Trotz aller Bekenntnisse zur Stärkung der klima- und gesundheitsfreundlichen Fortbewegung zu Fuß sei der Fußverkehr in Leipzig immer noch ein wenig ein „unbeliebtes Stiefkind“, befand Franziska Riekewald, mobilitätspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Leipziger Stadtrat. Ein durch die Fraktion eingebrachter Antrag sieht daher nun vor, Ampelanlagen fußgängerfreundlicher einzustellen.
In ihrer Rede mit Bezug auf einen aktuellen LZ-Beitrag warb Franziska Riekewald um Zustimmung zum Antrag ihrer Fraktion. Der sieht nicht nur vor, dass beispielsweise durch einen Mittelteil auf der Fahrbahn separierte Überquerungen an Fußgängerampeln ohne Zwischenstopp in einem Zug passiert werden sollen. Auch solle Fußgängerinnen und Fußgängern eine großzügigere Räumzeit zugestanden werden, hier sei eine Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde (statt 1,2 Metern) zugrunde zu legen.
Mehr Zeit und Komfort für Fußgänger
Und: „Grundsätzlich sind in allen Vorlagen für neue oder erneuerte Lichtsignalanlagen die Qualitätsstufen aus der verkehrstechnischen Untersuchung für die Verkehrsarten des Umweltverbundes zur Angebotsqualität (Level of Service) ebenso zu erheben und transparent auszuweisen wie für den motorisierten Individualverkehr.“
Noch im vierten Quartal 2023 möge die Stadtverwaltung ferner einen ersten Standort für eine sogenannte Diagonalquerung in Leipzig vorschlagen, wie sie in anderen Ländern teilweise schon weiter verbreitet ist.
Grundsätzliches Ziel des Antrags sei „ein komfortables Queren der Fahrbahn für den Fußverkehr innerhalb der Grünphase.“ Abweichungen solle es nur dort geben, „wenn dies zur Bevorrechtigung des ÖPNV oder zur Vermeidung von inakzeptabel langen Umlauf- oder Wartezeiten erforderlich ist.“
Kritik am VSP der Stadt
Riekewald begründete das Vorhaben etwa mit Verweis auf eine aktuelle Petition zweier gehbehinderter Frauen in Leipzig, für welche eine schnelle Querung der Fahrbahn faktisch unmöglich ist. Und auch Eltern mit Kleinkindern oder Menschen, die gemütlich schlendern, würden von einer geringer angesetzten Fußgeschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde klar profitieren, gab Riekewald zu bedenken.
Ein durch die Stadt Leipzig vorgelegter Verwaltungsstandpunkt (VSP) zum Thema lese sich zwar schön, sei aber „reine Prosa“, kritisierte die mobilitätspolitische Sprecherin. So sei man viel zu unkonkret und stelle hier zwar ein Pilotprojekt für eine Diagonalquerung in Aussicht, aber ohne zeitlichen Realisierungshorizont.
Kontroverse Diskussion
Für die Fraktion der Freibeuter setzte sich Ute Elisabeth Gabelmann um Zustimmung für den VSP ein und führte an, dass sie sich schon 2019 vergebens für das Prinzip der Diagonalquerung engagiert habe, nicht zuletzt anlässlich des Unfallstods einer 16-jährigen Radlerin auf dem Leipziger Ring. Für die CDU schloss sich Dr. Sabine Heymann ihrer Vorrednerin Gabelmann an: Bei aller Sympathie für den Fußverkehr müssten in einer Stadt wie Leipzig auch andere Fortbewegungsarten von kurzen Umschaltzeiten profitieren.
Riekewald konterte mit dem Verweis, dass der Antrag der Linksfraktion sehr wohl Ausnahmen erlaube, sodass die Umschaltzeiten dort, wo es notwendig sei, auch dem ÖPNV eine Bevorrechtigung geben könnten.
Dienberg: Pilotprojekt „so schnell wie möglich“
Andreas Geisler (SPD) hinterfragte dann noch die Funktionsfähigkeit von angebrachten Zusatzgeräten an Ampelkreuzungen, die eine Grünphase auf Druck für Fußgänger verlängern könnten. Seine Antwort – es gäbe diese Systeme nicht überall, aber oft in Leipzig, sie müssten allerdings extra betätigt werden – nutzte Baubürgermeister Thomas Dienberg dann gleich zur grundsätzlichen Stellungnahme.
Er begrüße die Intention des Antrags und die Förderung von Fußgängern, aber die Kreuzungen seien individuell, komplex und es gäbe keine holzschnittartige Einheitslösung, um festzulegen, wie viel Grünzeit den Verkehrsteilnehmern jeweils einzuräumen sei. Man müsse im Sinne des VSP, für den er warb, jetzt das Thema Diagonalquerung an einer Stelle testen, so Thomas Dienberg. Franziska Riekewald hielt Dienberg in ihrer Wortmeldung vor, dass Autos an einer Ampelschaltung einen höheren Anteil hätten als Radler, Fußgänger und ÖPNV zusammen.
„Darum geht es uns ja, dass man das auch mal ordentlich in die Waagschale wirft.“ Auf Nachfrage, wann denn nun das Pilotprojekt zur Diagonalquerung geprüft und umgesetzt werden solle, versicherte Dienberg: „So schnell wie möglich.“ Er werde im nächsten Fachausschuss einen konkreten Zeitplan vorlegen.
Zuvor hatte Sascha Matzke (FDP) seine Sympathie für das Vorhaben bekundet und darauf verwiesen, dass eine Ampelumschaltung am Hauptbahnhof ja auch möglich gewesen sei. Ein „Geht nicht“ wolle er nicht gelten lassen. Es sei der Auftrag, Probleme für die Menschen in dieser Stadt zu lösen.
Der VSP wurde nach der Debatte mit 20:25 Stimmen (bei 14 Enthaltungen) abgelehnt. Der Antrag der Linksfraktion fand dagegen eine Mehrheit von 29 Ja-Stimmen, 25 Stadträte lehnten ihn ab, es gab acht Enthaltungen.
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Eine Stelle, wo heute schon Diagonalquerung möglich ist, ist die Prager Straße Ecke Komandant-Prendel-Allee. Dort wird schon heute für eine einzige Fußgängerquerung der gesamte Fahrverkehr aller Richtungen angehalten. Da kann man dann auch gleich diagonal über die Kreuzung gehen. Für die Fußwegbeziehung vom Park der Etzoldschen Sandgrube zum Südfriedhof wäre dies eine kolossale Verbesserung, da man nicht zweimal die komplette Fahrzeug-Grünphase der Prager Straße abwarten muss. Während dieses Komplettstopps aller Fahrzeuge wäre auch eine Fußgängerquerung über die Prager Straße auf der Südseite dieser Kreuzung sinnvoll , ist kürzer als diagonal.