Man kommt dem nicht wirklich bei. Diese Erfahrung haben auch die Leipziger Umweltvereine schon gemacht. Immer wieder kommt es im Stadtgebiet zu Aufsehen erregenden Fällaktionen auch auf Privatgrundstücken, manchmal ganz unübersehbar gegen alle geltenden Regeln, ob es die Einhaltung der Fällsaison ist oder das Bäumefällen auf sensiblen Ufergrundstücken. Doch Bürger und Umweltvereine sind sensibler geworden. Was natürlich in der Stadtgesellschaft für neue Konflikte sorgt.
Denn dann gibt es ja auch noch Zeitungen, die finden es ziemlich frech, wenn sich die Bürger um Bäume und Sträucher auf den Grundstücken anderer Leute sorgen und damit – scheinbar – lauter Bauherren verärgern, deren Bauvorhaben sich verzögern.
Doch genau dieser Aussage konnte Umweltbürgermeister Heiko Rosenthal am 25. April in der Ratsversammlung widersprechen. Das ist nicht der Fall. Es gibt keine grundsätzlichen Konflikte zwischen Bauherren und der Genehmigungspraxis der Leipziger Umweltämter.
Was natürlich impliziert, dass die Umweltverbände, die in den letzten Monaten diverse Baumfällungen öffentlich gemacht und bei der Stadt angezeigt haben, im Recht waren. Auch wenn am Ende keine konkrete Zahl steht, wie viele Gehölze dann nun allein in den Jahren 2022 und 2023 ohne Erlaubnis gefällt wurden. Was freilich Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek nur zu gern gewusst hätte, denn natürlich gehört auch das Grün auf Privatgrundstücken zum Leipziger Gesamtbiotop.
Der Grünverlust ist unübersehbar
Und auch Heiko Rosenthal, mit dem sich Kasek bei dieser Frage nur zu gern duelliert, betonte, dass Stadtgrünverlust und Artenverlust der Verwaltung heftige Bauchschmerzen verursachen.
Nur konnte er auch an diesem 25. April nur wieder bestätigen, dass der Stadt rechtlich die Hände gebunden sind. Die Baumschutzsatzung gibt einen gewissen Handlungsspielraum. Aber selbst wenn Fällungen, die gegen rechtliche Vorgaben verstoßen, zur Anzeige kommen, haben sie meist nur Bußgelder zur Folge, die für die Bauherren in der Regel Trinkgeld sind.
Oder einmal so formuliert: Umweltzerstörung hat nicht wirklich den Preis, der bei manchen Investoren das Wissen darum stärken würde, wie unersätzlich der Verlust jedes einzelnen Biotops in der Stadt ist.
Mehr gemeldete Verstöße als im Vorjahr
Die Antwort aus dem Amt für Stadtgrün und Gewässer aber zeigte zumindest eins: Das Bewusstsein der Leipziger für diese Verluste ist gewachsen. Das zeigt schon der Sprung bei den gemeldeten Verstößen,welche die Stadt registrierte.
„Im Jahr 2022 gingen bei der Zentralen Bußgeldbehörde 245 Anzeigen zu Verstößen mit umweltrechtlichen Hintergrund ein; 2023 waren es 329 Anzeigen auf diesem Gebiet. Hierbei handelt es sich jedoch nicht nur um ungenehmigte Fällungen von Bäumen, sondern ebenso um andere Tatbestände aus den hier gegenständlichen Rechtsnormen sowie um Verstöße gegen das Waldgesetz, abfallrechtliche Verstöße oder Allgemeinverfügungen im naturschutzrechtlichen Bereich.
Diese werden in der Regel durch die jeweilig zuständigen Fachämter nach fachlicher Prüfung bei der Zentralen Bußgeldbehörde angezeigt“, teilt das Amt für Stadtgrün und Gewässer mit. „Mit dem bisher verwendeten Bearbeitungsverfahren in der Zentralen Bußgeldbehörde können statistische Angaben hier nicht detaillierter ausgewertet werden. Mithin können u.a. keine differenzierten Aussagen zu angeordneten Geldbußen getroffen werden.
In den vergangenen zwei Jahren wurden 34 Anzeigen wegen Verstoß oder vermeintlicher Zuwiderhandlung gegen naturschutzrechtliche Vorschriften durch den Stadtordnungsdienst, Mitarbeiter der Naturschutzbehörde oder anderer städtischer Behörden selbst festgestellt. In diesem Zeitraum wurden 48 Verstöße gegen die Baumschutzsatzung festgestellt und geahndet.“
Wobei man aus den Vorgängen ja inzwischen weiß, dass Stadtordnungsdienst und Naturschutzbehörde meist erst auf den Fall aufmerksam werden, wenn Bürger die Fällarbeiten melden.
Auch die Zahl der Anträge wächst
Die Antwort zeigt aber auch, dass die Anträge für Baumfällungen drastisch zugenommen haben. Gab es von März bis Dezember 2023 insgesamt 1.185 Antragsvorgänge im Rahmen der Baumschutzsatzung, so waren es allein schon in den ersten drei Monaten 2024 schon 515 Vorgänge. Was eben davon erzählt, dass in Leipzig weiterhin gebaut wird und dafür immer häufiger Baugrundstücke genutzt werden, die sich in den vergangenen Jahrzehnten in artenreiche Biotope verwandelt haben.
Und das sind in der Regel Grundstücke, für die es in der Nähe keinen Ausweichraum für Ersatzpflanzungen gibt – für die dabei beeinträchtigten Tierarten schon gar nicht. Genau das merken ja auch die Anwohner, die das wichtige – und auch kühlende – Grün in ihrer direkten Wohnumgebung verschwinden sehen.
Ist das also nur eine Selbstdarstellung, wie SPD-Stadtrat Andreas Geisler meinte, wenn der Grünen-Stadtrat Jürgen Kasek immer wieder nachfragt, was denn nun aus den Bäumen in der Stadt wird?
So sah es auch Heiko Rosenthal nicht, dem zwar keine Baumzählungen auf Privatgrundstücken vorliegen (weshalb die Antwort auch keine Zahl gefällter Bäume enthält), der aber auf Luftbildaufnahmen verweist, die auch im Umweltausschuss des Stadtrates schon ausgewertet wurden und den Baumverlust auch und gerade auf Privatgrundstücken sichtbar machen.
Es gibt 2 Kommentare
@robin w.
Das kann man so ziemlich genau sagen: 0. Den weder Hr. Kasek noch die Fraktion der Grünen haben die Funktion, (Anträgen auf) Baumfällungen zuzustimmen. Das ist Verwaltungshandeln!
Ob Herr Kasek weiß, wie vielen Baumfällungen er und seine Fraktion im Jahr 2024 zugestimmt hat? Es waren sehr sehr viele… Wahlkampf?