Die Leipziger Verkehrsbetriebe hatten es als einzige in ganz Deutschland in der vergangenen Tarifrunde versucht: Einen Streik ihrer Beschäftigten vor Gericht zu kippen. Als Begründung führten sie den parallel stattfindenden Klimastreik an. Die LVB hatten beklagt, dass es sich aufgrund der Zusammenarbeit der Gewerkschaft ver.di mit der Klimagruppe Fridays for Future im Rahmen der #WirFahrenZusammen-Kampagne um einen – in Deutschland verbotenen – politischen Streik handele.
Gemeinsam hatten Ver.di und Fridays for Future auch die klima- und sozialpolitische Forderungen nach einer Ausfinanzierung des ÖPNV mit bundesweit 16 Milliarden Euro pro Jahr gestellt.
Das Leipziger Arbeitsgericht hatte der einstweiligen Verfügung der LVB nicht stattgegeben, der Streikaufruf sei rechtmäßig, so Richterin Bettina van Bietzen. Nur müsse ein sogenannter Notdienst bereitgestellt werden.
Nun wollte die Linken-Fraktion im Leipziger Stadtrat wissen, wie es überhaupt zu diesem Versuch der Einschränkung des Streiks kommen konnte und ob der Leipziger OBM das von Wir Fahren Zusammen angefochtene Statement des LVB-Geschäftsführers Ulf Middelberg unterstütze, dass der Streik die Verkehrswende gefährde.
Stadt: Es brauche gute Arbeitsbedingungen und Lohn, aber…
Die Stadt hielt sich in ihrer Antwort an ein allgemeines Statement. So hieß es unter anderem: „Angesichts der Risiken zur Leistungserbringung und Kostenwirkung von Streiks sind (…) u.a. in Einzelfällen auch offene Rechtsfragen, z.B. zur Zulässigkeit von Streiks, im Zweifelsfall gerichtlich zu klären, damit die Organe der Gesellschaft LVB ihren übertragenen Aufgaben auch gerecht werden können.“
Und diese Aufgaben bestünden eben darin, den Leipziger*innen ihre pünktlichen Busse und Bahnen zu garantieren – auch beim Streik zumindest im Rahmen eines Notdienstes.
Eine reichlich kurz gedachte Einschätzung, meinte der Stadtrat und klimapolitische Sprecher der Linksfraktion, Michael Neuhaus: „Es stimmt, dass ein gut funktionierender ÖPNV im besonderen Interesse der Stadt und Leipzigerinnen und Leipziger ist. Doch eben, weil sich ohne die Beschäftigten der LVB kein Bus und keine Bahn aus dem Depot bewegt, bedeutet das auch, dass gute Arbeitsbedingungen und eine gerechte Entlohnung oberste Priorität der Stadt Leipzig sein müssen. Sie muss den Streikenden den Rücken stärken und ihre Forderungen in Richtung Landes- und Bundesebene Nachdruck verleihen.“
Linken-Stadtrat: „Schlag ins Gesicht der Beschäftigten“
Neuhaus bezeichnete die Antwort der Stadt gegenüber der Leipziger Zeitung (LZ) als einen „Schlag ins Gesicht der Beschäftigten“.
„Nicht der Kampf der Beschäftigten für gute Löhne und gute Arbeitsbedingungen gefährdet die Verkehrswende“, so der Stadtrat in Bezugnahme auf das Statement von Ulf Middelberg. „Sondern die Art und Weise, wie wir mit den Menschen umgehen, die uns jeden Tag von A nach B bringen.“
Schließlich gab sogar die Stadt der Wir Fahren Zusammen-Kampagne, ob gewollt oder ungewollt, im Grunde Recht: „Die aktuellen, hauptsächlich vom Personalaufwand geprägten Kostensteigerungen ohne Preiserhöhungen oder Angebotskürzungen zu schultern, stellt nicht nur für die LVB, sondern für alle Nahverkehrsunternehmen in Deutschland eine kaum zu bewältigende Aufgabe dar.
Eine Finanzierung durch Bund und Länder in erforderlicher Höhe ist nicht ansatzweise in Sicht; selbst das Deutschlandticket ist bisher nicht nachhaltig finanziert. Der Erfolg der angestrebten Mobilitätswende hängt vorrangig von den damit verbundenen finanziellen Rahmensetzungen ab.“
Nichts anderes hatte die nun mit dem Tarifabschluss in Sachsen beendete Kampagne konstatiert und deshalb das Geld von Bundesverkehrsminister Volker Wissing gefordert. Dennoch hatte die Stadt selbst sich am Streiktag nicht hinter die Forderung der Kampagne gestellt: Eine Unterschrift des Vertreters Ulrich Hörning des OBM unter die Petition, die sowohl bessere Arbeitsbedingungen als auch die Ausfinanzierung auf Bundesebene forderte, blieb die Stadt den Beschäftigten und Klimaaktivist*innen schuldig.
Hörning begründete das in einem Statement, das er zu besagtem Klimastreik am 1. März gern vorgetragen hätte, die Bühne jedoch ausnahmsweise nicht bekam, mit der sogenannten Tarifautonomie. Deren Ausgestaltung liege bei ver.di, Sachsen und dem Kommunalen Arbeitgeberverband: „Ich stehe aber hier auch als Vertreter der Stadt Leipzig, der alleinigen Eigentümerin der LVB, vor Ihnen. Als solcher werde ich mich nicht öffentlich zu Tarifauseinandersetzungen äußern.“
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