Die CDU-Fraktion im Stadtrat Leipzig hat einen Antrag mit dem etwas sperrigen Titel „Freie Fahrt für Not- und Störungseinsätze von Handwerkern in Leipzig: Erlaubnis von Not- und Störungseinsätzen an Sonn- und Feiertagen sowie Noteinsätze/Notreparaturen durch Handwerker mit Nutzung von öffentlichen Flächen“ ins Verfahren gebracht und es gibt auch schon einen Verwaltungsstandpunkt dazu.
Worum geht es? Wenn Handwerksbetriebe öffentliche Verkehrsflächen bei Störungs- bzw. Noteinsätzen blockieren, brauchen sie eine Sondergenehmigung. Da das oft zu lange dauert und aufwändig ist, fordert die CDU-Fraktion in ihrem Antrag:
„1. Die Stadtverwaltung entwickelt bis zum 3. Quartal 2023 ein System, um die Durchführung von Noteinsätzen wie Notreparaturen, Erstsicherungen, zur Gefahrenabwehr oder bei Havarien schnell und ohne langwierige Vorabgenehmigungen (im Falle der Nutzung des öffentlichen Verkehrsraums) zu ermöglichen. Hierzu wird ein Prozess mit Handlungsleitfaden und Checkliste für die Firmen entwickelt, um die Sondernutzung und Genehmigungserteilung für die kurzfristige Nutzung des Verkehrsraums der Stadt Leipzig zu ermöglichen. Mögliche nachfolgende Einsätze zur Zweit- und Drittreparatur sind ausdrücklich nicht inbegriffen.“
Punkt 2 betrifft die Kommunikation der Stadt an die zuständigen Ämter. Diese kennen oft nicht die Befreiung der entsprechenden Fahrzeuge vom Sonn- und Feiertagsfahrverbot.
In Punkt 3 geht es um die Beschleunigung von Genehmigungen von Stellflächen für Hubbühnen und Kräne auf öffentlichem Gelände.
Was sagt die Verwaltung?
Der Verwaltungsstandpunkt nimmt das Anliegen auf und will dem Oberbürgermeister die Organisation überlassen.
Fast schon witzig ist, wenn die Verwaltung zu Punkt 2 schreibt, dass die Ausnahmeregelung besteht, aber wenn es nicht Leipziger Behörden sind, dann kann man nichts machen: „Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass die Stadt Leipzig nicht weisungsbefugt gegenüber anderen Gebietskörperschaften und Polizeidienststellen im Freistaat Sachsen ist und somit keinen Einfluss auf eine Sensibilisierung dieser Behörden hinsichtlich der klaren Vorgaben des Landesamtes für Straßenbau und Verkehr (LASuV) hat.“
Greift der Antrag zu kurz?
Volker Lux, der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Leipzig sagte der LZ im Interview zu diesem Thema, also dem Handwerkerverkehr: „Darum wäre es aus unserer Sicht sachgerecht, mal darüber nachzudenken, ob man sich nicht mit einer Definition des Begriffs Handwerkerverkehr anfreunden könnte, um in der politischen Diskussion klarzustellen, dass es für wirkliche Handwerkerlieferungen von Lasten, von Transport, von Personen auch auf Baustellen keine wirklichen Optionen gibt.“
Es gibt in Leipzig Lieferzonen, aber keine Handwerkerzonen – das ist etwas überspitzt, trifft aber oft den Kern des Problems. Wenn in einer engen Straße, mit oder ohne Radweg, beispielsweise eine Schaufensterscheibe ausgewechselt werden muss, dann steht das Fahrzeug schon einmal zwei bis drei Stunden dort. Das wäre nach dem Antrag kein Noteinsatz, aber eine Beschleunigung der Genehmigung für die Nutzung des Verkehrsraums wäre dort ebenfalls nötig.
Volker Lux wies auch auf die Dringlichkeit hin, wenn er sagte: „Der Klempner, der was an der Heizung baut, der braucht sein Auto den ganzen Tag vorm Haus, weil das Auto seine Werkstatt für die gesamte Dauer ist, die er dort arbeitet. Die Baugenossenschaft Leipzig hat sich gravierend darüber beklagt, dass in einzelnen Wohnquartieren Handwerker keine Aufträge mehr annehmen.“
Fazit: Viele Menschen haben sich über den Beschluss der EU zum Recht auf Reparatur gefreut. Es werden künftig auch mehr Geräte und Anlagen repariert, die man nicht einfach in eine Werkstatt bringen kann. Dann kommt der Handwerker. Oft ist es erforderlich, dass er mit einem Auto kommt. Wenn das nicht geht, dann kommt er eben nicht.
