen, die auch Beate Ehms noch einmal wichtig fand anzuführen.

„Das Ausmaß geschlechtsspezifischer Gewalt in der Stadtgesellschaft ist nach wie vor hoch. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes ist die Zahl der von häuslicher Gewalt betroffenen Personen im Jahr 2022 um 8,5 % auf 240.547 im Vergleich zum Vorjahr angestiegen. In Leipzig stieg die Zahl im gleichen Zeitraum um 20 %. Der Anteil der Hochrisikofälle darunter ist ebenfalls signifikant angestiegen.

Im Jahr 2022 wurden insgesamt 43 Hochrisikofälle gezählt, bei denen die Behörden aufgrund angedrohter Tötungsdelikte, Waffengebrauch oder wiederholten schweren Verletzungen sofort intervenieren mussten. Eine erfolgreiche Präventionsarbeit, bessere Aufklärung und Sensibilisierung der Betroffenen und vor allem eine bessere polizeiliche Erfassung der Fälle sind ursächlich für den Anstieg. In Leipzig gibt es derzeit lediglich eine Koordinierungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking in freier Trägerschaft des Frauen für Frauen e. V.“

Dabei folgt Leipzig der Istanbul-Konvention, die das Thema auch auf internationaler Ebene sichtbar gemacht hat.

„Durch die Ratifizierung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) verpflichtet sich Deutschland zur Ergreifung weitreichender Maßnahmen zur Verhinderung geschlechtsbezogener Gewalt – darunter die Zusicherung, Schutz- und Hilfsdienste für gewaltbetroffene Frauen und deren Kindern, bereitzustellen (Art. 22 Istanbul-Konvention)“, heißt es in der Vorlage.

„In Leipzig werden zahlreiche Vorgaben der Istanbul-Konvention bereits erfüllt. Ein Netz von Einrichtungen und eine Reihe von Projekten freier Träger sorgen dafür.“

2026 braucht es einen Vorschlag zur Fortführung

Vorerst wird die Beratungsstelle mit zwei Vollzeitstellen ausgestattet.

Aber noch vor Auslaufen der Förderung soll sich der Stadtrat Gedanken darüber machen, wie es danach weitergeht: „Vorbehaltlich der Förderentscheidung wird der Ratsversammlung spätestens zum III. Quartal 2026 ein Vorschlag vorgelegt, ob und in welchem Umfang das Projekt über den 30.09.2027 hinaus fortgeführt werden soll.“

Abstimmen musste der Stadtrat über die Vorlage nicht mehr.

Aber Beate Ehms wies in ihrer Rede auch darauf hin, dass die tief in der Gesellschaft verwurzelte Gewalt gegen Frauen auch mit Machtverhältnissen zu tun hat. Machtverhältnisse, die sich auch im Leipziger Stadtrat widerspiegeln, wo nur ein Drittel der Sitze von Frauen eingenommen wird.

Das könnte sich durch die Stadtratswahl am 9. Juni ändern, wenn den Wählerinnen und Wähler ihr Stimme den Parteien geben, die Gleichberechtigung im Sinne des Grundgesetzes, Artikel 3, für selbstverständlich halten.

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