Leipzig wählt am 9. Juni einen neuen Stadtrat, 3 Stimmen kann jeder Mensch, der wahlberechtigt ist, abgeben, aber wie werden die Stimmen gezählt? Auf den Stimmzetteln stehen Kandidaten von Parteien oder Wählervereinigungen. Wen wählt man wirklich mit diesen 3 Kreuzen? Das steht selbstverständlich alles im Sächsischen Kommunalwahlgesetz und in der Sächsischen Kommunalwahlordnung, aber wer liest und versteht die schon.
Worum es bei Kommunalwahlen geht, dazu informieren zum Beispiel die Website amt24 für den Freistaat Sachsen und auch die Homepage der Stadt Leipzig zur Stadtratswahl.
Wir sind zu den Spezialisten für dieses Thema, Dr. Christian Schmitt und Jens Vöckler gegangen und haben um einfache und verständliche Antworten gebeten. Dr. Schmitt ist Amtsleiter des Amtes für Statistik und Wahlen (ASW), gleichzeitig der Vorsitzende des Gemeindewahlausschusses der Stadt Leipzig. Jens Vöckler ist stellvertretender Amtsleiter, Abteilungsleiter für Statistik und Open Data im ASW und stellvertretender Vorsitzender im Gemeindewahlausschuss. Die Antworten haben wir hier zusammengefasst.
Leipzig wählt und für viele Leipzigerinnen und Leipziger ist das Wahlsystem etwas undurchsichtig. Man hat die Wahlbenachrichtigung, weiß also, wann man wo man wählen soll, aber was passiert mit meinen Kreuzen auf dem Stimmzettel?
Der Stimmzettel
Es gibt je Wahlkreis einen Stimmzettel mit Listen von Parteien und Wählervereinigungen. Die Listen haben eine Nummer und den Namen der Liste, der meist an den Parteinamen angelehnt ist. Zu den diesjährigen Stadtratswahlen haben die Parteien bzw. Wählervereinigungen zwischen 1 und 11 Kandidierende auf ihren Listen. Jede Wählerin und jeder Wähler kann drei Stimmen abgeben. Viele Menschen denken, sie wählen eine Partei, dabei werden Kandidierende gewählt. Das bedeutet, ich gebe meine Stimmen einer Person oder verteile meine drei Stimmen auf bis zu drei Personen, die ich im Stadtrat haben will, diese können auch verschiedenen Listen angehören.
Auszählung Gesamtstadt
Der Wahltag ist zu Ende, die Stimmen werden in den Wahlkreisen gezählt und an den Wahlausschuss gemeldet, dann beginnt das Rechnen. Der Stadtrat in Leipzig hat 70 Sitze, für die gewählt wird, was bedeutet: Die Anzahl der gültigen Stimmen wird durch 70 geteilt. Das Ergebnis ist die Stimmanzahl, die eine Liste benötigt, um einen Sitz im Stadtrat zu bekommen.
2019 sah das so aus: Es gab 466.442 Wahlberechtigte; davon nahmen 278.667 an der Wahl teil und es wurden insgesamt 801.752 gültige Stimmen abgegeben. Diese Zahl dividiert durch 70 ergab die erforderliche Stimmenzahl von überschlagsweise 11.453 je Stadtratssitz. Jetzt werden diese Stimmen auf die Listen verteilt.
Dr. Christian Schmitt: „Wenn man es ganz einfach übersetzt, die Stimmen für die Listen werden wahlkreisübergreifend zusammengezählt. Die werden dann nach einem bestimmten Schlüsselverfahren geteilt mit einem Teiler und dann werden Rangfolgen für die komplette Stadt erstellt. Und dann werden diese Rangfolgen nochmal für die einzelnen Wahlkreise aufgeteilt.“
Das Schlüsselverfahren hat sich 2022 vom „d‘Hondtsches Höchstzahlverfahren“ zum „Höchstzahlverfahren nach Sainte-Laguë“ geändert, dadurch gibt es Änderungen in den Ergebnissen, die aber nur Details betreffen.
Zuweisung Wahlkreise
Es gibt ein Ergebnis für die Gesamtstadt, jetzt muss das auf die Wahlkreise heruntergebrochen werden. Das ist nicht so einfach, denn die Wahlkreise haben zwar etwa die gleiche Anzahl von Wahlberechtigten, aber nicht zwangsläufig auch eine gleiche Wahlbeteiligung.
