Am 5. Juli standen ein paar Kamerateams mehr als gewöhnlich im Tagungssaal des Leipziger Stadtrates. Ganz offensichtlich in Erwartung eines großen Showdowns. Auch wenn das bei dem Thema eigentlich nicht zu erwarten war, ging es doch nur um die Besetzung des verbleibenden siebten Sitzes einer Vertrauensperson für den Wahlausschuss der Schöffenwahl am Amtsgericht Leipzig. Doch dafür kandidierte halt ein AfD-Stadtrat.
Das war durchaus ein Politikum. Nachdem am 2. Juli der AfD-Mann Hannes Loth in Raguhn-Jeßnitz in Sachsen-Anhalt das Bürgermeisteramt erringen konnte und am 25. Juni der AfD-Kandidat Robert Sesselmann die Landratswahl im thüringischen Sonneberg gewann. Eine Woche lang kannten die großen Medien kaum noch ein anderes Thema. Landet die AfD jetzt den nächsten Wahlerfolg?
Ausgerechnet in Leipzig?
Erste Runde am 14. Juni
Tatsächlich stand die Wahl für den Wahlausschuss der Schöffenwahl schon am 14. Juni an. Und sechs der von den Fraktionen vorgeschlagenen Vertrauenspersonen wurden auch gewählt: Beate Ehms und Steffen Wehmann für die Linke, Norman Volger für die Grünen und Philipp Sondermann für die CDU, Prof. Getu Abraham für die SPD und Ute Elisabeth Gabelmann für die Freibeuter. Nur der von der AfD-Fraktion vorgeschlagene Stadtrat Jörg Kühne fiel durch. Im ersten Wahlgang genauso wie im zweiten und im dritten, als mit Martin Biederstedt aus der Grünen-Fraktion ein Gegenkandidat auf dem Wahlzettel stand, den die AfD-Fraktion beanstandete.
Denn die ging davon aus, dass jeder Fraktion nicht nur ein Vorschlagsrecht zusteht, sondern auch die Besetzung eines Sitzes im Wahlausschuss der Schöffenwahl.
Immer wieder schritt AfD-Stadrat Christian Kriegel ans Mikrofon, um auf den entsprechenden Passus aus dem Stadtratsbeschluss vom 17. Mai zu zitieren, in dem das Wahlverfahren so geregelt wurde:
„Für den Wahlausschuss sind durch den Stadtrat sieben Vertrauenspersonen zu wählen. Die Vorschläge für diese Wahl erfolgen durch die Fraktionen bis zum 1. Juni 2023 an das Büro für Ratsangelegenheiten nach dem folgenden Prozedere: Grundlage ist, dass für jede Fraktion das Vorschlagsrecht für einen Sitz vergeben wird.
Verbleibenden Sitze werden in der Rangfolge gemäß der Fraktionsgröße vergeben. Bei Gleichheit der Fraktionsgröße entscheidet das Los unter Anwesenheit des Leiters des Büros für Ratsangelegenheiten, des Leiters des Amtes für Statistik und Wahlen und je eines Fraktionsvertreters bzw. einer Vertreterin der betroffenen Fraktionen.
Die Wahl der Vertrauenspersonen erfolgt ebenfalls in der Stadtratssitzung am 14. Juni 2023. Zur Wahl ist die Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des Stadtrates, mindestens jedoch der Hälfte der gesetzlichen Mitgliederzahl erforderlich.“
So weit also ganz einfach. Wer nicht die Zweidrittelmehrheit oder mindestens die Hälfte der Stimmen aller offiziellen Stadtratsmitglieder erreicht, kommt mit seinem Wahlvorschlag nicht durch.
Für die Linksfraktion kam der Passus zur „Gleichheit der Fraktionsgröße“ zum Tagen, denn sie ist mit der Grünen-Fraktion gleichauf mit der Zahl der Fraktionsmitglieder. Das Los fiel für die Linksfraktion, die damit zwei Vertrauenspersonen benennen konnte und am 14. Juni auch durchbekam.
Nur Jörg Kühne kam nicht durch, erhielt auch noch deutlich weniger Stimmen als Martin Biederstedt, der aber auch nicht die nötige Mehrheit erreichte. FDP-Stadtrat Sven Morlok beantragte, die Wahl an dieser Stelle zu unterbrechen und in der nächsten Ratsversammlung fortzusetzen. Ein Ansinnen, dem die Stadtratsmehrheit folgte, sodass am 5. Juli alles auf die Frage hinauslief: Winkt eine Stadtratsmehrheit den AfD-Kandidaten diesmal zähneknirschend durch oder lässt man die rechtspopulistische Fraktion wieder auflaufen?
Zweite Runde am 5. Juli
Das Ganze bekam dann auch noch eine satirische Note, weil im ersten Wahlgang der falsche Gegenkandidat auf dem Wahlzettel stand. Denn Martin Biederstedt stand noch drauf, obwohl er nicht noch einmal antrat. Dafür stand Tobias Hollitzer nicht auf dem Zettel, der Leiter des Museums in der „Runden Ecke“. Den hatte Sabine Heymann im Namen der CDU-Fraktion vorgeschlagen.
Die Verwaltung musste also erst einmal neue Wahlzettel drucken, bevor es tatsächlich in die nächste Stichwahl gehen konnte. Doch auch hier wurde deutlich, dass der AfD-Kandidat Jörg Kühne in der Leipziger Ratsversammlung keine Mehrheit finden würde. Zwölf Ratsmitglieder enthielten sich der Stimme, 13 stimmten für Kühne, aber 38 für Hollitzer.
Also gab es noch einen Wahlgang, bei dem die beiden Kandidaten wieder auf dem Wahlzettel standen. Doch fast zwei Stunden später hatten schon mehrere Stadträte die Ratsversammlung verlassen. Statt 63 schritten jetzt nur noch 57 Ratsmitglieder zur Wahl. Zwölf gaben ihre Stimme wieder Jörg Kühne, sieben machten ihre Stimmen ungültig und 38 stimmten für Tobias Hollitzer. Was in diesem Fall sogar für die nötige Zweidrittelmehrheit reichte. Damit war Tobias Hollitzer gewählt.
Die AfD-Fraktion ging leer aus und Christian Kriegel kündigte am Mikro schon einmal an, dass seine Fraktion die Wahl anfechten würde. Er interpretiert den Wahlbeschluss vom 17. Mai nach wie vor so, dass der AfD-Fraktion auch einer der sieben Sitze im Wahlausschuss beim Amtsgericht zustünde.
Doch die Stadtratsmehrheit hatte nun eigentlich mehrfach deutlich gemacht, dass sie einen AfD-Mann in so einem Gremium nicht haben möchte.
Aus Leipzig gab es also erst einmal keine neue Triumpf-Meldung für die AfD.
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