Ganz langsam ändert sich der Umgang des Amts für Stadtgrün und Gewässer (ASG) mit den Grünflächen der Stadt. Vor allem auch, weil der Stadtrat immer wieder Druck ausübte, dass die Zeit der kurzgeschorenen Rasen in Zeiten des Insektensterbens eigentlich zu Ende sein muss. 2019 wurde der erste Blühstreifen im Clara-Zetkin-Park angelegt. Inzwischen wurden auch die Rasenflächen an den Straßen seltener gemäht. Doch vielleicht doch noch zu häufig, wie Philipp Halver fand.

Denn er sieht die Änderung des Mahdregimes so noch nicht, eher doch wieder nur kahlgeschorene Rasen: „Um eine möglichst hohe Artenvielfalt zu erreichen, sollten 3 Dinge vermieden werden: 1. häufiges Mähen. 2. Mähen mit schwerem Gerät. 3. Mulchen“, stellte er in seiner Einwohneranfrage fest.

„Im Laufe des Jahres habe ich mir mehrere städtische Flächen angesehen und musste feststellen, dass die Flächen häufig und mit schwerem Gerät gemäht werden. Das Schnittgut verbleibt fast immer auf der Fläche.“

Doch ganz so einfach ist es nicht, antwortet das Amt für Stadtgrün und Gewässer. Einfach alle wachsen lassen, das funktioniert so direkt im Straßenraum nicht.

Fragen und Antworten komplett

Ist die Artenarmut im Straßenbegleitgrün beabsichtigt oder wird entgegen Vorgaben aus dem ASG gemäht? Falls die Artenarmut nicht beabsichtigt ist: Was unternimmt das Dezernat III, um das Mähverhalten entsprechend der vom Stadtrat beschlossenen Zielstellung Artenvielfalt zu ändern? 

Blühflächen werden in der Planung und Unterhaltung des Straßenbegleitgrüns berücksichtigt und es wird das Ziel der Entwicklung eines artenreichen bzw. blütenreichen Straßenbegleitgrüns verfolgt. Neben der direkten Erhöhung des Nahrungsangebots für Bestäuber und der Schaffung neuer Habitatflächen für Insekten, Vögel und weiterer Artengruppen, kann die ökologische Aufwertung des Straßenbegleitgrüns auch zur Vernetzung von Biotopen beitragen.

Daher wurden bereits Projekte an mehreren Standorten umgesetzt.

Allein in 2023 wurde die extensiv gepflegte Fläche des Straßenbegleitgrüns um ca. 46.100 m² erhöht, sodass nunmehr ca. 20 ha Verkehrsgrün extensiv gepflegt werden. Es wird auch künftig geprüft, ob und in welchen Umfang Blühflächen angelegt werden können.

Die Gewährleistung der Verkehrssicherheit unter den besonderen Anforderungen des Straßenraums hat hier jedoch oberste Priorität. Daher ist in vielen direkt an Verkehrsflächen angrenzenden Bereichen eine Rasenmahd erforderlich, um Sichtdreiecke freizuhalten. Es lässt sich daher im Straßenbegleitgrün nur in Teilbereichen eine extensive Pflege realisieren.

Vor diesem Hintergrund ist die Förderung der Artenvielfalt gemeinsames Ziel aller Beteiligten und unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Straßenbegleitgrüns.

Bei der Neuanlage von Grünanlagen wird häufig geschottert. Die gewünschten Pflanzen werden mit Schotter umgeben, sodass keine anderen Pflanzen eine Chance haben, bspw. Martinplatz in Kleinzschocher, Erholungspark Lößnig-Dölitz, Staudenbeet Campus Ihmelsstraße. Auf diese Weise wird allerdings ganz gezielt Arteneinfalt gefördert.

Ist der Stadt Leipzig bewusst, dass insbesondere bodenlebende Insekten auf diese Weise kaum eine Überlebenschance haben und man auf relativ großer Fläche nur wenige Pflanzenarten bietet? Ist diese Art und Weise der Bepflanzung mit dem Dezernat so abgestimmt und sieht das Dezernat III hier keinen Zielkonflikt bezüglich Artenvielfalt?

Das beschriebene Umgeben gewünschter Pflanzen mit Schotter wird als mineralisches Mulchen bezeichnet und bedeutet, dass der Boden mit einer Schicht aus mineralischem Material, z. B. Lavalit, bedeckt wird. Diese Schicht dient als Schutzschicht auf dem Boden, die insbesondere ein Austrocknen des Bodens durch die Besonnung und die damit verbundene Verdunstung verhindert.