Wir sollten darüber nachdenken, wie man damit umgehen muss.
Anmerkung: Im Interview wurde auch über die Förderung alternativer Transportmittel, zum Beispiel Lastenrad, gesprochen. Der Artikel ist kein Plädoyer für Autos; es geht um Handwerker.
Es gibt 2 Kommentare
Um es noch klarer auszudrücken, lieber User “Uwe”, das eigentliche Problem sind die Aberzehntausenden von Leipzigerinnen und Leipzigern, die es sich seit Jahrzehnten auf dem Rücken der Allgemeinheit bequem gemacht haben, was ein Maß an Ungerechtigkeit geschaffen hat, das nicht länger hinnehmbar ist, Stichworte Flächengerechtigkeit, Benachteiligung Schwacher, krankmachender Lärm, ungesunde Abgase, Dauerstaus, zerfahrene Trottoirs, Verhinderung von Flanierquartieren und ubiquitärer Spielstraßen (was macht eigentlich der schicke Superblock?), uswusf. Erst wenn es aber auch allen im Geldbeutel wehtut, wird ein radikales Umdenken einsetzen und der öffentliche Raum einer weiteren Blockierung entzogen. Autofahren muß unbequem werden! Gehzeuge für alle!
Ich hatte an anderer Stelle in diesem Medium https://www.l-iz.de/wirtschaft/wirtschaft-leipzig/2023/02/erster-runder-tisch-wirtschaftsverkehr-braucht-ansprechpartner-lieferzonen-511230#comment-31246 mal eine ins Kafkaeske gehenden Erfahrungsbericht von vor inzwischen ziemlich genau einem Jahr abgegeben. Die Fahrer des Möbelhauses waren nicht etwa durch irgendwelche blockierenden Autos die Gelackmeierten, sondern weil LokalpolitikerInnen, die politisch dem gegenwärtigen Ersten Stellvertreter des Ministerpräsidenten Sachsens nahestehen, der Gerüchten zufolge unweit einen Wohnsitz hat, dafür gesorgt haben, daß in Parlament und Verwaltung für ein weiträumiges striktes Halteverbot zugunsten eines idealen Rundumblicks von Schulkindern auf die gesamte Straße gesorgt haben und zugleich die Vision von Flaniermeilen realisieren konnten, und das üppige Trottoir zudem hätte einer geologischen Erkundungsprobung zur Feststellung der Standsicherheit eines Siebeneinhalbtonners unterzogen werden sollen. Ich kann nur raten, sich mit Handwerkern und -werkerinnen, die motorisiert daherkommen, zu unterhalten, auch mit Umzugsunternehmern, und deren traurige Klagelieder anzuhören.
In Basel und in vielen anderen Städten der CH parkieren Sie als Anwohner gegen einen Jahresobolus im niederen dreistelligen CHF-Bereich. Ich bin hundertprozentig sicher, daß dort damit niemand, aber auch niemand, von diesem Ablaßhandel von der Haltung eines eigenen Kfz abgeschreckt wird, nur die auswärtigen Besucher werden in die überteuerten Parkhäuser und -plätze getrieben. So entfaltet Geld doch noch eine schöne Leitungswirkung.
Das eigentliche Problem sind ja nicht die Handwerker- oder Lieferfahrzeuge (erst recht nicht die Einsatzfahrzeuge von Rettungsdiensten, Feuerwehr oder Polizei), sondern die Unmengen privater Fahrzeuge, die den öffentlichen Raum blockieren. Wird Zeit, wieder zu der Regelung zurückzukehren, dass solche nur im privaten Bereich abgestellt werden dürfen (eigenes Grundstücke, (Tief-)Garage, Parkhaus, ausgewiesene Parkplätze etc.), die bis Mitte des vorigen Jahrhunderts auch in D, und heute noch z. B. in der Schweiz und in Japan gilt…