2019 gab es beispielsweise im Wahlkreis 0 ganze 95.165 gültige Stimmen, im Wahlkreis 6 nur 56.928.
Das heißt, wenn einer Liste gesamtstädtisch 10 Sitze zustehen, ergibt sich nicht je Wahlkreis ein Sitz.
Jens Vöckler: „Die Sitze in den Wahlkreisen werden nach dem gleichen Verfahren verteilt. Ausgangspunkt sind die Stimmen, die die einzelnen Listen in dem Wahlkreis, aus der ersten Stufe der Zuteilung, erhalten haben. Diese werden dann die Stimmzahlen im Wahlkreis nach dem Teilverfahren verteilt.“
Es kann also passieren, dass eine Liste bei gesamtstädtisch 15 Sitzen in einem oder mehreren Wahlkreisen kein Stadtratsmitglied stellt.
Wer wird Stadtrat?
Wie oben geschrieben, es ist eine Wahl der Kandidierenden. Wenn Liste X im Wahlkreis X zwei Stadtratssitze zu besetzen hat, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass Platz 1 und 2 der Liste diesen Sitz bekommen. Die dritte Stufe ist die Feststellung der Einzelwahlergebnisse, also welcher Listenplatz hat im Wahlkreis die meisten Stimmen bekommen.
Wir haben gefragt: „Wenn der Kandidierende auf Platz 10 die meisten Stimmen hat, ist er dann im Stadtrat?“
Jens Vöckler: „Genau, das ist die dritte und letzte Stufe der Zuteilung. Es werden dann die, der Partei in dem Wahlkreis zugefallenen Stimmen den konkreten Bewerbern zugeordnet, das erfolgt dann in der Reihenfolge der erzielten Stimmen der einzelnen Bewerber.“
Die „kleinen“ Listen
Bei einer Liste, die in jedem Wahlkreis nur einen Kandidierenden hat und die Gesamtzahl an Stimmen für einen Sitz erreicht hat, geht der Sitz in den Wahlkreis, in dem die meisten Stimmen innerhalb dieser Liste erreicht wurden.
Wählervereinigungen, die nur in einem oder zwei Wahlkreisen antreten, haben es schwer. Sie müssen in etwa die gesamtstädtische Mindestanzahl von Stimmen erreichen, was theoretisch machbar ist. Praktisch stellt es sich aber als schwierig dar. Schauen wir wieder auf die Stadtratswahl 2019: Eine Liste, die nur im Wahlkreis 0 antritt, hätte etwa 11.453 von 95.165 Stimmen bekommen müssen. Das höchste Einzelergebnis hatte eine Listenkandidatin mit 12.510 Stimmen.
Hinderungsgründe
Es ist gewählt, zugewiesen und Kandidat X hat einen Sitz im Stadtrat errungen. Aus persönlichen, beruflichen oder anderen Gründen kann oder will er dieses Mandat nicht wahrnehmen. Manchmal ändern sich Umstände von der Aufstellung der Liste bis zur Wahl. Kann man das Mandat ablehnen und was passiert dann?
Jens Vöckler: „Die Gewählten werden alle angeschrieben, mit der Forderung, das Mandat anzunehmen, wer es nicht möchte, der muss gewisse Hinderungsgründe vortragen. Der mit der nächsthöheren Stimmzahl auf der Liste rückt dann nach, als Ersatzkandidat, sollte es im Wahlkreis keinen Ersatzkandidaten geben, dann wird der Sitz in einen anderen Wahlkreis gegeben. Sollte die Liste gesamtstädtisch keine Ersatzkandidaten mehr haben, in dem Falle bliebe der Stadtratssitz unbesetzt. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies passiert, ist aber gering.“
Fazit: Das Wahlsystem hört sich kompliziert an, wenn man aber daran denkt, dass man Personen in seinem Wahlkreis wählt, kann man fast nichts falsch machen. Außer man geht nicht zur Wahl.
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Danke, lieber Autor, und man muß wirklich betonen: die Wahlbeteiligung in einem Wahlkreis wirkt sich mittelbar auf die Chancen aller Kandidaten aller Listen dieses jeweiligen Wahlkreises aus.