Geeignete Materialien sind alle Gesteinssplitte oder Kiese, zum Beispiel aus Basalt, Granit, Grauwacke, Lava oder Porphyr. Gerade für offene und voll besonnte Flächen haben sich mineralische Mulchstoffe besser bewährt als etwa Rindenmulch.

Die Zielsetzung des mineralischen Mulchens besteht darin, durch den Verdunstungsschutz ein aktives Bodenleben zu fördern. Ein Zielkonflikt zur Förderung der Artenvielfalt ist nicht erkennbar, da die zunächst für ein bis zwei Jahre offenliegenden Mulchflächen innerhalb kürzester Zeit von den Stauden überdeckt werden und sich im Laufe der Zeit durch organische Ablagerungen eine Humusschicht bildet, die von weiteren Pflanzenarten besiedelt werden kann.

Leipzig nennt sich selbst „Stadt der Vielfalt“. Schaut man sich das Straßenbegleitgrün an, muss man leider feststellen, dass da mittlerweile kaum noch was fliegt oder krabbelt. Viele Straßenräume sind in weiten Teilen biologisch tot.

Welche kurzfristigen Maßnahmen möchte das Dezernat III ergreifen, um die Artenvielfalt im Straßenbegleitgrün wieder zu erhöhen bzw. den weiteren Rückgang zu verlangsamen?

Zur Vermehrung der Artenvielfalt wird im Bereich der Straßenunterhaltung zunehmend das Mahdregime einzelner Flächen verändert, hin zu mehr extensiver Mahd (siehe 1.). Zudem haben in den Prozess zur Straßenplanung Pflanzungen mit mehr Artenvielfalt Einzug gehalten und werden bei allen aktuellen Straßenbauvorhaben berücksichtigt (z. B. Volbedingstraße, Gutenbergplatz).

Mit der Gestaltung (z. B. Kreisverkehr Wiederitzsch) konnten bisher gute Erfahrungen gewonnen werden. Das Dezernat Umwelt, Klima, Ordnung und Sport berät hierzu das fachlich zuständige Dezernat Stadtentwicklung und Bau.

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Es gibt 4 Kommentare

Eine EF welche das bestehende Problem erneut aufgreift und versucht Handlungen zu ermöglichen. Wir haben die bereits am 12.09.2022 die Thematik angesprochen und Lösungen vorgeschlagen. https://www.youtube.com/watch?v=kd1WksTokAU
Mit der Petition “Biotope aufwerten und erhalten….B-Plan Lindenauer Hafen ändern” versuchen wir weiterhin Akteure der Stadtverwaltung zu begeistern. Es liegt aktuell ein VSP vor zu welchem wir einen Gesprächstermin beantragt haben. https://ratsinformation.leipzig.de/allris_leipzig_public/VO020?VOLFDNR=2013068

@bahnschranke
Die Vitalität ist bei ein paar Platanen nur noch gering. Bei gut 80% ist sie aber sehr hoch und sie werden im nächsten Jahr wieder voll ausschlagen.

Traurigerweise sind die Bäume auf dem Bild völlig vertrocknet und werden demnächst absterben. Kein Vorwurf an den Autor. Man kann die dortige Rasenfläche einfach den Birken und Hagebuttem überlassen und schon entsteht ein wertvoller Grünstreifen.

Auf das Mulchen ist man gar nicht erst eingegangen. Das ist aber ein zentraler Punkt, weshalb immer mehr Arten aussterben. Und gemulcht wird mittlerweile so gut wie jede Fläche, die die Stadt mäht bzw. mähen lässt. Mit dem Mulchen ersticken viele Pflanzen und der Boden wird zu stickstoffreich. D.h. Pflanzen, die nährstoffarme Böden benötigen, haben keine Überlebenschance, auch weil die veränderten Standortbedingungen die Konkurrenz bevorteilen. Gibt es wenige Pflanzenarten, verschwinden auch viele Insekten. Ein Bewusstsein dafür gibt es im ASG allerdings nach wie vor nicht, wie auch die Antwort wieder mal zeigt.
Erschreckend auch: Man klopft sich wegen 46.000qm geändertem Mahtregime auf die Schulter – in einer Stadt mit 297qkm Fläche und einem 1.800km langen Straßennetz.

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